ZiB 20
Löw Raimund (ORF)
Es ist ganz klar: Wenn es kein Abkommen gibt, dann gibt es auch kein Geld,
weder vom Internationalen Währungsfonds, noch von den Europäern. Dann, wenn
es dabei wirklich bleibt, dann würde Zypern pleite sein. Aber die
zypriotische Regierung kann ja versuchen, einen Übergangkredit aus einer
anderen Geldquelle herzubekommen. Morgen ist eine Delegation in Moskau –
man hofft vielleicht, dass Russland einspringen wird, das ist aber schon
bisher immer gescheitert. Dass die Europäer sagen, wir legen jetzt mehr auf
den Tisch, damit die zypriotischen Einleger keine Abgabe zahlen müssen,
damit die russischen Oligarchen, die ihr Geld in Zypern angelegt haben,
nicht belangt werden können, das ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Was
denkbar ist, wenn man sagt, vielleicht gibt es irgendwie Nachverhandlungen,
ist, dass die zypriotische Regierung einen neuen Vorschlag macht, wie die
zypriotischen Anteile an der eigenen finanziellen Rettung aussehen. Es kann
vielleicht auch ein zweites Mal abgestimmt werden im Parlament in Nicosia
oder ein drittes Mal, aber die Zeit drängt sehr. Es ist eine absolut
verfahrene Situation.
Rafreider Roman (ORF)
Okay, da gibt es doch einige Kapitel in diesem Zypern-Drama. Vielen Dank,
Raimund Löw für diese Einschätzungen live aus Brüssel.
ZiB 2
Wolf Armin (ORF)
Wir gehen zu Raimund Löw in Brüssel. Dort hat man dieses Nein im Parlament
in Nikosia heute Abend wohl mit großem Missvergnügen beobachtet. Wie kann
es denn jetzt von Brüssel aus gesehen weitergehen?
Löw Raimund (ORF)
In Brüssel wartet man auf einen neuen Vorschlag aus Zypern, wie die
zypriotische Regierung gedenkt, diesen Eigenanteil an der finanziellen
Sanierung aufzutreiben von 5,8 Milliarden Euro. Wenn es einen solchen
Vorschlag gibt, wird man darüber verhandeln, das kann sehr rasch gehen. Das
ist keine Frage, dann könnte es auch in den nächsten Tagen eine neue
Abstimmung im Parlament in Nikosia geben. Aber in Brüssel sagt man auch, es
ist eigentlich auszuschließen, dass sich an den großen Eckdaten etwas
ändert. Die Europäer, der Internationale Währungsfonds, sie werden nicht
mehr als diese ausgemachten 10 Milliarden auf den Tisch legen, nur damit
die zypriotischen Sparer und die russischen Oligarchen nicht besteuert
werden. Das ist sehr unwahrscheinlich. Ziemlich misstrauisch blickt man
nach Moskau, was sich dort abspielt. Der zypriotische Präsident hat ja mit
Vladimir Putin heute gleich nach dem Ausgang dieser Abstimmung telefoniert.
Zypern könnte versuchen, einen Überbrückungskredit, einen neuen
Überbrückungskredit von Russland zu bekommen. Das hat zwar bisher nicht
funktioniert, aber es ist nicht auszuschließen, dass Vladimir Putin nicht
irgendwie versucht, über den Umweg Zypern einen Fuß in die Europäische
Union zu bekommen. Dann ginge es nicht nur um ein paar Banken, sondern dann
wären das ganz große geopolitische Fragen, die zur Diskussion stehen. Das
wäre ziemlich unangenehm für die Europäer. Auf jeden Fall auch aus
Brüsseler Sicht: Die Zeit drängt.