Amerika im Rückwärtsgang, Falter Maily, 8.2.2025

Wer glaubt, das österreichische Durcheinander mit Mehrfachumfallern der ÖVP sei einzigartig, sollte nach Amerika blicken. Alle paar Stunden kommen von jenseits des Atlantiks Nachrichten, die noch absurder erscheinen als jene von ein paar Minuten zuvor. Unter Donald Trump zerstören sich die USA munter selbst, das ist der Eindruck. Ein seltenes Spektakel in der Geschichte.Löst Donald Trump gerade die CIA auf, fragt sich entgeistert ein Journalistenkollege? Die Trump-Administration bietet allen Geheimdienstagenten sogenannte Buy-outs, es sind acht Monatsgehälter samt Zulagen, wenn sie den Dienst quittieren. Das Know-How von Agenten, die Verbindungen haben und Informationen bewerten können, macht den Kern eines Geheimdienstes aus. Die Trump-Leute wollen zahlreiche von ihnen aus dem Dienst drängen. Entsetzt ist man nicht nur in Langley, dem Sitz der CIA, ein paar Autominuten außerhalb von Washington DC. Auch die österreichische Staatssicherheit DSN sollte sich Sorgen machen. Hinweise auf mögliche Terroranschläge in Österreich kommen regelmäßig aus den USA.Nicht, dass ich besonderes Mitgefühl mit dem amerikanischen Geheimdienst hätte. Der CIA hat in Geheimgefängnissen gefoltert und Menschenleben auf dem Gewissen. In den USA gibt es noch genügend andere Geheimdienste. Die National Security Agency NSA überwacht mit einem Milliardenbudget weltweit die Kommunikation im Internet. Aber Trump zieht generell gegen den „Deep State“ in den Krieg, darunter versteht er Bundesbehörden, die sich seinen illegalen Vorstößen aus dem Weißen Haus in der ersten Amtszeit widersetzt haben. Dazu zählt er auch CIA und FBI. Trump will einen ihm untergebenen Staat, in dem es überhaupt keine rechtsstaatlichen Grenzen gibt.Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA ihren Einfluss in der Welt mithilfe der amerikanischen Soft Power gefestigt. Die Soldaten der US-Armee hatten die doppelte Botschaft von Konsum und Freiheit im Gepäck. All dies eingebettet in eine verfassungsmäßige Ordnung von Checks and Balances, die durch eine Balance zwischen Regierung, Gesetzgeber und Gerichten einen überbordenden Staat verhindert.Damit soll es unter Trump vorbei sein, signalisieren die Weichenstellungen der vergangenen Tage. Begonnen wird bei Behörden, die den Durchschnittsbürgern wenig sagen. Der Milliardär Elon Musk, der vom Weißen Haus aus die Säuberungen orchestriert, demoliert als erstes die Entwicklungshilfebehörde USAID. Millionen der Ärmsten in allen Teilen der Welt bekommen keine USAID-Hilfslieferungen aus Amerika mehr.Gespenstisch ist Trumps Idee, die Palästinenser aus Gaza zu vertreiben, um angeblich eine Riviera aus dem Küstenstreifen zu machen. Israel wird das Gebiet den USA übergeben, behauptet der Präsident. Selten sind ethnische Säuberungen so grotesk drapiert worden. Dass ein Land den Menschen gehört, die dort leben und nicht dem Nachbarstaat, der es in völkerrechtswidriger Weise zerstört, spielt in den Köpfen der neuen Herren im Weißen Haus keine Rolle.“Remaking Government“ nennt die New York Times das neue Politikverständnis in Washington DC. Beim Super Bowl, dem Football Event und größten Sportereignis Amerikas, steht seit Jahren an prominenter Stelle der Slogan „No Racism“. Die Parole wurde für das heute in New Orleans bevorstehende Spiel gestrichen. Es geht sichtlich um mehr als Einsparungen und Reformen. Die USA werden nach innen und außen rücksichtsloser und brutaler gemacht.In Madrid feierten am Wochenende die europäischen Rechtsextremen, die unter der Fraktionsbezeichnung Patrioten auftreten, den Kurswechsel der USA. Die Feindschaft gegenüber der Europäischen Union ist die gemeinsame Basis des sonst oft zerstrittenen Gruppe von Nationalisten. Mit dabei die Freiheitliche Partei Österreichs. An die Trump-Bewunderer schickte Herbert Kickl über Video seine Botschaft. Nicht zuletzt diese Aktion zeigt, dass eine proeuropäische Bundesregierung mit Kickl als Kanzler, von der die gerne ÖVP spricht, unmöglich ist.
DEFENDING DEMOCRACY
Den reaktionären Umbruch in den USA habe ich im Bruno Kreisky Forum mit der Publizistin Katrina vanden Heuvel besprochen. Vanden Heuvel ist Herausgeberin der linken New Yorker Wochenzeitung The Nation. Welche Möglichkeiten des Widerstands gegen Trump bestehen, war eines unserer Themen. Das auf Englisch geführte Gespräch können Sie im FALTER Radio nachhören.

Podcast
Die ZiB 2 ist die wichtigste TV-Nachrichtensendung des Landes. Sie wird heuer 50 und ist gefährdet wie nie zuvor. Die FPÖ schießt gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Medienvielfalt. Im FALTER Radio diskutiere ich mit ZiB 2-Chef Christoph Varga, ÖVP-Kennerin Heidi Glück, dem ehemaligen FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky und FALTER-Journalistin Tessa Szyszkowitz.

Für einen unabhängigen ORF
Mit einer Riege ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF habe ich einen Aufruf zur Verteidigung des unabhängigen öffentlichen Rundfunks gegen Attacken der FPÖ unterzeichnet. Die FPÖ regt sich mächtig auf. Dem freiheitlichen Generalsekretär Hafenecker passt es nicht, dass ihr Maily-Schreiber im FALTER publiziert. Lesen sie den Aufruf selbst, den ich auf meiner Webseite veröffentlicht habe.

FALTER Arena
All diese Themen – die blau-schwarzen Koalitionsgespräche, der ORF unter Druck und der Paradigmenwechsel auf internationalem Parkett – beschäftigen uns auch in der nächsten FALTER Arena, dem journalistischen Live-Event des FALTER.
Am 26.2., ab 19:30 im Wiener Stadtsaal, debattierten darüber Mitglieder der FALTER-Redaktion mit ihren Gästen. Musikalisch begleitet diesmal vom österreichischen Künstler Fuzzman. Tickets sind hier erhältlich.
Bild von Raimund LöwIhr Raimund Löw