Europawahl der Extreme, Falter Maily, 6.6.2024

In den Niederlanden haben die Europawahlen  heute begonnen. Gegen Abend werden die ersten Exit-Polls aus Den Haag vorliegen.  Ob sich der beängstigende Erfolg des  Islamhassers Geert Wilders von den letzten Parlamentswahlen fortsetzt, wird ganz Europa interessieren. In mehreren EU-Staaten, darunter Frankreich, Italien und Österreich, liegen die Rechtsextremen in Umfragen an erster Stelle.

 Die Europawahlen finden in einer Extremsituation statt. Die EU wird von außen durch das revanchistische Russland bekämpft und von Innen durch den Ansturm der Rechtsextremen gefährdet. Bei der gestrigen TV-Diskussion der Spitzenkandidaten im ORF war die Dramatik der Lage nur begrenzt zu spüren.

 Die FPÖ hat mit ihrem beispiellosen Brutalowahlkampf (Copyright Franz Fischler) gegen die EU als „Wahnsinn“ alles ausgereizt, was knapp vor der direkten Aufforderung zum Öxit noch  möglich ist. FPÖ-Mann Vilimsky weiß aber, dass sich auch in seiner Klientele die bösen Folgen des Brexit in Großbritannien herumgesprochen haben,  und schlägt dann statt der Auflösung der Union lieber Victor Orban als Kommissionspräsidenten vor.

  Immerhin ist den freiheitlichen Kampfparolen scharf Paroli geboten worden, von ÖVP über SPÖ und Grüne und besonders den NEOS. Durchaus möglich, dass die FPÖ mit EU-Feindlichkeit und Verbeugungen vor Putin überzogen hat. Ob wirklich 30 Prozent des heimischen Wahlvolkes auf die plumpe Propaganda gegen Brüssel hereinfällt, wissen wir Sonntag Nachmittag.

  Die deutlichste Gegenposition zur freiheitlichen EU-Phobie war von den NEOS zu hören. Spitzenkandidat Helmut Brandstätter, ein wortgewandter ehemaliger Journalist, hat gezeigt, was eine klare Message bewirken kann. Mit der Parole der Vereinigten Staaten von Europa könnten die Liberalen erstmals bei Wahlen deutlich über 10 Prozent kommen. Allerdings: die von den NEOS propagierte Europäische Armee ist kein ernsthaft betriebenes Projekt. In der Sicherheitspolitik geht es um die Stärkung eines europäischen Flügels in der NATO. Und über die NATO-Frage trauen sich auch die NEOS nicht drüber.

Der europäische Realitätscheck fällt für Renew, die liberale Fraktion, ebenfalls problematisch aus.  Die niederländischen Liberalen der VVD koalieren mit den Rechtsextremen, als deren heftigster Kritiker sich Helmut Brandstätter profiliert. Die deutsche FDP will nur ja nicht mehr Geld nach Brüssel akzeptieren, was für ein stärkeres Europa unumgänglich wäre. Da bleibt von den Vereinigten Staaten von Europa nicht viel übrig.

  Bei den anderen Parteien dominiert ein etwas aus der Zeit gefallenes Business as usual. Die  Grünen trommeln das Klimaliegen so massiv, dass für andere Themen kaum Raum geblieben ist. Sie hoffen auf einen Jetzt-erst-recht Solidarisierungseffekt für Spitzenkandidatin Lena Schilling, die unter die Räder einer von zweifelhaften medialen Kampagne zu geraten droht.

  Bei Volkspartei und Sozialdemokraten weiß man nicht wirklich: wollen sie mehr Europa oder weniger Europa? Oder mit unterschiedlichen Akzenten lweitermachen, wie bisher? Letzteres bleibt als Botschaft wahrscheinlich über.

 Ein Blick in  andere EU-Staaten ergibt ein unterschiedliches Bild. In Frankreich liegen die Rechtsextremen so weit vorne, dass einem Angst und Bange wird. Gleichzeitig hat Emmanuel Macron in einer fulminanten Rede in Dresden als einziger eine echte Vision für die Zukunft gezeichnet. In Deutschland implodiert die rechtsextreme AfD, aber das proeuropäische Establishment scheint mut- und ziellos zu sein. In Polen werden der abgewählten  PiS Verluste von 10 Prozent vorausgesagt, das hört man gerne. Allerdings: an erster Stelle vor der Regierungspartei des proeuropäischen Liberalen Donald Tusk könnte die autoritär-nationalistische Partei noch immer landen.

  Erfahrungsgemäß muss man für das neue Kräfteverhältnis im Europaparlament in der EU-Wahlnacht unendlich lange warten. Das wird diesmal nicht anders ein. Ein Bild der politischen Realitäten auf unserem vielfältigen Kontinent werden wir auf jeden Fall bekommen, ob sie uns gefallen oder nicht,

meint ihr

Raimund Löw

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