Löw Raimund (ORF)
Es ist das erste Mal, dass ein langfristiges EU-Budget kleiner ist als das
frühere. Budgets sind immer „in Zahlen gegossene Politik“, beginnt jetzt
die Zeit von „weniger Europa“, weil es auch weniger Geld gibt?
Faymann Werner (SPÖ)
Nein, Sie wissen, wir haben natürlich verschiedene Aufgaben in Europa: Wir
haben einen Schutzschirm zu finanzieren, der dafür sorgt, dass die Länder
Europas auch in der Lage sind, aus Eigenmittel etwas zu investieren. Wir
haben dieses Budget, das einen wichtigen Schwerpunkt für Wachstum, für
Beschäftigung gegen Jugendarbeitslosigkeit setzt, und wir werden noch
viele, viele andere Maßnahmen gemeinsam zu setzen haben.
Löw Raimund (ORF)
Aber ist das nicht ein Rückschritt, wenn man jetzt weniger Geld in den
nächsten sieben Jahren zur Verfügung hat real, als in den letzten sieben
Jahren.
Faymann Werner (SPÖ)
Na, wenn Sie die Schutzschirme und die Maßnahmen, die wir parallel
dazurechnen, dann haben wir erheblich mehr Mittel, und das ist aber
gerechtfertigt, weil wir dieses Europa auch stabilisieren wollen, wir
wollten nicht in die 30-er Jahre rutschen nach der Wirtschaftskrise,
sondern wir haben gesagt „Wir halten gegen“, und das ist gesamt gesehen
deutlich mehr, als das noch vor sieben oder acht Jahren der Fall war.
Löw Raimund (ORF)
Der Parlamentspräsident Martin Schulz sagt, da handelt es sich um eine
Täuschung, die Staats- und Regierungschefs riskieren, das Schulden gemacht
werden in der EU, was bis jetzt nicht möglich war, wie wollen Sie denn das
Parlament davon überzeugen, von dieser Veto-Drohung runterzukommen?
Faymann Werner (SPÖ)
Na erstens, Martin Schulz hat eine positive Rolle gespielt, weil er auch in
dieser Diskussion gesagt hat „Wir benötigen Mittel zur Finanzierung und zur
Bewältigung der Aufgaben“. Und jetzt muss mit dem Parlament eine Diskussion
geführt werden – wie kann zwischen den Verpflichtungen, die man eingeht und
die Geldflüsse so in Einklang gebracht werden, dass die Europäische Union
keine Schulden machen kann. Das ist nicht vorgesehen, zu Recht nicht
vorgesehen – und daher muss man hier auch einige flexible Maßnahmen setzen,
wo das Parlament mit den Forderungen Recht hat – und wir haben das auch
vorbesprochen – unsere Verhandler sind ausgestattet mit Möglichkeiten der
Flexibilisierung.
Löw Raimund (ORF)
Schließen Sie aus, dass die Europa-Abgeordneten der SPÖ dann gegen einen
Kompromiss stimmen, den der Parteivorsitzende mit-beschlossen hat?
Faymann Werner (SPÖ)
Abgeordnete haben, und das ist auch gut so, die Eigenverantwortung, wie sie
abstimmen, weil sonst bräuchten wir sie ja nicht, sonst würde ja genügen,
wenn wir ein Parteivorsitzenden-Treffen abhalten und könnten das Parlament
wieder auflösen. Wir wollen aber das Parlament keinesfalls auflösen,
sondern als zusätzliche Kraft und Demokratie in Europa stabilisieren und
etablieren, und daher muss man diese Diskussionen respektvoll führen, die
sind nicht irgendein verlängerter Arm, das muss man ordentlich ausreden,
das haben wir uns gewunschen in diesem gemeinsamen Europa.
Löw Raimund (ORF)
Wo waren denn die größten Widerstände zu überwinden, um zu diesem Kompromiss
zu kommen?
Faymann Werner (SPÖ)
Ich würde trotzdem UK mit David Cameron nennen, weil er auch öffentlich sehr
stark immer in Zweifel gezogen hat, ob er überhaupt an einem gemeinsamen
Ergebnis interessiert ist, ob das Wort „gemeinsam“ und nicht das Wort
„Diktat“ zu verwenden ist. Es hat auch andere Länder gegeben, die versucht
haben, über die Innenpolitik Beschlüsse zu fassen und dann so mit etwas
Drohgebärden an die Verhandlungen zu gehen. Aber man muss sagen,
durchgesetzt hat sich die Mehrheit, die für dieses Europa steht.
Löw Raimund (ORF)
Herr Bundeskanzler, Sie sagen, Österreich hat in diesem großen Feilschen
seine großen Ziele durchgesetzt. Aber es gibt die Kritik, die da lautet:
Österreich gehört nach wie vor zu den großen Zahlmeistern der EU.
Faymann Werner (SPÖ)
Wenn man es vergleicht, zahlen wir als Verpflichtung 0,31 Prozent unseres
BIP. Deutschland bezahlt mehr, obwohl wir im Pro-Kopf-Wohlstand besser
liegen als Deutschland. Auch viele andere Länder zahlen mehr als wir. Ich
glaube, wir sind sparsam vorgegangen, wir haben unsere Beiträge zu leisten
– und was natürlich ganz besonders wichtig ist: Wir sind Meister im Abholen
von Geld, im Verwirklichen von Projekten, aber ich verspreche den
Österreichern da jetzt nicht irgendeine Dumping und sage, das wird ganz
besonders wenig sein, das habe ich nie getan, es kostet etwas, es bringt
etwas und es zahlt sich aus. Das ist eine Frage der Bilanz: Was man
einzahlt, was man herausbekommt.
Löw Raimund (ORF)
Bei den Rabatten, die eine große Rolle gespielt haben in der
österreichischen Diskussion, haben Sie doch viel nachgeben müssen. Der
Rabatt, den es in den letzten sieben Jahren gegeben hat, wird mehr als
halbiert. Sind Sie da doch in irgendeiner Weise umgefallen?
Faymann Werner (SPÖ)
Mehr als halbiert ist nicht wahr, es wird ungefähr hundert Millionen
ausmachen, den wir weiter bekommen, wir haben derzeit etwa 170, 175
Millionen bekommen, haben dann auch zum Schluss noch einmal eine
zusätzliche Zahlung bekommen, also ich muss sagen, wir haben begonnen mit
einer Diskussion, da war kein Rabatt, da war 700 Millionen weniger für den
ländlichen Raum, für ein ganz wichtiges Thema Österreichs. Wir haben 700
Millionen mehr als am Anfang für den ländlichen Raum, wir haben 760
Millionen mehr für den Rabatt und für die Sonderzahlung, die wir bekommen.
Also da haben wir schon einiges durchgesetzt, das ist gut so – und trotzdem
haben wir uns eingeordnet in ein gemeinsames Ergebnis.