Der Nachschub für Bashar al Assads Soldaten kommt aus dem Iran und Russland. Umgekehrt versorgen Saudi Arabien, Kuweit und Katar die islamistischen Aufständischen mit Geld und Waffen. Die Türkei ist sicheres Hinterland für die Rebellen. Europäer und Amerikaner beschränkten sich jedoch gebetsmühlenartig darauf, den Rücktritt des syrischen Präsidenten zu fordern. Ein gemeinsamer Vorstoß von CIA, Pentagon und State Department, die Rebellen zu bewaffnen, wurde vom Weißen Haus blockiert.
Diese Zurückhaltung ist immer schwerer zu verteidigen.
Je mehr sich der grausame Bürgerkrieg in die Länge zieht, desto größer wird die Gefahr einer unkontrollierten Internationalisierung. Anfang des Jahres hat Israels Luftwaffe einen Waffentransport an die libanesische Hisbollah bombardiert. Für die USA ist die Sicherheit der Giftgaslager des Assad-Regimes die rote Linie. Bei den geringsten Anzeichen, dass chemische Waffen eingesetzt werden könnten, werde man eingreifen, heißt es in Washington. Nicht weniger beunruhigend ist die Perspektive, dass oppositionelle Dschihadisten einen Militärstützpunkt mit Giftgas erobern.
Anders als der Republikaner John McCain, will die Regierung Obama keine Alleingänge der USA. John Kerry, der frisch gebackene Außenminister, unternimmt einen neuen Anlauf zu einer gemeinsamen Initiative mit Russland. Keine drei Wochen im Amt vereinbarte Kerry mit dem russischen Gegenüber Sergej Lawrow in Syrien einen „lebensfähigen politischen Übergangsprozess“ einzuleiten. Der Begriff ist vage. Aber Moskau baut Kontakte zur syrischen Opposition auf. Ahmed Moaz al-Khatib, einer der führenden Köpfe der Aufstandsbewegung, ist zu Verhandlungen mit jenen Teilen des Regimes bereit, die nicht direkt an Repressionsmaßnahmen beteiligt sind. Moskau will solche Gespräche ermöglichen.
Gelingt es die Frontstellung zwischen Moskau und Washington in der Syrienfrage zu lockern, dann wäre dies die dramatischste geopolitische Veränderung seit den Anfängen der Rebellion.
Russische Außenpolitikexperten weisen darauf hin, dass die Aufständischen nach wie vor keinen Teil der staatlichen Strukturen unter ihre Kontrolle gebracht haben. Ein totaler Zusammenbruch würde aus Syrien ein zweites Afghanistan machen, an dem auch die USA nicht interessiert sind. Tatsächlich ist die Sorge vor einer Degeneration der anfänglichen Demokratiebewegung auch im Westen zu spüren. Radikale Islamisten, die in Westeuropa jahrelang polizeilich überwacht wurden, spielen heute im syrischen Widerstand eine große Rolle.
Ein Fünftel der Kämpfer gelten als Dschihadisten. Häufig handelt es sich um die am besten organisierten Gruppen. Die bewaffneten Milizionäre agieren im Nahmen ethnischer und religiöser Gruppen eines Straßenzuges, in einem Stadtviertel oder einem Dorf. Nach 70 000 Toten und 3 Millionen Flüchtlingen sind die offiziellen Streitkräfte dabei, gestützt auf ein von der alawitischen Minderheit dominiertes Offizierskorps, wie eine unter mehreren ethnischen Milizen zu agieren.
Eine Schlüsselregion des Nahen Ostens droht zur Beute rivalisierender Kriegsherren, islamistischer Extremisten und krimineller Banden zu werden, schlägt der britische Economist Alarm. Das Land Syrien hat aufgehört zu existieren. Vorbei ist die Zeit, in der die Dynamik des arabischen Frühlings die Antriebskraft der Proteste war.
Politische Lösungsversuche sind bisher an den Ultimaten beider Seiten gescheitert. Das Regierungslager lehnt den Abtritt Bashar al Assads ab. Zu groß ist die Angst vor einer völligen Auflösung der Machtstrukturen, wenn der Clan des Präsidenten ins Exil geht. Die Koalition der Syrischen Oppositionskräfte will aber nur nach dem Rücktritt des Diktators ernsthaft verhandeln.
Verständigen sich Moskau und Washington auf einen politischen Übergang, wäre diese Blockade überwunden. Im Laufe eines von den Vereinten Nationen überwachten Prozesses, wie ihn die UNO-Vermittler schon seit Monaten vorbereiten, könnte Moskau zu einem späteren Zeitpunkt auch seine schützende Hand von Bashar al Assad nehmen. Vorausgesetzt Europäer und Amerikaner erkennen den russischen Anspruch auf Einfluss auch im postrevolutionären Syrien an.
Ohne Unterstützung Moskaus wäre Assad nur einer von mehreren Warlords. Ohne die Anerkennung des Westens hätten die Rebellen keine Legitimation. Militärisch herrscht ein Patt. Der Druck der Großmächte würde dagegen den Waffenstillstand erzwingen und könnte internationalen Friedenstruppen den Weg bereiten.
Die Vier im Jeep als Hoffnung für Damaskus mag utopisch klingen. Aber wenn es überhaupt noch eine Chance gibt, im Herzen des Nahen Ostens ein Somalia zu verhindern, das der Economist befürchtet, dann liegt sie in der Diplomatie, nicht in militärischer Aufrüstung.