Der Fall eines verschwundenen chinesischen Milliardär beunruhigt die Finanzwelt in Hongkong. Vor zweieinhalb Wochen ist Xiao Jianhua aus dem Luxushotel verschwunden, in dem er seit Jahren lebt. Der Mann wurde offensichtlich auf das Festland gebracht, wo er in eine Untersuchung gegen Börsenmanipulationen verwickelt ist. Unter den superreichen Finanzoligarchen Chinas wächst die Sorge vor willkürlichen Festnahmen im Rahmen der Antikorruptionskampagne des chinesischen Präsidenten.
Mit einem geschätzten Vermögen von 7 Milliarden Dollar steht Xiao Jianhua an 32.Stelle auf der Liste der Superreichen Chinas. In den Medien wird er der Bankier der Partei genannt, weil er so viele lukrative Geschäfte mit den Familien hoher Funktionäre gemacht hat. Die New York Times hat herausgefunden, dass der öffentlichkeitsscheue Mann früher sogar für Verwandte des mächtigen Staatspräsidenten Xi Jinping tätig war.
Seit Ende Jänner ist der Mann verschwunden. Jahrelang hat er in einem gut bewachten Luxushotel in Hongkong gewohnt. Auf den Überwachungskameras ist zu sehen ist, wie Xiao Jianhua mit einem Tuch über dem Kopf in einem Rollstuhl weggebracht wird. Begleitet von sechs Personen, darunter zwei Mitgliedern seiner Garde weiblicher Leibwächter.
Anfangs ging die Hongkonger Polizei von einer Entführung aus, sagt aber jetzt, dass Xiao Jianhua regulär in Richtung Festland ausgereist ist. Danach verliert sich die Spur. Die angesehene South China Morning Post berichtet, der telefonische Kontakt zur Familie und zur Unternehmensführung ist abgerissen.
Ob Xiao Jianhua noch ein freier Mann ist oder ob er auf dem Festland festgenommen wurde, lässt sich nicht sagen, weil die chinesischen Behörden keine Auskunft geben.
Die Frau und der Bruder sind nach Kanada geflohen, weil sie sich in Hongkong nicht mehr sicher fühlen, heißt es im Umkreis der Familie. Der Sonderstatus Hongkongs bedeutet, dass die Polizeibehörden der Volksrepublik in der Sonderwirtschaftszone nicht tätig sein dürfen. Aber bereits im vergangenen Jahr hatte der Fall Pekingkritischer Buchhändler Aufsehen erregt, die monatelang jenseits der Grenze festgehalten wurden.
China schickt vielleicht keine Agenten mehr nach Hongkong, sagt der Buchhändler Lam Wing Kee, aber der Zwischenfall mit Xiao Jianhua zeigt, dass sich China weiter in Hongkong einmischt, auch wenn sie jetzt klüger vorgehen als früher.
Seit dem Verschwinden von Xiao Jianhua trachten immer mehr superreiche Chinesen danach sich abzusetzen und ihr Vermögen von Hongkong nach Japan, Singapur oder Südkorea zu bringen.
Xiaos Fall zerstört die Fantasievorstellungen vieler Finanzbosse, dass Hongkong für sie eine sicherer Ort, sagt der im Exil lebender Geschäftsmann und Freund Guo Wengui
Das Misstrauen der Reichen und Superreichen in die Stabilität des Chinas von heute wächst. Als Rückversicherung kaufen viele reiche Chinesen Immobilien im Westen oder lassen die Kinder im Ausland studieren.
Der verschwundene Xiao Jianhua hat seine Karriere als parteitreuer Studentenfunktionär während der demokratischen Proteste am Tienanmenplatz 1989 begonnen. Aus der Zeit stammen seine exzellenten politischen Kontakte. Er handelte mit gebrauchten Computern und begann mit der Öffnung zur Marktwirtschaft seinen kometenhaften Aufstieg zu einem der reichsten Männer Chinas.
In der gut informierten in Hongkong erscheinenden South China Morning heißt es, dass die Behörden von Xiao Jianhua Aufklärung über Finanzmanipulationen rund um den chinesischen Börsenkrach vor zwei Jahren verlangen. Die chinesische Börsenaufsicht fahndet auch international gegen Schuldige. Wegen verbotener Insidergeschäfte ist erst vor zwei Wochen einer der bekanntesten chinesischen Börsenhändler zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Die Staatsführung will die Kontrolle zurückgewinnen, die durch die marktwirtschaftlichen Reformen verloren gegangen ist, selbst wenn die für China bisher typische Symbiose zwischen den Finanzkapitalisten und der Kommunistischen Partei dadurch gestört wird.