Ausblick auf 2021 unter den Vorzeichen eines instabilen Machtwechsels in Amerika, Notizen, 7.1.2021

Der rechtsextreme Sturm auf das Kapitol, den Sitz des amerikanischen Parlaments gestern abend, war ein Schock. Ihr Ziel, den Machtwechsel zu Joe Biden im Weißen Haus zu verhindern, ist den Randalierern nicht gelungen. Biden selbst hat von einem Aufstandsversuch gesprochen. Donald Trump sagt, das waren besorgte Bürger. Was ist wirklich dahinter gestanden, soweit wir das wissen?

Spontan war das sicher nicht. Die Demonstranten sind in Bussen aus ganz Amerika nach Washington gebracht worden, darunter rechtsextreme Aktivisten und weiße Rassisten, wie die Anhänger der bekannte rechtsextremer Organisationen wie der weißen Rassisten der Proud Boys.
Donald Trump selbst hat vor den Demonstranten gesprochen, er hat die Stimmung aufgeheizt mit der Lüge, dass der Wahlausgang gefälscht ist und er hat die Leute aufgefordert zum Kapitol zu marschieren.
Dort ist gerade die Sitzung abgelaufen, mit der grünes Licht für die Amtseinführung Bidens am 20.Jänner gegeben werden sollte. Und dort haben auch einige Kongressleute vom rechten Flügel der Republikaner versucht alles zu stoppen.

