Erdogan, Putin und die Flüchtlingstragödie an der griechisch-türkischen Grenze, aktuelle Analyse

Von einer Beruhigung an der türkisch-griechischen Grenze konnte bis zuletzt nicht die Rede sein. Heute scheint der Tag der großen Diplomatie zu sein. Der türkische Präsident Erdogan besucht Vladimir Putin in Moskau. Ob es heute einen Deal zwischen Erdogan und Putin gibt oder nicht, das wird entscheidend dafür sein, wie es in dieser gesamten Krise weitergeht, und damit auch für die Flüchtlingssituation vor Griechenland. Der türkische Präsident hat ja offen ausgesprochen, er will erreichen, dass ihn die Europäer in Nordsyrien unterstützen. Unter anderem, indem sie Druck auf Putin ausüben, denn die Russen haben dort das Sagen.
Was wir sehen ist ein Machtpoker auf verschiedenen Ebenen zwischen Türken, Russen und Europäer, in dem sind die verzweifelten Menschen vor der griechischen Grenze nur Bauernopfer.
Die tausenden Verzweifelten Menschen werden nicht verschwinden, wenn sich Putin und Erdogan einigen. Aber wenn es einen politischen Kompromiss in Bezug auf Syrien gibt, wird Erdogan auch den Druck von der Grenze zu Griechenland zurücknehmen, vielleicht Busse schicken, um die Menschen zurückzuholen oder auf jeden Fall keine Fahrt an die Grenze mehr ermutigen.
Wenn nicht, wenn keinen Deal gibt zwischen Putin und Erdogan, dann droht sich die Lage weiter zu verschärfen.
Was will denn Erdogan konkret erreichen und was können die Europäer tun?
Putin ist in einer starken Position. Es geht um Idlib, die letzte Rebellenprovinz in Syrien. Die Provinz ist eineinhalb Mal so groß wie das Burgenland, dort leben 4 Millionen Menschen und eine Millionen sind Flüchtlinge, die in Richtung Türkei drängen. Und es wird gekämpft. Die syrischen Regimeleute sind dort, türkische Militärs, fundamentalistische Rebellen, die Russen.
Die Russen haben erst in den letzten Tagen Nachschub geholt aus Russland für ihre Truppen in Syrien. Die Türken wissen das, denn diese Schiffe sind durch den Bosporus gekommen, der Bosporus gehört zur Türkei, auf beiden Seiten, da waren türkische Lotsen dabei. Und der russische Nachschub über die Luft ist ebenfalls durch türkischen Luftraum transportiert worden.
Die Türkei will einen Waffenstillstand in Idlib. Das ist auch im Interesse der Europäer. Erdogan will aber gleichzeitig seine Soldaten dort belassen, ein paar tausend Mann auf einem Dutzend Stützpunkten.
Unterstützung kommt aus Berlin. Kanzler Merkel will, dass Russland und die Türkei sich auf eine Schutzzone für Flüchtlinge einigen, um die nicht gekämpft wird. Die deutsche Verteidigungsministerin AKK hat sogar einmal deutsche Soldaten für eine solche Schutzzone angedacht.
Das ist eine gute Idee, aber das Kräfteverhältnis vor Ort war bisher nicht so, dass man den Eindruck hatte, Putin wird gewillt sein, darauf einzugehen. Aber noch weiß man nicht, was in Moskau herauskommt.
Für das grüne Licht der Türkei für Flüchtlinge in Richtung Griechenland hat es harte Worte aus Europa gegeben. Von Erpressung war die Rede, die zurückgewiesen werden muss. Andere haben mehr Verständnis für Erdogan und sprechen gar von Notwehr, was ziemlich verharmlosend ist.
Flüchtlinge einfach an eine Grenze zu lassen oder sogar hinzubringen, von der man weiß, dass sie gesperrt ist, das ist natürlich ein zynischer Schritt. Aber leider muss man sagen, mit dem Mißbrauch von flüchtenden Menschen um politische Ziele zu erreichen, das kommt in der Weltpolitik immer wieder vor.
In Kuba hat Fidel Castro einmal sogar die Gefängnisse geöffnet, damit die Menschen nach Florida fliehen können, um Druck auf die USA auszuübern.
Die tausenden Menschen in griechischen Flüchtlingslagern in Lesbos und anderen griechischen Inseln, sind in katastrophalen Bedingungen dort gehalten. Darunter viele Familien mit Kindern. Die Zustände dort sind nicht deshalb so, weil der griechische Staat oder Europa unfähig sind Unterkünfte zu bauen oder Ärzte hinzuschicken. Sondern diese Zustände sind so katastrophal, weil man Flüchtlinge abschrecken will. Experten sagen, das ist unausgesprochen das politisches Ziel, und die Menschen dort sind die Opfer.
Der österreichische Bundespräsident regt an einige Menschen nach Ö zu holen, wo die Flüchtlingsheime leer sind, das wird von der Regierung abgelehnt. Das hat auch politische Gründe, nicht technische, die Flüchtlingsheime sind leer.
Wenn man etwas für die Menschen tun will, hat Polemik oder heftige Kritik an Erdogan wenig Sinn. Das befriedigt manche Teile der Öffentlichkeit in Europa, wird aber an der Situation nichts ändern, vor allem an der Situation der Flüchtlinge nicht.
Man darf sicher die Lage an der griechisch-türkischen Grenze nicht isoliert sehen. Grenzschutz kann natürlich eine Rolle spielen, aber mit ein paar Polizisten wird man dieses Problem nicht in den Griff bekommen.
Es wird kein Weg daran vorbei führen den Flüchtlingsdeal mit der Türkei erneuern, das ist die einzige Möglichkeit.
Ich weiss, es gibt die Kritik, dass sich die Europäer damit Erdogan ausliefern. Die Wirklichkeit ist: ausgeliefert, wenn man dieses Wort verwenden will, sind die Griechen und Europäer der Geografie. Die Türkei ist Nachbar, mit allen ihren Problemen. Und Deals mit Nachbarn muss man immer schließen. Ob einem die sympathisch sind oder nicht.
Die Türkei hat ein legitimes Interesse, dass die Flüchtlingssituation nicht ausschließlich als ihre Angelegenheit angesehen wird, sondern dass die Europäer sich auch zuständig fühlen. Nicht nur die Türkei sagt, dass bei der Unterstützung der Flüchtlinge in der Türkei durch die EU einiges offen gelassen wurde. Es ist weniger Geld geflossen, als ausgemacht wurde, an die die Flüchtlinge, damit sie sich selbst versorgen können, oder in Schulen in den Flüchtingscamps. Da werden die Europäer nachlegen müssen, der Deal, der jetzt ausläuft, muss erneuert werden.
Wenn man die Krise herunterfahren will, wird daran kein Weg vorbei führen.
Und einige Staatsmänner in Europa finden, das auch humanitäre Gesten in Richtung Griechenland angebracht sind. Wir haben das gehört, der ö Bundespräsident sagt man könnte aus den griechischen Flüchtlingslagern Bedürftige herausholen. Der deutsche Innenminister Seehofer versucht eine Koalition der Willigen zusammen zu stellen. Österreich sagt bisher nein, aber da ist einiges in Bewegung.

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