Was Donald Trumps Personalentscheidungen über seine zweite Amtszeit aussagen, Falter Maily 18.11.2024

Der designierte US-Präsident versteht sich als „Zerstörer“. Seine Vorschläge für Extremisten an Schlüsselpositionen seiner Regierung weisen genau in diese Richtung.

Raimund LöwVersendet am 18.11.2024

Der ultrarechte Hardliner Matt Gaetz soll als Justizminister Trumps Rachefeldzug gegen dessen Gegner anführen. (Foto © Gemeinfrei)

Vergleiche zwischen Europa und Amerika sind oft schief, weil die Dimensionen anders sind. Die politischen Ähnlichkeiten sind jedoch beängstigend:about:blankANZEIGE

Donald Trump als amerikanischer Präsident ist ab 20. Jänner Realität. Trump im Weißen Haus, das ist so ähnlich wie Alice Weidel als Bundeskanzlerin in Berlin (wobei die AfD bisher über regionalen Einfluss nicht hinauskommt), wie Marine Le Pen im Élysée in Paris oder Herbert Kickl am Wiener Ballhausplatz. Ein Kanzler Kickl, der Identitäre zu Ministern macht, das wäre im Kleinen, was in den USA mit Trumps Personalentscheidungen gerade im Großen passiert.

Trump tut alles, um zu signalisieren, dass sein Machtantritt ein Bruch mit der Normalität eines demokratischen Wechsels ist. Im Stakkato kommen aus Mar-A-Lago, dem Hauptquartier des zukünftigen Präsidenten, die Vorschläge für Extremisten an Schlüsselpositionen in der US-Regierung.

Ein Fernsehmoderator von Fox News soll das Verteidigungsministerium übernehmen. Der Mann ist in einschlägigen Kreisen populär geworden, weil er das Pentagon für eine woke Veranstaltung hält. Gerne präsentiert er seine rassistischen Tätowierungen auf Brust und Arm. 

Gesundheitsminister soll der Impfskeptiker Robert Kennedy Jr. werden, der Budgetgelder für die Entwicklung neuer Impfstoffe streichen will. 

Der designierte Justizminister Matt Gaetz soll Trumps Rachefeldzug gegen Gegner und Konkurrenten führen. Der Mann hat sich als Abgeordneter im Repräsentantenhaus unmöglich gemacht, weil er ständig mit sexuellen Eskapaden geprahlt hat. Der Verdacht von Sex mit einer Siebzehnjährigen brachte ihm ein Verfahren im Kongress ein, das jetzt unter Verschluss gehalten werden soll. Die Liste ließe sich fortführen.

Trumps Personalentscheidungen passen völlig zu seinen politischen Absichten, sagt am Rande einer internationalen Konferenz im Bruno Kreisky Forum die amerikanische Politikexpertin Ellen Laipson: „Eine Verkleinerung des Staates, die er plant, folgt traditionellen konservativen Instinkten. Dazu braucht er Leute an der Spitze, die zu einem dramatischen Shake-Up des Beamtenapparats bereit sind.“

Ellen Laipson war im Senat Mitarbeiterin von Joe Biden und im Weißen Haus von Barack Obama. „Es beunruhigt viele, dass Trump Leute nominiert Leute, denen die Grundkenntnisse davon fehlen, was eigentlich die Aufgaben jener Behörden sind, für die sie zuständig sein sollen“, so Ellen Laipson.

Amerikanische Regierungsmitglieder müssen vom Senat bestätigt werden. Ellen Laipson hält es für möglich, dass der Senat trotz der republikanischen Mehrheit einige Kandidaten blockieren wird: „Wenn drei oder vier konventionelle Republikaner ‚Nein‘ sagen, würde die Nominierung scheitern“.

Trump könnte versuchen, seine Leute während einer Sitzungspause des Senats ohne Anhörungen und Abstimmungen einzusetzen. Diese Ernennungen gelten dann zwei Jahre. Es ist ein beliebter Trick von Präsidenten, der aber nur selten angewandt wird. Der Fachausdruck heißt Recess Appointment.

Wären solche Recess Appointments ein erster Schritt in die autoritäre Umwandlung des amerikanischen Systems? Ellen Laipson ist vorsichtig: „Vieles im Verhältnis zwischen den verschiedenen Gewalten des Staates beruht auf Traditionen und ist nicht gesetzlich festgeschrieben. Es ist natürlich beunruhigend, dass sich Trump so sicher fühlt, geltende Regeln zu brechen. Aber vereinzelt haben auch frühere Administrationen Posten am Senat vorbei besetzt“.

Ellen Laipson weist darauf hin, dass Trump immer wieder auch von ihm selbst ausgewählte Leute bestraft, wenn die nicht gut funktionieren. Es sei durchaus möglich, dass er zum Beispiel seinen Kandidaten für den Verteidigungsminister zurückzieht, wenn es zu viele Kontroversen gibt.

Dass Trump einen Mann als Gesundheitsminister nominiert, der wie Robert Kennedy Jr. Impfungen ablehnt, wundert die amerikanische Gesprächspartnerin nicht: „Vergessen wir nicht, Trump versteht sich als Zerstörer. Es befriedigt ihn, wenn er das System durcheinander bringt.“

Dass ein Robert Kennedy Jr. die amerikanischen Gesundheitsbehörden wirklich demoliere kann, bezweifelt Ellen Laipson. Institutionen wie das National Health Service habe eine eigene gesetzliche Grundlage, sagt sie, sie können nicht einfach aufgelöst werden. Die Technokraten werden zurückschlagen und argumentieren, dass es gefährlich sei, wenn Kinder massenweise ohne Impfung sind.

Amerikas Technokraten als Schutz gegen die Zerstörungswut der Trumpisten? Ein schwacher Trost in einer düsteren Situation, aber immerhin, findet

Ihr Raimund Löw

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