Zeitalter der autoritären Regime

  Historiker diskutieren, ob wir in einem autoritären Zeitalter stehen.  Der amerikanische Präsident Joe Biden macht mit dem Vormarsch der Diktaturen Geopolitik. Er strebt eine Allianz der demokratischen Staaten an, mit beschränktem Erfolg, wie sich bei seinem Europabesuch gezeigt hat.

  Die Lage ist komplizierter. Die USA, die Biden als Führungsmacht der Demokratie sieht, sind bei Trumps Umsturzversuch am 6.Jänner einer Konterrevolution nur knapp entronnen. Seither versuchen die Republikaner durch eine Einschränkung des Wahlrechts ein Comeback des Trumpismus.

  Europa hat die autoritären Nationalisten mit dem großen Geld des Wiederaufbaufonds in die Schranken gewiesen. Aber der Ansturm von Rechtsaußen hält an. Die Gefahr wird unterschätzt. Die Ohrfeige verbunden mit rechtsextremen Parolen für den französischen Präsidenten Macron Anfang Juni zeigt, dass faschistoide Politgangster das Tempo bestimmen. Ob die autoritäre Welle sich noch  stoppen lässt, wird in Europa und den USA entschieden. In anderen Teilen der Welt haben sich die Autokraten durchgesetzt.

    Der Militärputsch in Myanmar vor fünf Monaten hat den südostasiatischen Staat in ein Schlachtfeld verwandelt. In den Städten geht die Angst um. Gegen Protestierende wird scharf geschossen, es gab hunderte Tote.  Bewaffnete Widerstandsmilizen berichten vom Zustrom aufgewühlter Jugendlicher aus allen Teilen des Landes. Der inhaftierten Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi macht das Regime den Prozess, angeblich wegen Korruption. Es ist ein lächerlicher Vorwurf. Die Generäle wollen einen unumkehrbaren Strich unter den demokratischen Aufbruch  ziehen. Die blutige Wende ist in der globalen Welt kein isolierter Vorgang.   

  Europa erlebt den Erfolg erbarmungsloser Repression in Weißrussland. Monatelang war die halbe Bevölkerung auf der Straße, um Langzeitdiktator Lukaschenko in die Schranken zu weisen. Tausende Festnahmen, Tote und Verletzte und zuletzt das erpresste TV-Geständnis des beim Überflug gekidnappten  Roman Protasewitsch  haben der Bewegung das Genick gebrochen. Mit Vladimir Putin im Rücken machen Geheimdienstchefs und Militärs  aus dem Kleinstaat ein europäisches Nordkorea.      Die Niederschlagung der weißrussischen Demokratiebewegung ist vergleichbar mit dem Ende des Prager Frühlings durch den Einmarsch der Warschauer Paktstaaten 1968, nur diesmal ohne Panzer.

  Auch Russland erlebt einen sprunghaften Anstieg der staatlichen Repression. Der Zustrom zur Antikorruptionsbewegung von Alexej Nawalny im vergangenen Jahr war für den Kreml ein Schock. Der Mordanschlag mit Nervengift gegen Nawalny ging schief. Im Herbst stehen Wahlen zur Duma an, der kremlhörigen gesetzgebenden Versammlung. Nawalnys Devise „klug abzustimmen“  und einfach die am besten plazierten Kandidaten zu wählen, die nicht von der Regierungspartei „Einiges Russland“  kommen, kann für die Staatsführung zu einem Debakel führen. Jetzt reiht sich für Nawalny eine Gefängnisstrafe an die andere. Niemand kann sagen, ob der wichtigste Gegenspieler Putins die Straflager  lebend verlassen wird. Seine Organisation ist zerschlagen, wer seine Kritik an Putin verbreitet, gilt als Terrorist.

    Medial ist Russland noch nicht gleichgeschaltet wie China.  Aber der Spielraum für unabhängige Informationsquellen wird kleiner. Zu den wichtigsten Plattformen zählt Meduza. Das Onlineportal wird von 30 Millionen russischer Bürgern  genutzt. Letztes Jahr musste die Redaktion in die lettische Hauptstadt Riga übersiedeln.  Im April hat die russische Zensurbehörde Meduza zum ausländischen Agenten erklärt. Das Unternehmen verlor alle Werbeeinnahmen, weil keine russische Firma inserieren will. Es ist ein verheerender Schlag für die Restbestände journalistischer Vielfalt.

  Russland hat sich eng mit der chinesischen Führung verbunden. In der Vergangenheit waren die Nachbarn oft spinnefeind. Die Rivalität mit der Supermacht Amerika führte dazu, dass Vladimir Putin und Xi Jinping, der starken Mann in Peking, ihre Gemeinsamkeiten betonen.   Die Hongkonger Demokratiebewegung hatte wie die Freiheitsbewegungen in Weißrussland und  Myanmar die Herrschenden in Panik versetzt. Wochenlang hielten Hunderttausende das Finanzzentrum der  Metropole besetzt. Ein demokratisches Wahlrecht ohne Kontrolle durch die Kommunistische Partei Chinas war das Ziel. Die Studentenführer sind jetzt in Haft.  Der tapfere Verleger Jimmy Lai, der mit dem oppositionellen Massenblatt Apple Daily das pekingtreue Establishment zur Weißglut brachte, steht vor Gericht. Das Nationale Sicherheitsgesetz vom letzten Jahr hat den Freiheitswillen der Hongkonger gebrochen. China liefert die Blaupause für autoritäre Staaten.

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