Der amerikanisch-russische Gipfel in Alaska hat Europa aufgeweckt. Der alte Kontinent mobilisieren all seine Kräfte um zu verhindern, dass die Supermacht Amerika die um ihre Freiheit ringende Ukraine aufgibt. Einen weiterlesen...

Journalist und Historiker
Bis Vladimir Putin und Donald Trump am Freitag in Alaska zusammen kommen, wird es noch zahlreiche Leaks und Verhandlungspapiere über ein mögliches Ende des Ukrainekrieges geben. Klar ist schon jetzt: das Treffen ist grundsätzlich ein Erfolg für Putin. Der russische Präsident bekommt eine Plattform, die suggeriert, dass er normale Beziehungen zu den USA hat, obwohl er kein Jota von seinem Kriegsziel abgeht die vollständige Kontrolle über die Ukraine zu übernehmen. Immer wieder betont Putin, dass die Ukrainer Teil des russischen Volkes zu sein haben. Zwei Großmächte wollen über das Schicksal eines Landes entscheiden, das nicht gefragt wird und bis heute nicht geladen ist. Ein bedrohlicher Präzedenzfall für die Zukunft.
Putin tritt einem amerikanischen Präsidenten gegenüber, der sich ihm gegenüber wiederholt richtiggehend unterwürfig verhalten hat. Ein groß angekündigtes Ultimatum per 8.August ist sang und klanglos verschwunden. Bei allen sonstigen Kertwendungen Trumps ist die Russophilie eine Konstante in seiner Weltsicht. Mit geopolitischen Interessen der Supermacht lässt sich diese Haltung nicht erklären. Die Bewunderung für den Kremlchef hängt mit der Begeisterung der amerikanischen Ultrarechten für das in Moskau praktizierte Roll Back von Feminismus, Minderheitenrechten und andere Errungenschaften multikultureller Gesellschaften zusammen. Dazu kommt der nie völlig ausgeräumte Verdacht, dass der russische Geheimdienst über Druckmittel gegen Trump aus seiner Zeit als Organisator von Schönheitswettbewerben in Moskau verfügt.
In seiner ersten Amtszeit traf Trump in Helsinki auf Putin. Bei einer gemeinsamen Abschlusspressekonferenz gab er den gelehrigen Schüler, der sich unwidersprochen versichern ließ, dass es russische Einmischung im US-Wahlkampf nie gegeben habe, obwohl die US-Geheimdienst das Gegenteil bewiesen haben. Damals ging es primär um die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und den USA. Diesmal steht das Schicksal der souveränen Ukraine auf dem Spiel, dementsprechend nervös ist man in Kiew und bei den Verbündeten Europäern. Es wäre nicht das erste Mal, dass Großmächte die Schwächeren unter den Bus werfen. Die Europäer zahlen den Preis dafür, dass sie aus der Europäischen Union keine echte Vereinigte Staaten von Europa zu machen wolle. Kleinstaaterei kann in der neuen Weltordnung lebensgefährlich sein.
Die Ukraine ist militärisch in der Defensive. Der österreichische Militärexperte Stephan Gady hat kürzlich mehrere Tage die Front besucht. Im Podcast Falter Radio letzte Woche (LINK Podcast: Ukraine: Korruptionsskandal mitten im Krieg – FALTER) berichtet er von den Schwierigkeiten der Ukraine wichtige Stellungen zu halten. Ständig hört man russische Drohnen in der Luft, von denen man nicht weiß, ob sie zur Observation oder für den Angriff programmiert sind. Journalist Denis Trubetskoj bestätigt aus Kiew: die vielen Drohnen hören sich an, als ob Rasenmäher oder Mopeds den Himmel durchkreuzen würden. Sind die Explosionen zu hören, dann ist vorerst die Gefahr vorbei. Man weiß, getroffen wurden andere.
Ein Waffenstillstand gäbe dem Land Luft zum Atmen, auch wenn Russland inzwischen ein Fünftel des ukrainischen Territoriums kontrolliert und aufrüstet. Damit die Ukraine sich sicher fühlen kann überlegen Franzosen, Briten und andere europäische Staaten Friedenstruppen zur Absicherung der ukrainischen Souveränität zu entsenden. Die USA müssten mitmachen, auch ohne selbst Bodentruppen zu schicken. Moskau hat bisher nein gesagt.
