Die Verhandlungen zwischen Trumps Abgesandten Steve Wittkoff, einem New Yorker Immobilieninvestor, und dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi im Oman sind eine der wenigen positiven Entwicklungen in der Weltpolitik. Donald weiterlesen...

Journalist und Historiker
Die Verhandlungen zwischen Trumps Abgesandten Steve Wittkoff, einem New Yorker Immobilieninvestor, und dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi im Oman sind eine der wenigen positiven Entwicklungen in der Weltpolitik. Donald Trump hatte die diplomatische Option Mitte März mit einem persönlichen Brief an den greisen Revolutionsführer Ali Chamenei angestoßen. Schließlich bekam Präsident Massud Pescheskian, ein Pragmatiker, grünes Licht für Kontakte zum großen Satan Amerika.
Gleichzeitig treffen die USA aber auch Vorbereitungen für einen Krieg. Im Nahen Osten kreuzt ein zweiter US-Flugzeugträger. Die US-Airforce verlegt B-2 Langstreckenbomber nach Diego Garcia im Indischen Ozean. Seit Wochen bombardieren die USA Stellungen der mit dem Iran verbündeten Huthi-Milizen im Jemen. Trump sagt für den Fall, dass der Iran sich den Wünschen auf Denuklearisierung nicht beugt, wird Gewalt angewendet. In dem Fall würde Israel die Führung übernehmen.
Israel ist die einzige Atommacht der Region. Die israelischen Streitkräfte verfügen je nach Schätzungen über 100 bis 300 nukleare Sprengköpfe. Bei der Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm geht es auch um die Frage, ob dieses nukleare Monopol im Nahen Osten aufrecht bleibt.
Im Westen hat man die israelische Bombe als letzte Rückversicherung eines demokratischen Staates in einer unberechenbaren Weltgegend stillschweigend akzeptiert. Die Grausamkeit, mit der Israel die ethnische Vertreibung der Palästinenser in Gaza vorantreibt, bestätigt den Vorwurf des Völkermordes und verstärkt die im globalen Süden vorherrschende konträre Sicht.
Extreme Spannungen um nukleare Rüstung gibt es auch in anderen Regionen. Nordkorea fordert durch Atomtests den amerikanischen Nuklearschild für Südkorea und Japan heraus. Pakistan hat mit eigenen Atomwaffen auf das nukleare Arsenal Indiens reagiert.
Das iranische Nuklearprogramm ist ziviler Natur, beteuert Teheran. Trotz westlicher Cyberangriffe und der wiederholten Ermordung von Nukleartechnikern durch den israelischen Geheimdienst hat es sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Die internationale Atomenergiebehörde vermutet, dass der Iran bald sechs Atombomben bauen könnte.
Das iranische Regime geht massiv geschwächt in den Zyklus der Verhandlungen mit den USA. Teheran hat durch den Sturz des Assad-Regimes in Syrien als Verbündeten verloren. Die schiitische Hisbollahmiliz im Libanon und die palästinensische Hamas sind zerstört. Die Schiiten im Irak setzen sich vom Mullahregime ab. Großen Teilen der eigenen Bevölkerung ist die Islamische Republik verhasst, wie bei den Frauenprotesten deutlich wurde. Die Wirtschaft ist nach Jahren strenger Sanktionen kaputt.
Der Wiener Iranexperte Homayoun Alizadeh sieht das Regime mit dem Rücken zur Wand. Sogar der in den USA lebende Sohn des 1979 gestürzten Schah Reza Pahlevi ist für manche Iraner ein Hoffnungsträger, sagt Alizadeh. Von einem Militärputsch des Revolutionsgarden bis zu einem Zerfall des Landes sei vieles möglich.
Ob die iranische Staatsführung in einer derart dramatischen Situation bereit ist auf die nukleare Technik zu verzichten oder nicht umgekehrt versuchen wird, möglichst rasch zur Bombe zu kommen, ist eine offene Frage. In Pjöngjang sieht Diktator Kim Jong-un die nordkoreanischen Atomwaffen als Selbstschutz gegen seine Feinde an. Das Gegenbeispiel ist Libyens Diktator Muhamar al Gaddafi. Gaddafi lieferte seine Nuklearteile an die USA, wurde Jahre später trotzdem von prowestlichen Rebellen gestürzt.
Klare Bedingungen formuliert Israels Premierminister Benjamin Netanjahu: der Iran soll alle seine Nuklearanlagen unter amerikanischer Kontrolle aufgeben, sowie das Gaddafi getan hat. Für die Regierung eines souveränen Staates fast unerfüllbar. Netanjahu will die USA in Wirklichkeit in einen Krieg gegen den Iran hineinziehen, vermuten Kritiker. Nur amerikanische Monsterbomben könnten die tief unter der Erde eingebunkerten iranischen Atomzentren zerstören. Bei seinem Besuch im Weißen Haus am 7.April blitzte Netanjahu mit diesem Vorstoß jedoch ab.
Die Europäer hatten vergeblich versucht das internationale Atomabkommen nach dem Ausstieg Trumps 2018 ohne Amerika am Leben zu halten. Sie hoffen jetzt auf eine dauerhafte Neuauflage des alten Deals.
Ein diplomatischer Erfolg wäre ein wichtiger Gegentrend zur eskalierenden Gewalt im Nahen Osten. Selbst ein schlechter Deal, der den Status des Iran als Fast-Atommacht zementieren würde, ist besser als ein Krieg, argumentiert der britische Economist. Geht die Kriegsgefahr zurück und verbessert sich die Wirtschaftslage, könnte der Druck auf die iranische Zivilgesellschaft zurück gehen. Die Europäer sollten keinen Zweifel daran lassen, dass ein neuer Waffengang keine Alternative zu einem Kompromiss sein darf.
ZUSATZINFORMATIONEN
Die Atommächte
Der Atomsperrvertrag sah 1968 die USA, die UdSSR, China, Großbritannien und Frankreich als Atommächte vor. Dazu gekommen sind Israel, Indien (1974), Pakistan (1998) und zuletzt Nordkorea (2006). Die Ukraine, Belarus und Kasachstan hatten auf Atomwaffen aus der sowjetischen Zeit verzichtet. Südafrika stellte nach dem Ende des Apartheid seine atomare Rüstung ein. Bis heute verfügen Amerikaner und Russen über das bei weitem größte nukleare Waffenarsenal.