Der amerikanisch-russische Gipfel in Alaska hat Europa aufgeweckt. Der alte Kontinent mobilisieren all seine Kräfte um zu verhindern, dass die Supermacht Amerika die um ihre Freiheit ringende Ukraine aufgibt. Einen weiterlesen...

Journalist und Historiker
Das Elend der Zivilbevölkerung in Gaza, die durch eine gezielte israelische Blockade ausgehungert wird, führt zu einer koordinierten diplomatischen Aktion mehrerer europäischer Regierungen. Frankreich hat die Anerkennung eines palästinensischen Staates angekündigt. Der britische Premier Keir Starmer will gleichziehen. Trotz wütender Proteste aus Jerusalem und Washington schließt sich Portugal an, auch Kanada ist dabei. Die Anerkennung wird bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September vollzogen werden. Damit soll die Strategie der Regierung Netanjahu konterkariert werden, die auf ethnische Säuberungen der Palästinenser und die Annexion von besetzten Gebieten abzielt.
Es sind die richtigen diplomatischen Signale. Die Diplomatie der Europäer zeigt eine Alternative zu den Vertreibungsplänen auf, die für die Palästinenser in Jerusalem und Washington propagiert werden. Für den Westen ist traditionell das Existenzrecht Israels der Ausgangspunkt der Nahostpolitik. Die Katastrophe von Gaza erinnert daran, dass auch die Palästinenser ein Existenzrecht haben. Die beteiligten Staaten wollen die Zweistaatenlösung reaktivieren. Um einen Genozid zu stoppen wären auch Sanktionen berechtigt.
Israels Regierung behauptet, die Anerkennung belohnt die Hamas.
Die Islamisten demonstrieren gerade die Unmenschlichkeit ihrer Kriegsführung, indem sie Videos verbreiten, in denen hungernde Geiseln neben hungernden Kindern zu sehen sind. Die Realität ist aber auch: die Hamas war immer strikt gegen einen Palästinenserstaat als Nachbar Israels. Daher hat Netanjahu, der eine Zweistaatenlösung verhindern will, vor dem 7.Oktober Unterstützung für die Islamisten auch bewusst zugelassen.
Österreich, das die Zweistaatenlösung unterstützt, sollte sich dem Vorstoß des französischen Präsidenten Macron anschließen und bei der UNO-Generalversammlung die Anerkennung Palästinas vollziehen. Eine Korrektur der einst von Sebastian Kurz auf blinde Unterstützung Netanjahus getrimmten Nahostpolitik ist überfällig.
Der amerikanische Starjournalist David Remnick, Chef des Wochenmagazins New Yorker, zeichnet unter dem Titel „What Is Israel Becoming“ den erstarkten Nationalismus des jüdischen Staates nach den erfolgreichen Kriegen der letzten Monate. Das Sterben von Gaza wird vom Mainstream der israelischen Öffentlichkeit ignoriert, schreibt der amerikanische Journalist, es dominiert das Triumphgefühl von Siegern, die glauben, dass ihnen alles erlaubt ist. Die Anerkennung Palästinas gerade durch verbündete Regierungen kann ein Gegengewicht sein, auch wenn ein souveräner Staat weit entfernt ist.
„Stoppt die Waffe Hunger“ stand auf den Transparenten bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele, sowie: „Stoppt den Völkermord. Free Gaza now“. Die Aktion war ein Protest gegen die Bundesregierung, die sich nicht einmal dazu entschließen kann eine Suspendierung Israels vom europäischen Forschungsförderungsprogramm mitzutragen, obwohl die Menschenrechtsverletzungen im Widerspruch zum Assozierungsabkommen mit der EU stehen.
Die heimische Debatte nach der gelungenen Protestaktion reduziert sich auf die Frage, wie die Security der Festspiele ausgetrickst werden konnte. Ein konservativer Journalist ortet gar den Hauch von Bataclan, dem Ort eines dschihadistischen Anschlages mit 90 Toten in Paris.
Dass nach einer Aktion des zivilen Ungehorsam vor allem diskutiert wird, was die Polizei besser machen sollte, kennt die Filmmacherin Ruth Beckermann aus der Zeit der Proteste gegen Kurt Waldheim, denen sie mit ihrem Film Waldheims Walzer ein cineastisches Denkmal gesetzt hat.
Lächerlich und bedenklich zugleich nennt Beckermann, dass sich das Publikum in Salzburg mehr über Transparente echauffiert als über Hungersnot und Kriegsverbrechen. „Wir sind in der Waldheimzeit mit eingerollten Transparenten zur Abschlusspressekonferenz der ÖVP ins Hotel Ambassador gegangen und haben die dann im entscheidenden Moment vor der Weltpresse entrollt. Die Aufregung damals war weniger groß als heute in Salzburg.„
Die Palästinaaktivisten kennt sie nicht, sagt Ruth Beckermann, aber „von der Performance her war das eine sehr kluge Aktion. In den USA passiert es jeden Tag, dass sich Rabbiner bei einem Sitzstreik gegen den Gazakrieg wegtragen lassen. Dass Aktivisten mit rot beschmierten Händen auf die Bühne gehen, um Aufmerksamkeit zu erregen, könnte man bei einem Theaterfestival eigentlich entspannter sehen.“
Angemessen reagierten der Bundespräsident, Vizekanzler Babler und Festrednerin Anne Appelbaum in Salzburg, die auf die unerträgliche Lage in Gaza hingewiesen haben. Dass die österreichische Politik Konsequenzen zieht, steht noch aus.
ZUSATZINFOS
Anerkennung Palästinas
Mehr als 140 UNO-Mitglieder erkennen Palästina als Staat an. Mit Frankreich und Großbritannien wären auch zwei westliche Mitglieder des Sicherheitsrates darunter. Der symbolische Schritt soll Druck für Verhandlungen machen, die auch in der Realität zu einem palästinensischen Staat neben Israel führen.