Was genau die Europäer für den Alaskagipfel vorlegen, ist unklar. Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Fall eines Waffenstillstands kommen bei Donald Trump nicht vor, was alarmierend ist. Statt dessen spricht er von einem territorialem Austausch. Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass die russischen Vorstellungen mit einem Austausch wenig zu tun haben. Russland will angeblich, dass die nach wie vor ukrainisch kontrollierten Teile der Region Donezk und Luhansk von der Ukraine aufgegeben werden, wenn Russland im Gegenzug seine Angriffe in Saporischja. und Cherson einstellt. Die Ukraine würde sich auch aus russischem Gebiet zurückziehen. Das einzige, was Russland nach diesen Vorstellung tun müsste, um Donezk kampflos zu erhalten, wäre in zwei anderen Bezirken für ein paar Monate die Waffen schweigen zu lassen. Man kann nur hoffen, dass die amerikanischen Experten, die Alaska vorbereiten, etwas genauer auf die Karte blicken und die europäischen Einwände ernst nehmen,
meint Ihr
Raimund Löw
ISRAEL TÖTET JOURNALISTEN
Die israelische Armee hat gestern in Gaza ein Pressezelt bombardiert, das Arbeitsplatz für Medienleute war. Fünf Reporter und ein Assistent wurden gezielt getötet. Unter den Opfern ist Anas Al Sharif, ein prominenter Fernsehjournalist, der seit Kriegsbeginn aus Gaza für Al Jazeera berichtet. Anas Al Sharif war für die arabische Fernsehwelt so präsent wie Karim Al Gawhaey oder Christian Wehrschütz aus Kriegsgebieten für Österreich. Jeder Journalist, der aus Kriegsgebieten berichtet, kennt solche provisorischen Arbeitsstätten, aus denen in die ganze Welt berichtet wird. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Armee offen zugibt Journalisten am Arbeitsplatz umzubringen, wie das jetzt Israel tut. Die israelische Armee will möglichst viele Zeugen ausmerzen, die der Welt berichten, was in Gaza passiert, das ist die Erklärung für die horrend hohe Zahl von 200 getöteten palästinensischen Kollegen in Gaza. Der Leiter des ORF-Büros in Jerusalem David Kriegleder berichtet im Mittagsjournal (LINK: Israel tötet bekannten Al Jazeera Journalisten ORF Sound) über die seit langem schon verbreitete Behauptung dass Al Jazeera Journalist Anas Al Sharif ein Kämpfer der Hamas war. Verschiedene Dokumente der Propagandaabteilung der israelischen Streitkräfte sollen das beweisen, darunter ein Foto des Journalisten mit Hamas-Chef Sinwar, den er interviewt hat. Das in den USA ansässige Committee to Protect Journalists CPJ bestreitet die Glaubwürdigkeit dieser Beschuldigungen, genauso wie Sonderberichterstatterin Irene Khan der UNO. Die Realität ist, dass Israel einen Krieg gegen die freie Berichterstattung in Gaza und immer mehr auch in der Westbank führt.
In Deutschland kommt Kanzler Merz in die Bredouille, weil er Israel keine Kriegswaffen für Gaza mehr schicken will. Die sowieso nicht geplant waren. Vielleicht sollten mehr Deutsche das österreichische Profil lesen, in dessen aktueller Ausgabe Kollege Robert Treichler die Causa unter einem guten Titel abhandelt: Wer Gaza rettet, rettet Israel (LINK: Wer Gaza rettet, rettet Israel?
PODCAST UKRAINE
Über Korruption und Krieg in der Ukraine diskutiere ich im Falter Radio. (LINK: Podcast: Ukraine: Korruptionsskandal mitten im Krieg – FALTER) Die andauernden russischen Angriffe fordern Tote und Verletzte. Trotzdem leistet sich die Ukraine eine heftige Auseinandersetzung um die Antikorruptionsbehörden. Präsident Selenskij steht unter innenpolitischem Druck. Es diskutieren der Journalist Denis Trubetskoy (Kiew), Militärexperte Stefan Gady und die Journalistin Simone Brunner (Die Zeit).
NOCH EIN PODCAST
Künstliche Intelligenz und Journalismus. Der investigative Datenjournalist und Pulitzerpreisträger Christo Buschek plädiert für eine realistische Sicht auf die Möglichkeiten der KI bei Recherchen und warnt vor der Propaganda der Tech Konzerne. Ein Beitrag beim Journalismusfest Innsbruck vom Mai 2025