Der Wahlerfolg der Opposition in Thailand ist eine Chance, 6.6.2023

   Aus Südostasien kommen ermutigende Nachrichten für die Demokratie. In Thailand brachten Parlamentswahlen einen Triumph der Opposition, trotz der Herrschaft des Militärs. Die  Fortschrittspartei Fast Forward, eine linksliberale Neugründung, und die populistische Pheu Thai konnte mit ihren Verbündeten  313 der 500 Parlamentssitze erobern. Die Unterstützer von Regierungschef und Putschgeneral Prayut wurden vernichtend geschlagen. Vor drei Jahren ist die Jugend auf die Straße gegangen, um ein Ende des Militärregimes und eine Reform der Monarchie  zu verlangen. An den Urnen bestätigt sich jetzt, dass die Jugendlichen für viele Millionen Thais gesprochen haben.

 Thailand, für Europäer als Tourismusdestination bekannt, ist politisch und wirtschaftlich das wichtigste Land Südostasiens. Traditionell waren die Machthaber Verbündete der USA, in den letzten Jahren haben sie sich China angenähert. Das Militär, das Königshaus und die buddhistischen Klöster  sind die bestimmenden Kräfte der Eliten. Zwölf Mal hat das Militär in den letzten Jahrzehnten geputscht. 2014 vertrieben die Generäle die Regierungschefin Yingluck Shinawatra. Sie ist  die Schwester des im Exil lebenden populistischen Ex-Premiers Thaksin Shinawatra.  

 Thaksin Shinawatra ist Milliardär und der wichtigste Gegenspieler der konservativen Eliten. Wann immer  die Militärs  Wahlen zugelassen haben, gewann die jeweils vom Familienclan der Shinawatras unterstützte Liste. Als  Regierungschef vor zwanzig Jahren hat Thaksin Shinawatra Milliarden für die arme Landbevölkerung aufgewendet. Kleinbauern und Landarbeiter konnten erstmals einen Arzt aufsuchen. Zum Königshaus blieb Shinawatra auf Distanz. Wochenlang blockierten königstreue Gelbwesten und progressive Rotwesten die Hauptstadt Bangkok. Bis das Militär wieder einmal putschte.

  Die populistische Pheu Thai Partei, die bei den jüngsten Wahlen an zweiter Stelle gelandet ist, wird von der Tochter  Thaksin Shinawatras geführt. Im oppositionellen Lager hat jetzt aber  Pita Limjaroenrat mit seiner Fast Forward Partei das Sagen. Pita   hat in Harvard studiert, er vertritt die jungen Generationen, die sich in den alten Konflikten der thailändische Politik nicht wiederfinden. Im Wahlkampf hat er einen gewagten Schritt gesetzt und eine Änderung des  Majestätsbeleidigungsgesetzes verlangt. Selbst beim Hauch von Despektierlichkeit für ein Mitglied des Königshauses kann man in Thailand jahrelang ins Gefängnis kommen. Es ist das extremste Gesetz zum Schutz der Regenten in der Welt.

  Das thailändische Königshaus ist in einem jämmerlichen Zustand. Seit Langzeitkönig Bhumibol  2016 verstorben ist, regiert sein Sohn Maha Vajiralongkorn  als Rama X. Wohlmeinende Experten beschrieben ihn als exzentrisch. Der König lebt zumeist in Oberbayern. Eine frühere Ehefrau floh, eine andere musste kahlgeschoren ins Kloster, die aktuelle Gattin, eine Stewardess, wurde zur Generalleutnantin gemacht.  Bekannt wurde ein Foto seines Lieblingspudels, den er als Thronfolger zum Chief Air  Marschall der Luftstreitkräfte befördert hat. Dem Thron darf sich selbst der Premierminister nur am Bauch kriechend nähern. Das Vermögen des thailändischen Könighauses wird auf 30 Milliarden Dollar geschätzt. Als Symbolfigur für die Einheit des Landes im Krisenfall,  wie sein als Gott verehrter Vater Bhumibol, ist Vajiralongkorn  nicht geeignet.

 Wahlsieger Pita hat bei seinem geplanten Regierungsprogramm auf die Reform des Königshauses verzichtet. Ein kluger Schachzug, denn um Premierminister zu werden, reicht die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten nicht aus. Ein Regierungschef braucht auch Senatoren, die allesamt von den Generälen ausgesucht sind. Die Allianz der siegreichen Opposition darf königstreue Senatoren nicht vor den Kopf stoßen, will sie die Regierung übernehmen.

  Gesichert ist der Machtwechsel in Bangkok nicht. Die konservativen Eliten haben Wege gefunden, den Wählerwillen zunichte zu machen. Angesichts des Triumphs der demokratischen Opposition wäre ein reaktionärer Coup jedoch ein riskantes Manöver, der das Land destabilisieren würde. Dagegen ermöglicht das neue Kräfteverhältnis im demokratischen Lager, in dem der Shinawatra-Clan erstmals nur die zweite Geige spielt, die Chance zu einer Öffnung.

  Das benachbarte Myanmar leidet unter  blutrünstigen Militärs, die kein Verbrechen scheuen, um ihre Macht zu zementieren. Kambodscha verwandelt sich gerade in eine Familiendiktatur von Langzeitpräsident Hun Sen. Vietnam ist wirtschaftlich auf der Überholspur, aber politisch im autoritären Rückwärtsgang. Thailand könnte durch einen Übergang zu einer demokratisch legitimierten Zivilregierung das positive Gegenbeispiel werden.

ZUSATZINFOS

Thailands turbulente Politik

Seit 1932 ist das Land eine konstitutionelle Monarchie. Seit dem letzten Putsch 2014 regiert der unpopuläre General Prayut. Parteien sind grundsätzlich erlaubt, haben angesichts der autoritären Verfassung jedoch wenig Gewicht. Seit dem Wahlsieg der Opposition vom Mai 2023 werden die Karten neu gemischt.

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