Trumps Impeachment wird das US-Wahljahr 2020 überschatten, Notizen ORF

Wie bedeutsam ist dieses Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump wirklich, wenn doch allgemein davon ausgegangen wird, dass die Absetzung des Präsidenten nicht gelingen wird? Ist das Impeachment mehr als ein innenpolitisch motiviertes Manöver?
Der Schritt zeigt, wie tief die Polarisierung ist in der amerikanischen Politik geworden ist. Das Amtsenthebungsverfahren ist die allerschärfste Waffe, die der Kongress oder genauer gesagt die Oppositionspartei im Kongress in der Auseinandersetzung mit dem Präsidenten hat. Ein Impeachmentverfahren ist das Signal, dass das normale Niveau der politischen Auseinandersetzung überschritten ist.
Es ist kein Zufall, dass es in der langen Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, 250 Jahre, erst das dritte Mal ist, dass es zu einem solchen Amtsenthebungsverfahren kommt.
In Gang gesetzt wurde das Verfahren durch die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus, also im Unterhaus des Kongresses. Und möglich war das nur, weil die Demokraten dort vor einem Jahr die Mehrheit bekommen haben. Das war schon eine Mehrheit gegen Trump. Mit vielen jungen und vielen weiblichen Abgeordneten.
Nancy Pelosi war anfangs zurückhaltend. Aber im Herbst hat es einen Meinungsumschwung gegeben. Wie dieses Vorgehen von Trump gegenüber der Ukraine bekannt wurde, haben auch Demokraten aus konservativen Regionen ja gesagt zum Impeachment.
Und schließlich war die Fraktion sehr geeint, wie man heute Nacht an der Abstimmung sehen kann.
Was steht denn genau in der amerikanischen Verfassung und warum ist diese Möglichkeit einer Amtsenthebung überhaupt in die Verfassung aufgenommen worden?
Die Verfassung ist relativ vage. Als Gründe für eine Amtsenthebung werden genannt Hochverrat, Bestechlichkeit und andere schwere Verbrechen oder Vergehen. Artikel II, Paragraf 4 der US-Verfassung.
Verfassung stammt aus 18.Jahrhundert. Die Väter der Verfassung haben Angst gehabt, dass sich ein Präsident über das Gesetz stellt, so wie die Könige in Europa. Das Impeachment soll signalisieren: auch ein Präsident muss sich an Gesetze halten. Er darf kein König werden.

Was genau unter diesen schweren Verbrechen oder Vergehen zu verstehen ist, da gibt es viele Diskussionen und viele Meinungen. Im Fall von Trump gibt es zwei Anklagepunkte: das eine ist Amtsmissbrauch, weil Trump auf die Ukraine Druck ausgeübt hat, damit die Ukraine gegen den Sohn seines demokratischen Rivalen Joe Biden vorgeht. Und der zweite Anklagepunkt ist Behinderung des Amtsenthebebungsverfahrens selbst, weil das Repräsentantenhaus sagt, das Impeachment ist ein in der Verfassung vorgesehener Vorgang, den hat Trump sabotiert.
Wie ist jetzt der weitere Ablauf? Nach der Entscheidung im Repräsentantenhaus von gestern?
Was bis jetzt passiert ist, das war sozusagen die Voruntersuchung. Abstimmung heute Nacht, das war die Anklageerhebung. Es läuft jetzt alles nach dem Modell eines Gerichtsverfahrens ab. Den Vorsitz hat ja auch der Oberste Richter. Nur: die Geschworenen sind die Senatoren, 100 Senatoren, für jeden US-Bundesstaat zwei Senatoren.
Der Senat wird zu einem Gerichtshof über den Präsidenten, mit den Anklägern und den Verteidigern aus dem Weißen Haus. Das wird Anfang Jänner erwartet. Noch nicht ganz klar, weil: Jetzt wird noch gestritten ob Zeugen einvernommen werden sollen bei diesem Prozess. Die Demokraten sind dafür, die Republikaner wollen das nicht zulassen.
Im Senat sieht es politisch anders aus als im Repräsentantenhaus. Die Republikaner haben die Mehrheit und sie halten Trump eisern die Treue. Daher ist es aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit für die tatsächliche Absetzung Trumps zustande kommt.
Wie schwer wiegen die Anklagepunkte der Demokraten? Und was antworten die Republikaner?
Die Demokraten begründen ihre Anklage mit mehreren Zeugenaussagen, auch von ganz oben aus der Administration. Die besagen, dass Trump tatsächlich die offiziellen Beziehungen zur Ukraine eingesetzt hat, um die Ukraine dazu zu bringen gegen Joe Biden und den Sohn von Joe Biden vorzugehen und den beiden Korruptionsverdacht anzuhängen.
Das ist ziemlich wasserdicht bewiesen, die politische Frage ist, reicht das um einen Präsidenten aus dem Amt zu jagen. Da ist die amerikanische Öffentlichkeit ziemlich genau in der Mitte gespalten.
Die Republikaner argumentieren, das Amtsenthebungsverfahren ist ein rein politisches Manöver um einen gewählten Präsidenten zu vertreiben. Trump selbst sagt ja, das ist eine Art Coup der Linksradikalen in der demokratischen Partei.
Lässt sich absehen, wer die Gewinner und die Verlierer sein werden bei dieser politischen Schlacht? Im November stehen ja Präsidentschaftswahlen bevor. Wie wird sich dieses Verfahren auswirken?
Es gibt in vielen Städten Demonstrationen für das Amtsenthebungsverfahren. Viele Zeitungen sprechen sich dafür aus. Die konservativen Talk Showmoderatoren auf Fox News oder in den ultrakonservativen Radioshows toben dagegen. Die Veranstaltung, die Trump gestern für seine Fans durchgeführt hat, war gesteckt voll.
Das letzte Amtsenthebungsverfahren war gegen Bill Clinton, den Demokraten, damals war die große Mehrheit der Bevölkerung dagegen. Heute gibt es laut Umfragen eine knappe Mehrheit dafür.
Aber eine große Zustimmung in der Öffentlichkeit für die Amtsenthebung gibt es auch nicht. Das haben die Demokraten vielleicht gehofft. Vielleicht ist die Frage, ob jetzt die Außenpolitik der USA parteipolitisch missbraucht wurde durch Trump, was nicht sein kann, doch etwas weit weg von den Alltagssorgen vieler Menschen.
Aber genausowenig kann man sagen, dass das Verfahren Trump politisch nützt. Ein Impeachment ist ein Makel für jede Präsidentschaft, daher tobt der Präsident ja auch dagegen mit vielen Beschimpfungen in Richtung der Demokraten. Allein gestern hat er 45 wütende Tweets auf Twitter abgesetzt.
Der Präsidentenwahlkampf des kommenden Jahres wird auf jeden Fall noch um vieles schärfer werden, durch diese Beschuldigungen, als er das nach vier Jahren Trump automatisch zu erwarten ist.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*