Die Präsidentschaftskandidatin hat die TV-Konfrontation gegen Trump eindeutig gewonnen – Europas Demokraten konnten kurz aufatmen.

Raimund LöwVersendet am 12.09.2024

Trumps Ausführungen über Migranten, die angeblich amerikanische Haustiere verspeisen, sorgten für Stirnrunzeln. (Foto © Saul Loeb / AFP / picturedesk.com)

Europas Demokraten können ein bisschen aufatmen. Der Albtraum eines Rechtsextremen an der Spitze Amerikas ist diese Woche etwas weniger wahrscheinlich geworden. Kamala Harris hat die TV-Konfrontation gegen Donald Trump letzten Dienstag eindeutig gewonnen. In den berühmten Swing States von Pennsylvania über Michigan bis Georgia, auf die es am 5. November ankommt, haben sich ihre Chancen verbessert, das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen zu gewinnen.about:blankANZEIGE

Kamala Harris, die Vizepräsidentin unter Joe Biden, steht für das linksliberale Amerika, das sich gegen den Ansturm der faschistoiden Rassisten rund um Trump zur Wehr setzt. Scheitert Trump, dann wäre das ein gehöriger Dämpfer für die autoritären Rechten auf der ganzen Welt.

Beim Sezieren des Duells gelten Trumps absurde Geschichten über Abtreibungen bis zur Geburt und Migranten, die Haustiere stehlen, um sie zu verspeisen, als Beweise, dass sich der Ex-Präsident nicht mehr unter Kontrolle hatte. Die Moderatorin erinnerte, dass es in den USA nirgends legal sei, Babys umzubringen. Die Fact-Checker des Senders ABC haben innerhalb von Sekunden den Bürgermeister von Springfield in Ohio angerufen, der die Story der Haustiere verspeisenden Migranten aus Haiti dementierte. Kamala Harris sprach schlicht von einem „bunch of lies“.

Aber Trump hat diese Lügen über Migranten und Abtreibungen nicht selbst erfunden. Sie kursieren seit Wochen in den Echokammern der amerikanischen Rechten. Trump hat sie nur auf die Bühne der großen Öffentlichkeit von 65 Millionen Zusehern gebracht. Der Republikaner ist nicht nur als Person ein Lügner und Verleumder. Er repräsentiert das in der Republikanischen Partei vorherrschende ultrakonservative Amerika, das Verschwörungstheorien jeder Art anhängt. Dass die Zustimmung zu Trump trotz aller Exzesse nicht zurückgeht, zeigt die innere Krise Amerikas.

Seit dem Rückzug Joe Bidens mobilisiert Kamala Harris das Lager der Demokraten genauso, wie sich die Parteiführer das vorgestellt haben. Kamala Harris hat es als Frau aus Kalifornien mit multikulturellem Hintergrund nicht leicht bei der weißen Arbeiterschaft sowie konservativen Latinos und Afroamerikanern anzukommen. Sie stammt aus dem linken Flügel der Demokratischen Partei. Einige ihrer ursprünglichen Positionen hat sie dem rechten Zeitgeist entsprechend verändert.

Sie will Fracking zur Gasgewinnung nicht mehr verbieten und an der aktuellen drakonischen Bestrafung bei irregulären Grenzübertritten festhalten. Ihr Engagement für das Recht auf Abtreibung ist ein wichtiger Pluspunkt. Auch in republikanisch geführten Bundesstaaten haben sich bei Volksabstimmungen Mehrheiten gegen Einschränkungen ausgesprochen. Ihre solide Performance gegenüber Trump bestätigt, dass Harris eine gute Präsidentschaftskandidatin ist und dass sie das Zeug zur Präsidentin hat.

Außenpolitik spielt in US-Wahlkämpfen meist eine untergeordnete Rolle. Umso bemerkenswerter, dass in der wahrscheinlich einzigen TV-Debatte gar nicht wenig über China, Russland, Afghanistan, den Dritten Weltkrieg und den Nahen Osten gestritten wurde. Lächerlich klang es, wie Trump mehrmals Viktor Orbán namentlich angepriesen hat. In der rechtsextremen Welt ist Ungarn eine Großmacht.

Heikel ist für Kamala Harris die Nahostpolitik der USA. Im Swing State Michigan gibt viele arabischstämmige Wähler, die sich schwertun werden, für die Vertreterin einer Regierung zu stimmen, die es nicht schafft, die täglichen Massaker in Gaza zu beenden. Die 1000-Kilo-Bomben, die Israel auf Flüchtlingszelte und Schulen abwirft, weil sich dort angeblich Hamas-Leute befinden, kommen aus amerikanischen Beständen. Vor dem TV-Studio demonstrierten junge Leute, weil eine amerikanische Friedensaktivistin in der besetzten Westbank von einem israelischen Scharfschützen erschossen wurde.

Kamala Harris verkörpert alle Widersprüche der linksliberalem Zukunftsvisionen für die Weltmacht Amerika. Aber zuzusehen, wie gekonnt sie den Lügner und Demagogen Trump entzaubert, hat einfach gutgetan.