Fixes Datum für die von den USA und Russland angestrebte Syrienkonferenz gibt es keines. Der ursprünglich angestrebte Junitermin wackelt. Die oppositionelle Syrische Nationale Koalition droht mit Boykott. Aber Anfang Mai haben die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow in Moskau nicht nur Höflichkeiten ausgetauscht.
Ein Mini-Jalta zu Syrien, bei dem sich die Großmächte die Einflusssphären aufteilen, wie einst für Europa am Ende des Zweiten Weltkrieges, steht im Raum. Das Einfrieren des syrischen Bürgerkrieges durch Druck von außen ist die einzige Möglichkeit eine Ausweitung auf die Nachbarstaaten zu verhindern.
Militärisch gewinnt das Regime an Boden. In den Küstenregionen hat der Kriegseintritt der Hisbollah aus dem Libanon an der Seite Assads das Kräfteverhältnis verändert. Aber Scheich Hassan Nasrallah, der charismatische Chef der schiitischen Gotteskrieger, ist als Feind Israels groß geworden. Wie lange er einen Konflikt mit sunnitischen Al Kaida-Sympathisanten durchsteht, ist fraglich. Manchmal wird gerade dann besonders heftig gekämpft, wenn ein Waffenstillstand im Bereich des Möglichen ist.
Eine internationale Syrienkonferenz unter russisch-amerikanischer Patronanz bedeutet: Washington und Moskau akzeptieren, dass keine Seite gewinnen kann.
Der Westen hat Saudi-Arabien und Katar zwar grünes Licht gegeben, den Rebellen Waffen zu schicken. Geheimdienste liefern Informationen und Know How. Aber ein direktes Engagement der USA, wie gegen Libyens Gaddafi, will Barack Obama vermeiden.
Russland ist entschlossen sich Bachar al Assad, seinen wichtigsten Verbündeten in der Region, nicht herausschießen zu lassen. Die einzige russische Marinebasis im Mittelmeer liegt in der syrischen Hafenstadt Tartus. Aber sollte das Regime in Damaskus kollapieren, wäre für Moskau alles verloren.
An einem Triumph islamistischer Extremisten haben weder Russland noch die USA ein Interesse. Moskau wird mit der Radikalisierung im mehrheitlich islamischen Kaukasus schon jetzt nicht fertig. Die amerikanische Regierung fliegt von Jemen bis Pakistan Drohnenangriffe gegen Dschihadisten. Dass in Syrien ausgerechnet die Milizionäre der schiitischen Partei Gottes gegen Al Nusra, die mit Al Kaida verbundene Rebellenorganisation, in die Schlacht ziehen, verwirrt die Experten. Für Washington sind beide schlicht Terroristen .
Begonnen hat der Aufstand gegen das Baath-Regime als Freiheitsbewegung gegen eine brutale Diktatur. Die syrischen Rebellen führen fort, was als arabische Revolution in Tunesien und Ägypten begonnen hat. Daniel Cohn-Bendit, der grüne Europaabgeordnete, vergleicht die libanesischen Hisbollah-Einheiten an der Seite Assads mit der deutschen Legion Condor, die einst Franco half den spanischen Bürgerkrieg zu gewinnen. Dem Waffenembargo, dessen Fall in der EU so viel Staub aufgewirbelt hat, weint Cohn-Bendit keine Träne nach. Auch in den Dreißigerjahren habe die Weigerung der westlichen Demokratien, die Spanische Republik zu bewaffnen, den von Deutschland und Italien aufgerüsteten Franco-Truppen einen dauerhaften Vorteil verschafft.
Historische Parallelen sind nur begrenzt aussagekräftig. Aber ohne arabischen Frühling wäre es zur syrischen Aufstandsbewegung nie gekommen. Ein Sieg der Diktatur wäre ein Zeichen des Rollbacks gegen Volksbewegungen in der ganzen Region.
Dass es den Oppositionellen so schwer fällt eine internationale Syrienkonferenz gutzuheißen ist verständlich. Die Vertreter des Assad Regimes werden mit am Tisch sitzen. Anders als in Ägypten und Libyen ist es nicht gelungen den Diktator zu stürzen. Auch für Amerikaner und Europäer ist es eine bittere Erkenntnis. Die Forderung nach einem Rücktritt Assads als Vorbedingungen für eine Verhandlungslösung müssen sie aufgeben. Über seine Selbstauflösung wird das Regime kaum bereit sein zu reden.
Um einen Waffenstillstand zu erreichen, müssten die Großmächte durchsetzen, was beide Bürgerkriegsparteien noch emphatisch ablehnen: eine De Facto Teilung des Landes. Zumindest provisorisch. Christen und Alawiten, die Assad zum großen Teil die Stange halten, leben vor allem im Gebiet zwischen Küste und der Hauptstadt Damaskus. Wenn die Rebellen in diesen Regionen ihre Aktivitäten einstellen, müssten die Regierungstruppen sich aus in den mehrheitlich von Sunniten bewohnten Landesteilen zurückziehen. Ethnische Säuberungen zu vermeiden wird extrem schwer sein. UNO-Beobachter könnten dabei einen Beitrag leisten.
Phantasien eines unverbesserlichen Optimisten? Vordergründig zeigt die Ankündigung von Waffenlieferungen tatsächlich eher in Richtung Eskalation. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit beider Kriegsparteien von ihren jeweiligen Sponsoren. Wenn die USA und Russland wollen, könnten sie den Druck in Richtung Waffenstillstand schlagartig erhöhen.