Trumps letzte Tage, 13.1.2021

     Autoritäre Demagogen, die die liberale Demokratie zerstören, sind seit Jahren international im Vormarsch. Donald Trump war das Erfolgsmodell. Die Hetze gegen Ausländer und Minderheiten, mit denen der US-Präsident seine Fans in Bewegung hielt, gehört zum Repertoire der Konservativen in der halben Welt. Ob es Amerika gelingt nach dem Umsturzversuch des 6.Jänner die Flut des rechtsextremen Populismus zu brechen, wird zur Schlüsselfrage für liberale Demokratien. Zurecht wollen die Demokraten eine Absetzung Trumps wegen Anstiftung zum Aufruhr erreichen, auch wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit. Erstmals wird gegen einen Präsidenten ein zweites Impeachment-Verfahren eröffnet.

  Der rechtsextreme Sturm auf das Kapitol in Washington DC mag dilettantisch abgelaufen sein. Der Kongress, besetzt von Fanatikern mit Tätowierungen, Fahnen und Naziparolen,  sah aus wie die Kulisse für einen schlechten Horrorfilm. Aber die Rufe, Vizepräsident Mike Pence soll gehängt werden, waren echt. Aufrührer drohten die demokratische Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi zu lynchen. Donald Trump und seine  Mitverschwörer wollten gezielt  den Wechsel zum Wahlsieger Joe Biden zu verhindern. Die Gewalt war einkalkuliert.  

  Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi hat im US-Generalstab nachgefragt, wie verhindert werden kann, dass Trump  in einem Wutanfall Atomwaffen einsetzt.  Bei Amtsunfähigkeit macht die  amerikanische Verfassung die Übergabe an den Vizepräsidenten  möglich. Ein Präsident, der sich durch Aufruhr an der Macht halten will, muss aus Gründen der politischen Hygiene mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt werden, als Warnung für die Zukunft.

 Das zweite Impeachment Trumps beginnt mit der Anklage durch das Repräsentantenhaus und landet im Senat, der das Urteil fällt. Ist Trump nicht mehr Präsident, kann er von zukünftigen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Die Republikaner werden vor der Alternative stehen,  ob sie eine Bewegung faschistoider Rebellen sein wollen, oder ob sie zur alten Rolle eines  konservativen Flügels des demokratischen Spektrums zurückfinden. Wahrscheinlich ist eine Spaltung, mit der die politische Bühne der USA völlig neu aufgestellt wird. 

 Der von Trump aufgehetzte radikale Flügel der amerikanischen Rechten wird auch in Zukunft die Legitimität der Administration Joe Bidens in Frage stellen. Neue Umsturzversuche sind nicht ausgeschlossen. Umso größer ist die politische Bedeutung, die einer  Verurteilung Trumps und seiner Mitverschwörer in einem rechtsstaatlichen Verfahren zukommt.  

  Ein Putsch, der zwar scheitert, aber für die Anstifter folgenlos bliebe, ist eine Hypothek für die Zukunft.  Die Einsicht gilt nicht nur für die USA. 2022 stehen in Brasilien die nächsten Präsidentschaftswahlen bevor.  Sollte der  rechtsextreme Präsident Bolsonaro, ein Trump-Fan, verlieren, könnte er versucht sein a la Trump und Giuliani die Straße gegen das Wahlergebnis zu mobilisieren, liest man in der brasilianischen Presse. Wäre Trumps Angriff gegen das Wahlergebnis in den USA als krimineller Akt geahndet, täten sich in der ganzen Welt die Minitrumps schwerer.      

Der Filmemacher Michael Moore beklagt, dass unmittelbar nach der Gewaltnacht nur wenige Beteiligte im Gefängnis saßen. Die Milde gegenüber bewaffneten Milizen und Corona-Leugnern nach einem Sturm auf das Kapitol in Michigan letzten Sommer hatte die rechtsradikale Szene ermutigt. Aus mehreren Bundesstaaten werden Vandalenakte gegen Amtsgebäude und die persönliche Bedrohung von Politikern gemeldet, die sich dem rechten Mob nicht beugen. Die Szenen rufen Erinnerungen an den Terror der SA  in der Weimarer Republik der Zwischenkriegszeit gegen demokratische Politiker wach.

 Der US-Publizist Fareed Zakaria verweist auf die 1970er-Jahre, als die USA durch den verlorenen Vietnamkrieg und die Skandalpräsidentschaft Richard Nixons am Boden lagen. Amerika hat die Krisen so gut bewältigt, dass die westlichen Demokratien zwanzig Jahre später über den sowjetischen Kommunismus triumphierten. Der TV-Mann Zakaria wünscht sich eine ähnlich erfolgreiche Selbstkorrektur, zu der Amerika in der Vergangenheit  immer wieder fähig war.

    Die Mobilisierung liberaler und afroamerikanischer Initiativen, die im Bundesstaat Georgia zum Überraschungserfolg für zwei linke Senatoren geführt hat, zeigt, wie viel Kraft im progressiven Teil Amerikas steckt. Gleichzeitig hat die rechtsrechte Radikalisierung große Teile der Weißen erfasst. Die extremen Spannung werden weitergehen. Einen Schlussstrich wird es nicht so rasch geben. Eine formelle Verurteilung Trumps, die am Ende des Impeachments stehen muss, kann eine politische Barriere gegen die weitere Destabilisierung Amerikas durch rechte Umstürzler sein.

ZUSATZ

Der 25.Verfassungszusatz ermöglicht es dem US-Kabinett den Präsidenten wegen Amtsunfähigkeit abzusetzen. Der Vizepräsident übernimmt die Führung. Die Notstandsregel wurde noch nie angewandt. Das Impeachment beginnt mit einer neuerlichen Anklage durch das Repräsentantenhaus. Über einen Schuldspruch entscheidet der Senat möglicherweise erst Wochen später.

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