In Amerikas Außenpolitik geht es drunter und drüber. Der Präsident erklärt die NATO für obsolet. Zur gleichen Zeit fährt Vizepräsident Mike Pence nach Europa, um die Atlantische Allianz in höchsten Tönen zu loben. Chefideologe Stephen Bannon glaubt, dass ein Krieg mit China unvermeidlich ist. Außenminister Rex Tillerson verspricht Peking enge Zusammenarbeit. Präsident Trump hält wenig von einem Palästinenserstaat neben Israel. Gleich darauf erklärt seine UNO-Botschafterin Nikki Haley die Zweistaatenlösung zum Fundament der amerikanischen Nahostpolitik.
Verzweifelte amerikanische Diplomaten sprechen von einer Doppelherrschaft in Washington. Donald Trump, Bannon und Außenhandelschef Navarro sind die Vertreter eines revolutionären Nationalismus. Sie streben den Umsturz der Weltordnung nach den Prinzipien des „America First“ an. Dagegen halten die Repräsentanten des konservativen Establishments an der Spitze des State Departments und des Militärs an traditioneller Bündnispolitik fest.
Die wichtigsten Verbündeten auf internationaler Ebene für Trump und Bannon finden sich in der israelischen Regierung. Benjamin Netanyahu steht dem rechtesten Kabinett vor, das es in der Geschichte des Landes je gegeben hat. Der Premier teilt die Weltsicht Trumps. In Jerusalem spielt der mächtige Erziehungsminister Naftali Bennett die Rolle des rechtsextremen Provokateurs.
Über den Abgang Obamas haben die israelischen Nationalisten gejubelt. Vom Machtwechsel in Washington erwarten sie die endgültige Beerdigung des Versöhnungsplanes, der einst in Oslo zwischen Israelis und Palästinensern ausgehandelt wurde. In Camp David verhandelte Bill Clinton 2000 mit Jassir Arafat und dem israelischen Premier Barak über die Grundlagen eines Palästinenserstaates. Jeder Straßenzug in Jerusalem wurde diskutiert. Arafat ging der Kompromiss nicht weit genug. Die Chance blieb ungenützt. Mit Ariel Sharon übernahm in Israel die Rechte die Führung.
Trotzdem hatten alle Friedensinitiativen seither die Errichtung eines neuen Staates auf den Palästinensergebieten zum Ziel. Weder Netanyahu noch Palästinenserpräsident Abbas haben es gewagt sich vom Zweistaatenkonzept zu verabschieden.
Bei seiner Pressekonferenz mit dem israelischen Regierungschef meinte Donald Trump, ob ein Staat oder zwei Staaten, er könne mit beidem leben. Trumps Zweifel kommen den israelischen Ultras entgegen, die auf ein grünes Licht für die Fortsetzung des Siedlungsbaues in den besetzten Gebieten als Vorbereitung einer zukünftigen Annexion warten. Aber eine Hinterfragung des Zweistaatenkonzepts hat noch einen anderen Grund.
Friedensprozess gibt es seit langem keinen mehr. In der israelischen Linken und unter palästinensischen Intellektuellen waren immer auch Stimmen zu vernehmen, die die Vision einer gemeinsamen binationalen israelisch-palästinensischen Republik, in der alle Bürger gleiche Rechte haben, einer Zukunft von ethnisch und religiös definierten Zukunft Nachbarstaaten vorzogen.
Trotzdem gibt es zur Logik des Zweistaatenkonzepts keine realistische Alternative. Bruno Kreisky hat in den 1970erjahren als einer der ersten europäischen Politiker erkannt, dass die staatenlosen Palästinenser terroristischen Widerstand nur aufgeben werden, wenn ihnen zumindest auf einem Teil des historischen Palästinas ein Staat versprochen wird. Das war die Grundlage seines Dialogs mit Jassir Arafat und der PLO. Ein multinationaler Staat Israel-Palästina würde zwar objektiv zur Realität der Menschen, die dort leben, passen, wird aber von keinem der beiden Völker gewollt.
Trump signalisiert mit seinem kryptischen Sager, auch ein einziger Staat wäre ihm recht, dass man seiner Meinung nach auf die mühsamen Verhandlungen über einen Palästinenserstaat verzichten kann, weil sowieso ganz Palästina zu Israel gehört. Setzt sich diese Linie durch, wird die weitere jüdische Landnahme auf der Westbank, vor der die Europäer seit langem warnen, durch die USA legitimiert.
Rückwirkend hat die Knesset illegale Wohnungen auf privatem palästinensischen Bodens genehmigt. Sogar der israelische Generalstaatsanwalt spricht von Verfassungswidrigkeit. Die Friedensorganisation „Peace Now“ will vor dem Höchstgericht klagen. Das umstrittene Gesetz zeigt, wie die Siedlerlobby jetzt schon die Regierung vor sich hertreibt.
Die Entwertung des Zweistaatenkonzepts im Nahen Osten durch Donald Trump gießt Öl ins Feuer der nationalistischen Emotionen. Angesichts der Doppelherrschaft in Washington bleibt den Europäern und den gemäßigten Kräften der Region nichts anderes übrig, als auf das außenpolitische Establishment zu setzen.