Gadenstätter Lisa (ORF)
Und für uns harrt am EU-Gipfel in Brüssel Raimund Löw aus. Herr Löw, es hat
denkbar schlecht begonnen, stundenlang wurde der Gipfelbeginn nach hinten
verschoben, dann hat man begonnen ohne ein Kompromisspapier. Was bedeutet
denn das jetzt für den EU-Gipfel?
Löw Raimund (ORF)
Diese Langzeitbudgets der Europäischen Union waren immer eine schwere
Geburt, jetzt kommen die Probleme der knappen Kassen in den
Mitgliedsstaaten aufgrund der Finanzkrise dazu. Das macht die Sache noch
viel komplizierter. Die Diskussion wäre wahrscheinlich leichter, wenn es
mehr direkte Einnahmen für die Europäische Union gäbe, die sind diskutiert
worden im Zusammenhang mit der Finanztransaktionssteuer. So weit ist man
aber nicht, es sind jetzt eben Mitgliedsbeiträge aus den Staatshaushalten
der Mitgliedsländer, die die EU finanzieren. Wenn David Cameron sagt, er
möchte weit unter diese magische Grenze von 1 000 Milliarden Euro über
sieben Jahre kommen, dann kommt das Gegenargument von Frankreich, auch vom
Parlamentspräsident Schulz, dass davon vor allem jene Bereiche getroffen
werden, wo man in neue Richtungen gehen will, Forschung, Bildung, auch
Außenpolitik. Das heißt, es wäre nicht nur ein kleineres Budget, sondern es
wäre dann auch ein Budget, das weniger modern ist und da kommt man zur Zeit
wirklich nicht zueinander.
Gadenstätter Lisa (ORF)
Ratspräsident Van Rompuy hat heute gesagt, aber es muss ein Kompromiss
gefunden werden. Wie kann denn so ein Kompromiss ausschauen?
Löw Raimund (ORF)
Wenn man an der Obergrenze nicht zusammenkommt, kann man vielleicht etwas im
Bereich der Flexibilität tun. Es ist ja so, dass die EU-Töpfe nie ganz
abberufen werden, da bleibt immer etwas übrig. Man könnte die Regeln ändern
und sagen, es ist leichter möglich von einem Topf was in einen anderen Topf
zu transferieren, zum Beispiel in Richtung eines Sozialfonds, der gegen
Jugendarbeitslosigkeit etwas tut. Es wäre auch möglich zu sagen, wenn in
einem Budgetjahr etwas nicht abberufen wird, dass man das in das nächste
Budgetjahr hineinübertragen kann. Da sind Bereiche der Flexibilität, die
oft nach Budgettricks ausschauen, aber so werden ja auch in den
Mitgliedsstaaten die Haushalte oft gebastelt.
Gadenstätter Lisa (ORF)
Die Mitgliedsstaaten wollen natürlich alle ihre eigenen Pfründe sichern. Ein
großes Thema sind auch nach wie vor die Rabatte. Gibt es denn da
irgendetwas Neues, hat sich da schon etwas abgezeichnet, wie es da
weitergeht?
Löw Raimund (ORF)
Da sind die Positionen festgefahren, das britische Unterhaus hat ja gesagt,
ohne eine Fortführung des britischen Rabatts wird es kein Ja zum EU-Budget
geben und da müssen ja alle Mitgliedsstaaten zustimmen, da hat jedes
Parlament sein Veto-Recht. Und der österreichische Rabatt ist ja zu einem
Teil gebunden an den Briten-Rabatt. Die Schwierigkeit ist, dass einige –
dass diese Rabatte von irgendjemand bezahlt werden müssen. Zum Beispiel
Italien sagt, wie kommen wir dazu als wirtschaftlich schwächeres Land die
Rabatte stärkerer Länder zu finanzieren, in Frankreich, in Spanien gibt es
eine ähnliche Diskussion. Dänemark zum Beispiel, das keinen Rabatt hat,
sagt, wir wollen einen Rabatt genauso wie Österreich oder wie die
Niederlande. Das ist eine sehr, sehr gefährliche Diskussion, denn da kommt
man leicht in nationalistisches Fahrwasser. Herman Van Rompuy möchte das
eingrenzen. Ob ihm das gelingen wird, das wird man sehen.