Die Anklage gegen Trump überschattet das anlaufende US-Wahljahr

 In den USA beginnt der Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahlen 2024. Die republikanischen Kandidaten werden Ende August zur ersten Konfrontation aufeinander treffen. Die bei weitem größte Unterstützung unter Aktivistinnen und Aktivisten en hat Donald Trump. Es wird eine Wahlauseinandersetzung um die Grundregeln der Demokratie, wie sie Amerika noch nie erlebt hat.

  Trump trommelt, dass der von der Biden-Regierung angestrengte Prozess gegen ihn ein politischer Auftragsmord sei. Eine Mehrheit der US-Bürger lehnt diese Bürgerkriegsrhetorik ab. Aber im republikanischen Wahlvolk folgt eine ebenso deutliche Mehrheit Trumps Hetze. Die Polarisierung wird sich bis zum Wahltag am 5.November 2024 steigern.

 Der Sonderermittler des Justizministeriums wirft Trump eine Gefährdung der nationalen Sicherheit und  Behinderung der Justiz vor. Der ehemalige Präsident hatte bei seinem Abtritt Dutzende Kartons mit Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus mitgenommen. Er lagerte sie in seinem Golfklub Mar-o-Lago in Florida. Nach der Anklage in Manhattan wegen Zahlungen an eine Pornodarstellerin ist das der zweite Prozess gegen Trump.  Weitere Verfahren werden vorbereitet.

 Es ist das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass ein ehemaliger Präsident vor Gericht steht. Auch Parteigänger Trumps gestehen ein, dass es sich um schwerwiegende Beschuldigungen handelt. Der ehemalige Präsident hatte sich geweigert eine richterliche Anweisung zu befolgen und die Geheimakten den National Archives zu übergeben. Bill Barr, einst  Trumps Justizminister, sagt auf Fox News, wenn das nur zur Hälfte stimmt, „then he’s toast“, dann sei Trump geliefert.

  Rechtsstaatlich ist die Anklage gegen Trump wasserdicht. Jede andere Entscheidung hätte den Gleichheitsgrundsatz vor dem Gesetz verletzt. Politisch ist die  Konstellation verheerend.  Die US-Regierung verfolgt vor Wahlen den gefährlichsten Widersacher des amtierenden Präsidenten.  Machthaber in der ganzen Welt, die ihren Oppositionellen die Polizei auf den Hals hetzen, fühlen sich bestätigt. Der britische Economist notiert, die Präsidentschaftswahlen 2024 könnten zu einem Referendum werden, ob Donald Trump ins Gefängnis soll.

  Die Abwahl Trumps 2020 war ein Zeichen für die Widerstandskraft der amerikanischen Demokratie. Kommt es  zu einem Remake des Duells Trump-Biden wird der Einsatz 2024 höher sein als vor vier Jahren. Politikexperten sehen Joe Biden und seine Demokraten grundsätzlich im Vorteil, weil die Mehrheit der Bürger die politische Radikalisierung des Ex-Präsidenten nicht mitmacht. Aber das hohes Alter Bidens, er ist 80, ist nicht zu übersehen und stellt ein Risiko dar.

 Die rechtsextreme Minderheit, die Trump folgt, treibt die gesamte Republikanische Partei vor sich her.   Fox News, der ultrakonservative TV-Sender und das Wall Street Journal, die zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehören,  machen Trump zwar nicht mehr die Mauer. Aber keiner der anderen republikanischen Präsidentschaftsbewerber von  Gouverneur Ron DeSantis aus Florida über Ex-Vizepräsident Mike Pence bis zur ehemaligen UNO-Botschafterin Nikki Haley kommt in Meinungsumfragen über wenige Prozentpunkte hinaus. Im Fall einer Verurteilung muss Trump begnadigt werden, sind sich die Konkurrenten einig. Die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus will Revanche und plant gerichtlich gegen die Familie Biden vorgehen. Ohne Zuspruch der Trump-Fans hat kein republikanischer Politiker die geringste Chance, selbst dann, wenn der begnadete Demagoge doch noch straucheln sollte.  

  Unklar bleibt, was Trump mit den geheimen Akten anfangen wollte. Für eine Schlüsselszene gibt es  einen Audiomitschnitt. Trump zeigt Buchautoren einen geheimen Plan des US-Generalstabschefs Mark Milley, wie der Iran angegriffen werden könnte. Damit wollte er der Behauptung entgegen treten, dass nicht das Militär, sondern er selbst einen Krieg vom Zaun brechen wollte. Aber reichen Wichtigtuerei und nachträgliche Schuldzuweisungen als Motiv für ein Verbrechen, das die Staatsanwaltschaft sogar mit Hilfe des Anti-Spionage-Gesetzes bekämpfen will?

  Welche Verteidigungsstrategie Trump vor dem Gericht in Miami wählen wird ist unklar. Materieller Schaden dürfte keiner entstanden sein. Seine Verteidiger wechselt er ständig aus. Anwälte fürchten um ihre Lizenz, wenn sie auf Verlangen eines Klienten etwas Illegales tun. Trump könnte theoretisch sogar aus dem Gefängnis Wahlkampf machen. 1920 erhielt der damals inhaftierte Anti-Kriegs-Kandidat Eugene Debs, ein aufrechter Sozialist, fast eine Million Stimmen.  

Die damalige Situation hat mit 2024 nichts zu tun. In den USA geht der Kampf um die liberale Demokratie in eine neue Phase. Hinter der Auseinandersetzung um Trumps Gerichtsverfahren steht  die Frage nach der Resilienz des Rechtsstaates unter den Bedingungen des autoritären rechtsextremen Dauerfeuers.

ZUSATZINFORMATIONEN

US-Wahlkalender

Die US-Präsidentschaftswahlen finden am 5.November 2024 statt. Die ersten Vorwahlen sind im Bundesstaat New Hampshire für den 13.Februar 2024 angesetzt.   Die erste TV-Konfrontation der republikanischen Präsidentschaftsbewerber ist am 23.August 2023 geplant. Ob Trump überhaupt teilnimmt ist offen.

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