Xi Jinpings Anruf in Kiew, 25.4.2023

 China meldet sich zurück in der Weltpolitik. Die Zeit der Selbstisolation durch die scharfen Lockdowns gegen Covid ist vorbei. In rascher Abfolge empfing Präsident Xi Jinping Spitzenpolitiker aus Europa, Lateinamerika, Asien und Afrika.  Letzte Woche telefonierte er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi. Es war der erste direkte Kontakt Chinas mit Kiew seit dem russischen Angriff vor eineinhalb Jahren.

  Peking ernennt einen Sondergesandten für die Ukraine, der versuchen soll zu vermitteln. China verwendet allerdings unverdrossen den Begriff Krise. Der Krieg kommt in der offiziellen chinesischen Lesart aus Rücksicht auf den russischen Verbündeten nicht vor. 

 Xi hatte bereits im Frühjahr in Moskau seine Allianz mit Vladimir Putin gefestigt. Danach kam der große Bahnhof für  Frankreichs Emmanuel Macron in Peking. China  will Europa von einem von den USA autonomen Kurs überzeugen. Brasiliens linker Präsident Lula da Silva, ebenfalls zu Gast in der chinesischen Hauptstadt, will einen blockunabhängigen globalen Süden. Sollte die Volksrepublik mit ihrem Vermittlungsangebot für den Ukrainekonflikt auch nur den  geringsten Erfolg haben, wäre das für Peking ein diplomatischer Durchbruch.

  Die Europäer hatten immer schon gehofft, dass der Wirtschaftsriese China  Putin zu einer Umkehr in seinem Aggressionskrieg bewegen könnte. Dazu ist es bisher nicht gekommen. Das offizielle China reproduziert die russische Propaganda, wonach die USA  den Konflikt provoziert hätten. Immerhin hat Xi Jinping wiederholt vor dem Einsatz von Atomwaffen gewarnt und sich damit gegen die nuklearen Drohungen aus Moskau gestellt. Auch beim Telefonats Xi-Selenskyi spielte die Gefahr einer nuklearen Eskalation eine wichtige Rolle.

 Weltpolitisch verschärft sich fast täglich die Feindschaft zwischen den USA und China. Für Peking ist  die Allianz mit Russland von strategischer Bedeutung. Xi wird sie nicht aufs Spiel setzen.

 Mit westlicher Unterstützung bereitet die Ukraine einen militärische Frühjahrsoffensive vor. Die chinesische Forderung nach einem Waffenstillstand just zu diesem Zeitpunkt kann  im Interesse Putins sein, sollten die russischen Militärs ins Hintertreffen geraten. Zumindest bietet Chinas Vorstoß begrüßenswert eine Plattform, sollten die Kriegsparteien einen Ausweg aus dem Kampfgeschehen suchen.

  Einen spektakulären Erfolg hat die chinesische Diplomatie in den letzten Wochen im Nahen Osten errungen, wo sich sonst Amerikaner und Europäer die Zähne ausbeißen. Unter der Patronanz des neuen Außenministers Qin Gang verkündeten Saudi-Arabien und der Iran in Peking die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Es ist ein symbolträchtiger Schritt zwischen zwei Erzfeinden, deren Rivalität zu Kriegen und Bürgerkriegen geführt hat. Die USA, die  im Nahen Osten als Supermacht lange Zeit die Fäden gezogen haben, wurden von den Geheimverhandlungen fern gehalten. Außenminister Qin Gang bot unmittelbar danach auch Israelis und Palästinensern Chinas gute Dienste für Verhandlungen an. Jeder Fortschritt wäre eine Überraschung, aber das Selbstbewusstsein der Führung in Peking scheint grenzenlos zu sein.

  Dort, wo die Volksrepublik China ihre Kerninteressen sieht, ist von diplomatischer Flexibilität jedoch nichts zu spüren. Schritt für Schritt baut Peking seine gefährliche Drohkulisse gegen Taiwan auf.  Präsident Xi Jinping spricht vom angeblichen Recht Chinas, Taiwan mit Waffengewalt zu erobern, sollte es zu keiner friedlichen Vereinigung kommen. Nur vom neuen Premierminister Li Qiang waren weniger aggressive Töne zu hören.

  Als Taiwans Präsidentin Tsa Ing-wen, die demokratisch gewählt ist, den Speaker des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy in Kalifornien traf, probten die chinesischen Streitkräfte drei Tage die Totalblockade der Insel. Die autoritären Polizeistaatmethoden auf dem Festland haben Peking bei weiten Teilen der Bevölkerung Taiwans, vor allem aber in der Jugend, verhasst gemacht.

  Warnungen vor dem Einsatz militärischer Gewalt durch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wies Peking brüsk zurück. Kein Wunder, dass Taiwan auf  Abschreckung durch die USA setzt, auch wenn Amerika selbst gegenüber China unberechenbar vorgeht.

 Ein Krieg um Taiwan  wäre eine globale Katastrophe, mit schweren wirtschaftlichen Auswirkungen für alle. An der politischen Solidarität mit einem demokratischen Taiwan sollten die Europäer festhalten. Letztlich ist der Status Quo  auch im Interesse Chinas, selbst wenn man das in Peking anders sieht. Nur wenn die Volksrepublik ihre imperialen Gelüste gegen die Inselrepublik zügelt, wird China international als  Vermittler und vielleicht tatsächlich als Friedensstifter agieren können.

ZUSATZINFORMATIONEN

Chinas prorussische Neutralität

Peking unterstützt offiziell die Souveränität und nationale Integrität der Ukraine. Was das konkret bedeutet bleibt vage. Die russischen Soldaten auf ukrainischem Territorium erwähnt man  nicht. Auf die Frage, ob die Krim und andere besetzte Gebiete zur Ukraine oder zu Russland gehören, bekommt man in Peking keine klare Antwort. Immerhin gibt es keine chinesischen Waffen für Putins Krieg.

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