Putschversuch der Trumpisten in Washington DC, Falter Maily, 7.1.2021

Ein rechtsradikaler Sturm auf den amerikanischen Kongress, angestachelt vom amtierenden Präsidenten, live zu sehen in der ganzen Welt, das hat es noch nie gegeben. Die gewalttätigen Randalierer im Plenarsaal des Senats und im Büro der Parlamentspräsidentin erinnerten an die Bilder vom Putschversuch gegen die spanische Demokratie im Parlament in Madrid 1981. Der von Trump zusammen getrommelte Mob, darunter weiße Extremistenorganisationen wie die „Proud Boys“, sollte den Machtwechsel zum Wahlsieger Joe Biden verhindern. Die große offene Frage für die USA ist jetzt: markiert das Desaster von gestern das Ende der verheerenden Präsidentschaft eines demagogischen Extremisten? Oder ist es der Beginn einer weiteren Destabilisierung der USA?
Noch am Nachmittag husst Trump die Demonstranten von einer Tribüne auf der Mall persönlich auf. Mit der freundlichen Aufforderung „We love you. You are very special!“ ruft er schließlich zum Rückzug, als die Randalierer das Kapitol bereits besetzt hielten.
Die Sitzungen von Senat und Abgeordnetenhaus waren unmöglich geworden. Die Parlamentarier hatten sich fluchtartig in Sicherheit bringen müssen. Polizei, die bei linken Demonstrationen allgegenwärtig ist rund um das Kapitol, war stundenlang nicht zu sehen. Trump-Fans galten nicht als staatsgefährdend. Ein Fehlkalkulation.
Joe Biden, der am 20.Jänner angelobt wird, spricht in den Abendstunden von einem Aufstand gegen den bevorstehenden Machtwechsel. Ein Aufstandsversuch in Amerika? Langsam dämmert es in der Welt, dass so etwas möglich ist. Die westlichen Regierungen verfassen Solidaritätserklärungen für die amerikanische Demokratie.
Was genau geplant war am gestrigen Abend und von wem, wird in den nächsten Tagen zu recherchieren sein. Spontan waren die Vorgänge auf jeden Fall nicht. Aber der chaotische Putsch ist misslungen. Der Kongress ist üner Nacht wieder zusammengetreten und wird grünes Licht für den Machtwechsel geben.
Der gewalttätigen Szenen im Kapitol verdecken die andere bahnbrechende Weichenstellung für Amerika. Im US-Bundesstaat Georgia hat sich die tolle Mobilisierung von Afroamerikanern und linksliberalen Aktivistinnen und Aktivisten ausgezahlt. Im Senat in Washington werden die Demokraten dank eines doppelten Überraschungssieges bei den Kongresswahlen in Georgia die Führung übernehmen können. Joe Bidens wird damit als neuer Präsident ab 20.Jänner handlungsfähig sein. Er kann seine Minister bestätigen lassen und Gesetze zur Abstimmung bringen. Soziale Abfederung der Pandemie, Klimaschutz und sinnvolle Gesundheitsreformen werden möglich. Ein Grund zum tiefen Aufatmen.
Bei den Republikanern gibt es jetzt eine tiefe Spaltung. Mehrheitlich hat das republikanische Establishment im Kongress dem Präsidenten die Gefolgschaft auf dem Weg zum Umsturz verweigert. Aber viele rechte Politiker und auch der überwiegende Teil der rechten Basis weigern sich das Wahlergebnis anzuerkennen.
Bereits in seinem Telefonat von letzter Woche mit dem zuständigen Wahlleiter von Georgia, das mitgeschnitten wurde, hat Trump ultimativ verlangt, der Bundesstaat soll 11.780 Stimmen finden, um ihn zum Sieger zu machen. In seinen letzten Tagen im Weißen Haus ist Trump eine akute Gefahr für die amerikanische Demokratie.
In den Nachtstunden sickert durch, dass führende Republikaner eine Absetzung des Präsidenten wegen Amtsunfähigkeit erörtern, die in der US-Verfassung vorgesehen ist. Bei den Demokraten kursiert die Forderung nach einem neuen Impeachment-Verfahren.
Was passiert, wird Folgen für die Zukunft haben. Denn bleibt ein Putschversuch ohne Konsequenzen, wird die Versuchung für Gleichgesinnte groß sein, es bei nächster Gelegenheit wieder zu versuchen.

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