Bei der heutigen Entscheidung ist es nicht darum gegangen, ob das eine pro
AKW-Position oder eine anti AKW-Position sein soll, welcher Energiemix die
EU-Länder wählen, das ist ganz allein in ihrer Kompetenz. Es kann niemand
gezwungen werden, Atomkraftwerke zu bauen, es kann das aber auch niemandem
verboten werden. Die einzige Frage war zu entscheiden, ob diese
Subventionen, die die britische Regierung für das neue Atomkraftwerk plant,
mit dem Vergaberecht in der Europäischen Union in Einklang besteht, ob es
hier eine Wettbewerbsverzerrung gibt, wenn diese Subventionen gewährt
werden. Da haben die Briten schon vor einem Jahr einen Plan vorgelegt, der
ist damals zurückgewiesen worden von der Europäischen Kommission, was eine
ziemliche Niederlage für David Cameron war. Man hat gesagt, genau welche
Punkte EU-rechtswidrig sind. Das haben die Briten jetzt korrigiert und
daher hat die Kommission gesagt, es gibt keinen Grund, hier ein Veto
einzulegen gegen diesen Entscheid. Man muss aber immer sagen, es handelt
sich nicht um EU-Gelder, es handelt sich um britische Steuergelder.
Gadenstätter Lisa (ORF)
Aber trotzdem hat die Atomindustrie durch diese Entscheidung heute einen
ziemlichen Schub bekommen. Was ist denn da los in der EU?
Löw Raimund (ORF)
Die Fronten zwischen Atomkraftgegnern und Atomkraftbefürwortern haben sich
ein bisschen verschoben nach Fukushima, vor allem durch den Ausstieg
Deutschlands. Aber es gibt nach wie vor eine große Gruppe von Ländern, die
auf Atomkraft setzen. Andere Länder sehen das anders, aber es gibt Länder,
in denen auch die Bevölkerung mehrheitlich für Atomkraft ist. Es gibt
Länder, in denen die Bevölkerung mehrheitlich gegen Atomkraft ist. Das hat
sich auch heute in der Abstimmung in der europäischen Kommission
widergespiegelt. Der österreichische Kommissar Hahn hat mit nein gestimmt,
er ist von vier, fünf anderen Kommissaren unterstützt worden, 16 Kommissare
haben mit ja gestimmt. Die Länder, alle Länder brauchen Energie, viele
Länder haben nicht die Chance, so auf Wasserkraft zu setzen wie das
Österreich tut. Und jene Länder, in denen Atomkraftwerke wichtig sind,
sehen die Notwendigkeit, ihre Atomkraftwerke zu modernisieren. Daher diese
Bemühungen. Aber wenn man das über einen längeren Zeitraum ansieht, dann
stellt man fest, in Europa ist es nach wie vor so, dass mehr Atomkraftwerke
abgestellt werden als aufgestellt werden.
Gadenstätter Lisa (ORF)
Zweites großes Thema heute in Brüssel waren die – war das Kandidaten-Hearing
für die EU-Kommission. Da ist die slowenische Kandidatin Bratusek abgelehnt
worden. Was bedeutet denn das jetzt für Jean-Claude Juncker?
Löw Raimund (ORF)
Das ist ein Rückschlag für Juncker. Er wollte diese Kandidatin. Aber die
Folgen sind überschaubar. Es sind alle anderen Kandidaten durchgesegelt bei
diesen Hearings, Liberale, Christdemokraten, Sozialdemokraten. Auch die,
die umstritten waren wie der ungarische Kandidat oder wie der britische
Kandidat. Was jetzt passieren wird ist dass die slowenische Regierung eine
neue Kandidatin oder vielleicht sogar einen Kandidaten nominieren muss.
Darüber muss die slowenische Regierung entscheiden. Da muss es dann ein
neues Hearing geben und dann wird diese Kommission komplett sein. Es war ja
auch bisher so bei den vergangenen Kommissionen vor fünf Jahren und vor
zehn Jahren, dass das Parlament immer wieder einen Kommissar zurückgewiesen
hat. Junckers Interesse ist es natürlich, dass aus Slowenien ein Kandidat
kommt, der in das Anforderungsprofil, das auch Bratusek – zu Bratusek
gepasst hat, hineinpasst. Sie hätte Kommissarin für Energieunion werden
sollen, was ein bisschen kompliziert ist. Aber ich würde einmal annehmen,
dass der slowenische Regierungschef schon nach – seit einigen Tagen sucht
nach einem möglichen Ersatz. Wenn das eine Frau ist, wenn das vielleicht
jemand ist, der sogar auch der liberalen Parteienfamilie angehört, dann
wird sich Jean-Claude Juncker freuen.