Polizei war keine da, die sonst bei jeder linken Demo allgegenwärtig ist. Das wird alles zu untersuchen sein. Aber der Vorgang ist ein Schock, wenn das ein Putschversuch war, dann war das nicht durchdacht und natürlich nicht erfolgreich. Aber die politischen Langzeitfolgen sind beträchtlich.
Die Amtseinführung von Joe Biden am 20.Jänner nach seinem Wahlsieg ist in Stein gemeißelt, das hat der Kongress in der Nacht noch einmal bestätigt. Was ändert sich politisch nach den gestrigen Ereignissen?
Es gibt eine tiefe Spaltung bei den Republikanern, das ist die wichtigste Konsequenz. Vizepräsident Pence und der Chef der Republikaner im Senat McConnel haben sich dem Umsturzversuch widersetzt und werden deshalb von Trump beschimpft. Aber hinter Trump stehen viele Kongressabgeordnete und hinter ihm steht eine Mehrheit an der republikanischen Basis. Viele wollen sich jetzt auch nicht eingestehen, was gestern passiert ist. Es grassiert in republikanischen Kreisen eine Verschwörungstheorie, dass sich Linke unter die Demonstranten gemischt hätten und das ganze Debakel angerichtet haben, was ziemlich absurd ist.
Verdeckt wird durch die Ereignisse in Washington eine andere wichtige Weichenstellung in Amerika. Die Demokraten haben ziemlich überraschend bei einer Stichwahl zwei Senatssitze aus Georgia gewonnen. Damit wird Joe Biden mit einer demokratischen Mehrheit im Kongress regieren können. Die Republikaner können ihn im Kongress nicht in dem Ausmaß blockieren, wie das zu befürchten war.
Aber jetzt muss einmal aufgearbeitet werden, was gestern geschah.
Donald Trump ist bis zum 20.Jänner noch Präsident. Kann es bis dann noch böse Überraschungen geben?
Ausgeschlossen ist es nicht, dass es noch zu weiteren Versuchen kommt den Machtwechsel zu hintertreiben. Es gäbe die Möglichkeit ihn abzusetzen, der 25.Verfassungszusatz diese Möglichkeit vor, wenn das Kabinett Amtsunfähigkeit feststellt. Das wird offen diskutiert in den USA. Es könnte auch ein neues Impeachmentverfahren geben, sogar wenn er nicht mehr im Weißen Haus ist, wäre das möglich. Trump könnte bei einer Verurteilung dann daran gehindert werden 2024 noch einmal zu kandidieren.
Es wird nicht leicht sein in der amerikanischen Politik wieder so etwas wie Normalität herzustellen. Aber mit Joe Biden besteht die Chance eines Neuanfangs.
Blicken wir etwas von den USA ausgehend auf die gesamte internationaler Situation. Wird Joe Biden jetzt stark genug sein, sich auch in der Weltpolitik von seinem Vorgänger Trump abzusetzen?
In der Weltpolitik wird das für Biden wahrscheinlich sogar am leichtesten sein. Weil die USA auf ihre Tradition der Bündnisse und gemeinsamen Aktionen mit Verbündeten zurückgreifen können. Da gibt es eine Tradition des Multilateralismus, die überall in den Außenministerien der ganzen Welt nicht vergessen ist und die man wiederbeleben kann.
Aber es wird ein anderer Multilateralismus sein als früher, weil sich die Welt verändert hat. Und vor allem Amerika hat sich verändert.
Am direktesten betroffen vom Machtwechsel in den USA sind international die Europäer, weil sie die engsten Verbündeten Amerikas sind. Wie rasch kann es gelingen 2021 das Misstrauen zu beseitigen, das sich unter Donald Trump in den transatlantischen Beziehungen aufgebaut hat?
Es wird sehr bald symbolische Gesten geben, dass die alte Freundschaft wieder da ist oder zumindest wieder da sein sollte.
Biden hat versprochen sofort nach seinem Amtsantritt dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten. Das wäre ein wichtiges Signal, dass die zeit der amerikanischen Einzelgänge vorbei ist.
Auch bei der Rüstungskontrolle gegenüber Russland kann es Bewegung geben, wie sich das die Europäer wünschen. Man könnte wieder mit dem Iran über die Begrenzung der iranischen Nukleartechnologie sprechen, obwohl das nicht einfach wird.
Eine Schwierigkeit ist China. Die USA auf Konfrontationskurs bleiben.
Die Europäer haben in den letzten Tagen des letzten Jahres ein Investitionsschutzabkommen mit China abgeschlossen, das bahnbrechend ist. Die Chinesen haben dafür viele Zugeständnisse gemacht. Der neuen Administration in Washington hat das gar nicht gefallen.
Dieses Abkommen mit China ist ein Zeichen, dass Europäer bei aller Freude über die Biden-Administration weltpolitisch ihre Autonomie gegenüber den USA behalten wollen.
Was erwartet die Europäische Union 2021? Die gemeinsame Beschaffung des Corona-Virus ist allgemein gelobt worden. Aber jetzt fragen sich viele, ob die Beschaffung des Impfstoffes nicht viel zu langsam vor sich geht und warum bisher so wenig geimpft wurde. Ein Anzeichen für die Schwierigkeiten der EU?
Die Europäer stehen auf jeden Fall Anfang 2021 viel, viel besser da als vor einem Jahr. Man muss sich das wirklich in Erinnerung rufen. Zu Beginn der Pandemie sind überall die Grenzen hochgegangen und die EU-Staaten haben sich gegenseitig Konkurrenz gemacht bei den Schutzausrüstungen. Diese Phase ist vorbei. Das hat man verhindert durch die gemeinsame Impfstoffbeschaffung.
Dass so langsam geimpft wird in Europa, das mit der EU weniger zu tun als mit den lokalen Gesundheitsbehörden.
Auch der große gemeinsame wirtschaftliche Aufbaufonds ist ein Zeichen der politische Stärke. Vom Austreten aus der EU spricht ja so gut wie niemand mehr, nach dem Chaos in Großbritannien.
Politisch wird in diesem Jahr alles auf Deutschland blicken. Im Herbst wird gewählt in Deutschland und das erste Mal seit vielen Jahren wird Angela Merkel nicht mehr antreten. Wie Europa aussehen wird ohne diese große Persönlichkeit in Berlin, die sich als unglaublicher Faktor der Stabilität erwiesen hat, das wird uns noch ziemlich bewegen in Europa.
Natürlich die deutsche Innenpolitik. Kommt vielleicht Schwarzgrün in Berlin, so wie wir das in Wien haben? Schaffen es die SD aufzuholen? Viele spannende Frage, alle mit Auswirkungen auch auf den Rest der EU.
Wir haben immer wieder über China als neue Weltmacht gesprochen. Die Volksrepublik wird von der Kommunistischen Partei diktatorisch regiert. Wird China 2021 verstärkt zu einer Gefahr?
China verteidigt sicher beinhart seine Interessen. Das tun andere Großmächte auch, aber bei China ist man das nicht gewohnt, weil China so lange schwach war. China will jetzt wirtschaftlich präsent sein und politisch präsent sein.
Verfolgt China deshalb eine expansive Außenpolitik? Ich glaube, dass das vor allem in der unmittelbaren chinesischen Nachbarschaft der Fall ist, gegenüber Taiwan und im Südchinesischen Meer. Dort kann es leicht zu gefährlichen Entwicklungen kommen.
Die Welt muss sich einfach daran gewöhnen, dass es jetzt einen, zusätzlichen riesigen Player auf der Weltbühne gibt. Das macht die Dinge vielleicht nicht einfacher, aber es ist Realität.
Mit der Corona-Pandemie ist die ganze Welt konfrontiert, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Wird die Seuche auch Auswirkungen auf die Weltpolitik haben?
Die Auswirkungen sind begrenzt. Es ist weniger, dass durch die Pandemie neue weltpolitischen Entwicklungen angestoßen werden, als das sich bestehende Tendenzen verstärken. Die größten Schwierigkeiten bei der Bekämpfungen von Covid 19 gibt es in den USA und in Europa. Am besten kommt Asien durch, sowohl die demokratischen Staaten Japan und Südkorea, als auch das diktatorisch geführte China.
Das bestätigt das Bild einer Welt, in der Asien und vor allem China an Gewicht zunehmen, während der Westen eher zurückbleibt.
Was eigentlich erstaunlich ist, weil es in Amerika und Europa die bei weitem besten Gesundheitssysteme gibt. Aber gute Ärzte und gut ausgerüstete Spitäler schützen nicht vor Ansteckung. Gegen die Pandemie hilft nur verändertes Verhalten der Bürger und das ist in autoritär funktionierenden Ländern offenbar leichter zu erreichen, als bei uns.

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