Die Verhandlungen zwischen Trumps Abgesandten Steve Wittkoff, einem New Yorker Immobilieninvestor, und dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi im Oman sind eine der wenigen positiven Entwicklungen in der Weltpolitik. Donald weiterlesen...

Journalist und Historiker
Die Welt ist dabei, den spektakulären Positionswechsel zu verdauen, den die Supermacht USA im Ukrainekrieg gerade vollzieht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Regierungschef Keir Starmer wollen nächste Woche bei Donald Trump herausfinden, wie tief der Bruch zwischen Europa und Amerika geworden ist. Die Ukraine ist schwer getroffen und hofft, dass es Trump vor allem um bessere Bedingungen für einen Rohstoffdeal über Seltene Erden geht. Trump behauptet, die ukrainischen Verteidiger seien schuld am Krieg und der ukranische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Diktator. Der Kreml triumphiert.
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In der Weltpolitik sind Kehrtwendungen, wie sie die USA derzeit vollziehen, selten. Bekannt war seit langem, dass Trump gegenüber der Unterstützung der Ukraine skeptisch war. Von Vizepräsident J.D. Vance war schon in der Vergangenheit zu hören, das amerikanische Engagement für die Ukraine sei zu teuer und bringe den USA zu wenig. Aber dass der amerikanische Präsident jetzt von einem Tag auf den anderen die Haltung Putins mitsamt all seinen Lügen übernimmt, ist für alle Beteiligten ein Schock. Dieser Umschwung hängt mit der Persönlichkeit Trumps und seinem besonderen Verhältnis zum Kreml-Chef zusammen.
Trump hat seinen ersten Wahlsieg 2016 mithilfe zahlloser russischer Bots, also gefälschter Internet-Accounts, errungen, die aus einer Fälscherwerkstatt in St. Petersburg agierten. Das haben Untersuchungen des US-Kongresses eindeutig ergeben. In der Öffentlichkeit war immer auffällig, wie respektvoll sich Trump seit jeher gegenüber Putin verhält. Alle anderen Politiker und Staatsmänner beschimpft er in den Sozialen Medien unflätig, Putin gegenüber ist er immer voll der Bewunderung.
Im Wahlkampf 2015/2016 hatten die Demokraten den Verdacht geäußert, dass Putin aus früheren Zeiten Informationen gegen Trump in der Hand haben könnte, mit denen der Republikaner erpressbar sei. Monatelang zirkulierte in den Medien ein Dossier des ehemaligen britischen Spions Christopher Steele, in dem behauptet wurde, Trump sei vor Jahren im Ritz-Carlon Hotel in Moskau bei einer Orgie mit Prostituierten gefilmt worden. FBI und CIA hielten die Story anfangs für glaubwürdig, gingen aber schließlich auf Distanz. Die Unterwürfigkeit, mit der Trump in seiner ersten Amtszeit dem russischen Präsidenten begegnete, blieb jedoch unerklärlich.
Klar ist: Für den Kreml hat sich das jahrelange Engagement zugunsten von Trump voll ausgezahlt. Trump hat vor ein paar Tagen mit Putin telefoniert. Danach war zu hören, wie er richtiggehend schwärmte über dieses tolle Gespräch. Was Trump jetzt tut, ist nichts anderes, als die Lügen zu wiederholen, die ihm der Kreml-Chef vermutlich am Telefon geflüstert hat. Ehemalige Mitarbeiter erzählen, der US-Präsident gebe immer die Meinung seines jeweils letzten Gesprächspartners wider.
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Wenn Trump jetzt behauptet, die Ukraine habe den Krieg ausgelöst, dann ist das nur peinlich. Die ganze Welt hat den russischen Überfall vom 24. Februar 2022 gesehen. Die russischen Panzer sind bis knapp vor Kiew gerollt. In den Ausfahrtsstraßen von Kiew kann man jetzt noch die Spuren ausmachen. Dass Trump das nicht wahrhaben will, zeigt, dass er tatsächlich in einer pro-russischen Blase lebt, wie der ukrainische Präsident richtig bemerkt hat.
Politisch bedeutet der Kurswechsel Trumps, dass alle Staaten, die einem mächtigen Gegner gegenüberstehen, realisieren, dass sie sich nicht auf die USA verlassen können. Das ist eine harte Erkenntnis für das Baltikum, wo es russische Minderheiten gibt, die Putin instrumentalisieren könnte. Die Folgen reichen bis nach Asien, wo jetzt auch Taiwan zweifeln muss, ob es von den USA im Notfall gegen die mächtige Volksrepublik China unterstützt würde.
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Trump hat die Glaubwürdigkeit der USA zugunsten der Vorstellung aufgegeben, dass mächtige Männer an der Spitze mächtiger Staaten sich untereinander alles ausmachen können, während der Rest der Welt dann spurt. Die Realität ist aber eine völlig andere. Die Welt ist vielfältiger geworden, es gibt viel mehr selbstständige Player auf internationaler Ebene, die sich von Washington und Moskau nichts vorschreiben lassen.
Für die Ukraine bringt der Schwenk der USA eine extrem schwierige Situation. Es bedeutet einen Schock, mitten im Krieg den wichtigsten Verbündeten zu verlieren. Aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Ukrainer klein beigeben werden.
Selenskyj scheint im Augenblick durch die Angriffe aus den USA innenpolitisch eher gestärkt zu sein. Die Zustimmung zu ihm liegt bei 56 Prozent, viel höher als die Zustimmung der Amerikaner für Donald Trump. Die angebliche nur 4 Prozent Unterstützer für einen „Diktator“ Selenskyj, von denen Trump fabuliert, sind eine russische Erfindung, die Trump nacherzählt. Der US-Präsident ist nachtragend. Selenskyj hat ihm vor Jahren die Beschleunigung einer strafrechtlichen Untersuchung gegen Hunter Biden, den Sohn von Joe Biden, wegen dessen geschäftlicher Aktivitäten in der Ukraine, verweigert.
Putin wird versuchen, Kollaborateure unter den ukrainischen Oligarchen zu finden. Angesichts der Grausamkeiten, die Russland beim Angriff auf die Ukraine begangen hat, wird das schwieriger als früher. Die Selbstbestimmung der Ukraine ist ein Resultat der demokratischen Revolutionen von 1989, genauso wie die Freiheit der anderen früheren Sowjetrepubliken. Viele Menschen in der Ukraine sind entschlossen, weiterzukämpfen, auch wenn sie weniger Waffen bekommen als bisher. Im schlimmsten Fall wäre das ein Partisanenkrieg gegen russische Okkupanten. Ein Horrorszenario angesichts der historischen Erfahrungen der Ukrainer mit russischer Vorherrschaft, sei es unter den Zaren oder im Stalinismus.
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Emmanuel Macron und Keir Starmer wollen kommende Woche im Weißen Haus der Trump-Administration europäische Friedenstruppen für die Ukraine anbieten. Russland hat diesen Vorschlag bereits abgelehnt. Die USA könnten seine Umsetzung trotzdem ermöglichen, wenn sie politische und militärische Rückendeckung geben. Es wird sich bald zeigen, wie tief der Kniefall Trumps vor Vladimir Putins ist, erwartet