Die Gastgeber fahren für Donald Trump alles auf, was Asien an Zeremoniell zu bieten hat. Es wird ein Staatsbesuch plusplus, wenn der amerikanische Präsident nach China kommt, heißt es in Peking. Präsident Xi Jinping ist von seinem Parteitag gerade auf eine Stufe mit Staatsgründer Mao Zedong gestellt worden. Japans rechtsnationaler Regierungschef Shinzo Abe, gestärkt durch einen Triumph bei den Unterhauswahlen, hat dem Verbündeten seine Pläne zur militärische Aufrüstung Japans präsentiert. Nur in Südkorea macht man sich Sorgen, dass Trump durch einen unbedachten Tweet die Krise mit Nordkorea verschärfen könnte.
Dort, wo es in Asien Spielraum für freche Medien gibt, herrscht ein spöttischer Unterton, weil der Präsidenten der Supermacht Amerika durch ausladende Inszenierungen zu beeindrucken ist. Autoritäre Regierungschefs und Diktatoren fühlen sich durch Trump bestärkt, grandiose Shows organisieren sie gerne. Aus dem State Department in Washington sickert durch, dass man den Reisekalender bewusst mit repräsentativen Terminen füllt. Je weniger Zeit der Präsident für Twitter hat oder um mit Reportern direkt zu sprechen, desto geringer ist die Gefahr eines Eklats.
Ein Jahr nach dem sensationellen Wahlsieg des rechtspopulistischen Milliardärs hat sich in Asien das Verhältnis zu den USA verändert, so wie in anderen Teilen der Welt auch. Aber von den radikalen Ankündigungen des Wahlkampfes ist wenig übrig. Dass die USA den militärischen Schutz für Japan oder Südkorea aus Kostengründen zurückziehen könnten, ist kein Thema mehr. Genauso wenig wie die Idee, gegen Nordkorea sollten Tokio und Seoul doch eigene Atombomben bauen. Statt des im Wahlkampf angekündigten Handelskrieges mit China hat Trump mit der Aufkündigung des Transpazifischen Handelsabkommens die Position Pekings gestärkt. Mit Präsident Xi Jinping telefoniert er alle paar Wochen.
Das Gleichgewicht der Nachkriegszeit, das mit der stabilen Rolle Amerikas im Pazifik verbunden war, ist ins Rutschen geraten. Der Konflikt mit Nordkorea kann zur Katastrophe werden. Aber Trump hat die Machtverhältnisse nicht gekippt. Die Experten rätseln, was er wirklich bezweckt. Trumpismus erscheint ein Jahr nach dem fatalen Novembertag 2016 als riskante Übergangsphase mit unsicherem Ausgang.
Für die Verfasstheit Amerikas ist die Diagnose ähnlich. Trump hält seine Basis von 30 Prozent Wutbürgern mit ungeheuerlichen Äußerungen bei der Stange. Den usbekischen Terroristen, der in New York in die Menge raste, nennt er ein „Tier“. Zuerst verlangt er seine Verschickung nach Guantanamo, dann die Todesstrafe. Dass diese Vorverurteilung ein Gerichtsverfahren erschwert, kümmert ihn nicht. Die Justiz verunglimpft er als „Lachnummer“, weil nicht Hillary Clinton sondern sein eigenes Umfeld im Visier der Russland-Ermittler steht.
Aber das System der Gewaltenteilung in den USA funktioniert. Der Umbau im Sinne von „America First“ stockt. Der Kongress und die Justiz bieten dem Populisten im Weißen Haus die Stirn. Damit soll nicht unterschätzt werden, wie Trump mit seinen rechtspopulistischen Ausfällen die Politik vor sich hertreibt. Die Klimapolitik wird heruntergefahren, die Lage der undokumentierten Einwanderer verschlechtert sich. Die von den Republikanern geplante Steuerreform würde das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zugunsten des Kapitals verschieben. Aber Trump hat Glück. Die Konjunktur läuft gut. Bei einer Arbeitslosenrate von 4,1 Prozent herrscht für amerikanische Verhältnisse fast Vollbeschäftigung.
Die Widerstandskraft des Systems der „Checks and Balances“ gegen den rechten Demagogen im Weißen Haus sollte eigentlich den Spielraum für die Opposition erhöhen. In der Realität herrscht bei den Demokraten jedoch interner Bürgerkrieg zwischen dem liberalen Establishment und linkspopulistischen Rebellen. Die größte Gefahr droht Trump nicht von der Opposition, sondern von Sonderstaatsanwalt Robert Mueller, der die Kontakte der Trump-Leute zu Russland untersucht. Der ehemalige FBI-Direktor hat einen früheren Wahlkampfleiter Trumps angeklagt und einen ehemaligen Berater dazu gebracht, als Kronzeuge auszusagen. Jeder Kenner der US-Justiz weiß, dass die Betroffenen sich vor Gefängnisstrafen nur retten werden, wenn sie auspacken. Die Russland-Ermittlungen sind eine Zeitbombe. Der Präsident könnte Mueller absetzen. Breitbart News, das vom Ideologen Steve Bannon angeheizte rechtsrechte Netzwerk, würde applaudieren. Aber eine Spaltung des republikanischen Establishments wäre kaum zu vermeiden. Daher zögert Trump.
Noch hat sich in den USA die Wende zur autoritär-nationalistischen Demagogenherrschaft, die durch Donald Trump symbolisiert wird, nicht durchgesetzt.