Gaza, Israel und die USA: Der Krieg, in dem alle verlieren

Die Verlierer der nicht enden wollende Tragödie von Gaza sind nicht nur Palästina und Israel, sondern auch die Vereinigten Staaten von Amerika. Joe Biden hatte sich nach dem Massaker des 7.Oktober demonstrativ hinter den jüdischen Staat gestellt. Gleichzeitig warnte er vor dem Vertrauen in die Allmacht der Waffen. Viereinhalb Monate später wirken die amerikanischen Einwände gegen die Zerstörung von Spitälern, Schulen und Wohnhäusern hilflos.

 Die USA werden immer mehr in einen Konflikt hineingezogen, dessen Dynamik sie nicht kontrollieren. Noch vor Kurzem wollte der Westen die Kämpfe zwischen den schiitischen Huthi-Milizen und den Saudis im Jemen beenden. Jetzt greifen Briten und Amerikaner selbst jemenitische Stellungen an, als Revanche für Drohnenangriffe auf Frachtschiffe.

   Der Gazakrieg ist der entscheidende Grund, warum bewaffnete Gruppen Ziele, die mit Israel und den USA verbunden werden, attackieren. Gegenschläge werden daran nichts ändern. Das weiß auch US-Außenminister Antony Blinken, der nahezu verzweifelt  versucht, einen Waffenstillstand für Gaza und die Befreiung der Geiseln zu erreichen.

  Premier Netanjahu beharrt auf einem  totalen Sieg, ohne genau zu definieren, was er darunter versteht. Vom Militär befreit wurden bisher drei der 130 Geiseln, viel mehr kamen durch Verhandlungen frei. Die Armee bereitet einen Angriff auf die Stadt Rafah vor, in die sich eineinhalb Millionen Menschen geflüchtet haben.  Man vermutet dort Yahya Sinwar und andere Führer der Hamas. Zwei Geiseln hat die israelische Armee in einer Kommandoaktion gerettet. Im Umkreis  wurden Dutzende Palästinenser getötet.  Die Europäer warnen vor einem Blutbad.  Die Munition und die Waffen kommen aus den USA.

 Jerusalem ist auf die amerikanischen Verbündeten angewiesen. Trotzdem tanzt Netanjahu der Supermacht vor der Nase herum. Der Regierungschef setzt auf ein Comeback von Donald Trump

 Die Katastrophe von Gaza, die mit dem Gegenschlag auf das Massaker des 7.Oktober und den 1200 Getöteten begonnen hat, ist auch ein Krieg der USA geworden. Die Lebensgrundlagen der Palästinenser in Gaza werden zerstört. Die Jugend Amerikas stellt sich zunehmend gegen die amerikanisch-israelische Allianz. Aktivisten, darunter Jüdinnen und Juden, mobilisieren gegen den Kurs der Biden-Administration, der sie eine Mitschuld für das humanitäre Debakel geben. Bei Wahlkampfauftritten ist der Präsident  mit propalästinensischen Zwischenrufern konfrontiert. Mit der Unterstützung für Israel setzt Joe Biden seine Wiederwahl aufs Spiel.

  Die Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren, die bisher loyal zu Biden gestanden sind, wenden sich ab. Linke Demokraten verlangen einen Stopp der Waffenlieferungen, um einen Waffenstillstand zu erzwingen. Wie können wir  Putins Kriegsverbrechen in der Ukraine kritisieren, wenn wir bei der Bombardierung in Gaza und der Tötung von 27000 Palästinensern zuschauen, fragt Sanders auf X/Twitter?

  Zunehmend dringt die Tragödie auch in der amerikanischen Öffentlichkeit durch.

 Viereinhalb Monate nach Kriegsbeginn verschärft sich in Israel und Palästina der Abgrund zwischen den beiden Völkern. In der besetzten Westbank wächst die  Zustimmung zur Hamas in der Bevölkerung. Die Menschen sind der  Gewalt bewaffneter Siedler und der Besatzungsarmee ausgesetzt.  Empathie für die jüdischen Opfer des 7.Oktober ist kaum vorhanden. Umgekehrt ist es genauso,  liest man in der Tageszeitung Haaretz. Das Blutvergießen in Gaza löst bei vielen  Israelis nur Achselzucken aus.

  Wie das Leben in den besetzten Gebieten nach einem Ende der Kämpfe weiter gehen soll, lässt die Regierung offen. Die Lücke füllen die rechtsextremen Minister  Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich. Bei einer Massenveranstaltung in Jerusalem propagieren sie die jüdische Besiedlungen von Gaza. Ein Redner verlangt die „freiwillige“ Ausreise von Palästinensern, eine Variante der rechtsextremen Vertreibungsphantasien.

 Die meisten israelischen Politiker weisen die zynischen Pläne der Rechtsextremen zurück. Aus dem Kriegskabinett distanziert sich der ehemalige Generalstabschef Gadi Eisenkot von den maximalistischen Vorstellungen des Regierungschefs.  Netanjahu verlangt, dass Israel die Kontrolle über Gaza und alle besetzten Gebiete behält. Langsam, sehr langsam, beginnt die Suche nach Alternativen zur endlosen Gewalt.

  14 Menschenrechtsorganisationen in Israel fordern einen Waffenstillstand. Angehörige der Geiseln schließen sich an. Sie wissen, dass jeder weitere Tag des Krieges das Todesurteil für ihre Angehörigen sein kann. Die Palästinenser hoffen auf die Freilassung von tausenden Gefangenen, die ohne Gerichtsverfahren in israelischen Gefängnissen festgehalten werden.

  Eine weitere Ausweitung des Krieges kann gestoppt werden. Wenn die USA keine Waffen mehr liefern, ist die Offensive in Gaza in wenigen Tagen vorbei, lautet eine  weit verbreitete Überzeugung. Wenn die  Biden-Administration die Probe aufs Exempel macht, wäre das auch in ihrem eigenen Interesse.

ZUSATZINFORMATION

Israelische NGOs für Waffenstillstand

Unter den 14 Unterzeichnern des Friedensaufrufes sind  Amnesty International Israel, Breaking the Silence, B’Tselem, Standing Together, Mütter gegen Gewalt, Peace Now und andere. Die Menschenrechtsorganisationen verlangen, dass Israel Hilfsgüter ungehindert nach Gaza lässt  und die Hamas alle Geiseln frei lässt. Die Verantwortlichen für schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts sollen zur Verantwortung gezogen werden.

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