AFL-CIO spaltet sich, MiJ, 26.7.2005

Die amerikanische Gewerkschaftsbewegung gehoert zu den grossen Verlieren
der letzten 15 Jahre. Nur mehr 12 Prozent der Lohnabhaengigen sind
gewerkschaftlich organisiert, in der Privatwirtschaft sind es ueberhaupt
nur mehr knappe 8 Prozent. Ein Organisationsgrad, der den relativ gesehen viel staerkeren europaeischen Gewerkschaften, den kalten Schauer
ueber den Ruecken jagt. Und jetzt hat sich der amerikanischen Gewerkschaftsbundes AFL-CIO auch noch gespalten.
Die Auseinandersetzung dauert schon viele Monate, und sie hat jetzt zur groessten Spaltung der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gefuehrt. Auf der einen Seite steht Gewerkschaftsbundspraesident John
Sweeney, der um seine Wiederwahl kaempft und auf die
Unterstuetzung der Mehrheit der insgesamt 57 Teilgewerkschaften zaehlen
kann. Ihm halten seine Anhaenger zu gute, dass er den amerikanischen
Gewerkschaftsbund mit seinen 13 Millionen Mitgliedern als wichtigen
politischen Faktor in Washington erhalten hat, trotz des sinkenden gewerkschaftlichen Organisationsgrades. Gegen den 71
jaehrigen Gewerkschaftsbundchef mobilisieren fuenf der groessten
Gewerkschaften des Landes. Sie machen die Fuehrung fuer den Niedergang der amerikanischen Gewerkschaften verantwortlich. Die aus der Gewerkschaft der Lastwagenfahrer hervorgegangenen legendaeren Teamsters haben gestern ihren Austritt verkuendet. Der Austritt ist uns nicht leicht gefallen, sagt Teamsterchef James Hoffa, aber wir brauchen Veraenderungen. Wir muessen mehr Mitglieder gewinnen, wenn wir die Interessen der amerikanischen Arbeiterfamilien vertreten sollen, nennt Teamster Chef James Hoffa seine Prioritaten. Ebenfalls ausgetreten aus der Dachorganisation AFL-CIA sind die Angestellten des Dienstleistungsgewerbes, die groesste Gewerkschaft des Landes. Waehrend in den Fuenfzigerjahren noch 35 Prozent der amerikanischen Lohnabhaengigen gewerkschaftlich organisiert waren, sind es heute nur mehr 12 Prozent. Mit einer neuen Organisationsstruktur und mehr Geld fuer Basisarbeit wollen die Rebellen den Niedergang der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung aufhalten. Schluss gemacht werden soll mit der Vielzahl zum
Teil kleiner aber historisch gewachsener Gewerkschaften. Dagegen erhofft man vom Industriegruppenprinzips, wonach in jeder Branche die jeweils staerkste
Gewerkschaft das Sagen hat, eine Vergroesserung der Schlagkraft.
Die AFL-CIO-Fuehrung spricht von Verrat. Fuer eine Spaltung wegen derart kleiner Meinungsverschiedenheiten, werden die Arbeiterfamilien den Preis bezahlen, so Gewerkschaftssekretaer Rich Trumka. Wenn noch 2, 3 weitere Einzelgewerkschaften folgen, dann koennte der Gewerkschaftsbund AFL-CIO ein Drittel seiner Mitglieder verlieren. Ein bisschen geht es auch um politische Taktik, denn der Gewerkschaftsfuehrung
werfen die Rebellen eine allzu starre Bindung an die Demokraten vor.
Dadurch verbaue man sich die Moeglichkeit auch bei republikanischen
Politikern fuer arbeitnehmerfreundliche Positionen zu werben.
Die Fuehrung um John Sweeney, die von den Stahlarbeiter und der Autobranche unterstuetzt wird, haelt das fuer illusionaer. Ohne das finanziell aufwendige Lobbying in Washington haette es in den letzten Jahren noch mehr arbeitnehmerfeindliche Gesetze gegeben, lautet ihr Argument. Es
sei eine Illusion an organisatorische Wundermittel zur Mitgliederwerbung zu
glauben. Tatsaechlich haben auch die rebellischen Gewerkschaften in den vergangenen Jahren herbe Niederlagen hinnehmen muessen. Selbst in Chicago, wo der Gewerkschaftskongress stattfindet, werden manche Hotels schon seit 2 Jahren bestreikt. Monatelang gab es Streikposten vor den Supermaerkten in Suedkalifornien, vergeblich. Riesige Kaufhaustketten wie Wal-Mart lassen ueberhaupt keine Gewerkschaften zu.
Konservative Politiker beobachten die Vorgaenge nicht ohne Schadenfreude, etwas uebertrieben ist vom Todeskampf der organisierten Arbeiterschaft die Rede. Andere sehen dagegen sogar die Moeglichkeit einer Belebung der gewerkschaftlichen Aktivitaeten, wenn es mehr Konkurrenz gibt.

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