Zur State of the Union Rede von Donald Trump ist es diese Woche ein holpriger Weg gewesen. Wegen der Budgetblockade verweigerte die Demokratische Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi dem Präsidenten anfangs sogar den Zugang zur großen Bühne im Kongress. Schon in wenigen Wochen könnte es neuerlich zu einem Shutdown kommen, wenn es keine Einigung über das Budget gibt. Viele Kommentatoren sind der Meinung, dass Trump mit seiner Rede in Wirklichkeit den Wahlkampf für seine Wiederwahl 2020 begonnen hat.
In der aufgeheizten politischen Atmosphäre wird Bundeskanzler Kurz diesen Monat in Washington zu einem Besuch bei Donald Trump erwartet. Zuletzt war ja Wolfgang Schüssel im Weißen Haus, noch früher Franz Vranitzky, das war die Zeit der Auseinandersetzung um Kurt Waldheim und dann bei Schüssel die Zeit nach dem Irakkrieg. Was wird denn diesmal bei Kurz im Zentrum stehen?
Es ist den Amerikanern immer wichtig, mit allen in Kontakt zu sein in Europa, nicht nur mit den Größeren Staaten. Weil man weiß in Washington, beim Meinungsbildungsprozess in Europa, spielen auch die Kleineren eine Rolle. Auch in Fragen, die für Amerika wichtig sind.
Trump hat amerikanische Botschafter in Wien und Berlin, die ihm politisch sehr nahe stehen. Von beiden weiß man, dass sie Kurz politisch interessant finden, weil er im bürgerlichen Lager einen anderen Kurs als Angela Merkel vertritt, gegenüber Rechtspopulisten und auch in der Migrationspolitik. Das spielt sicher auch eine Rolle.
Kurz kommt auf jeden Fall in eine turbulente Zeit nach Washington. Das Treffen ist am 20.Februar geplant. Genau 5 Tage vorher, am 15.Februar könnte es wieder einen Shutdown geben. Und eine Woche später trifft Trump den Nordkoreaner Kim Jong Un in Vietnam.
Das werden sicher alles Themen sein.
Was die Österreicher ganz besonders interessieren wird, das ist die Frage, wie ein Handelskrieg vermieden werden kann. Die amerikanischen Drohungen auch gegenüber Europa sind ja noch nicht völlig vom Fenster. Höhere Einfuhrzölle auf Autos, das würde auch die österreichische Zulieferungsindustrie hart treffen.
Trump lässt sich in Handelsfragen durchaus auch durch persönliche Begegnungen leiten. Es wird ein spannender Termin.
Die State of the Union vor beiden Häusern des Kongresses ist immer großes Theater in der amerikanischen Politik. Wie stark war die angespannte Stimmung in der amerikanischen Innenpolitik beim Auftritt Trumps in Saal zu spüren?
Es war das auch diesmal politisches Theater. Aber doch in einer sehr ungewohnten Weise. Weil sich gezeigt hat, wie gespanten Amerika ist.
Üblicherweise springt bei jedem zweite Satz des Präsidenten der ganze Saal auf um zu Klatschen. Das ist irgendwie eine patriotische Leibesübung der Abgeordneten und Senatoren. Das war diesmal nicht der Fall. Die Demokraten sind diesmal fast immer demonstrativ sitzen geblieben.
Nancy Pelosi, die demokratische Parlamentspräsidentin, ist ja jetzt die große Gegenspielerin für den Präsidenten. Sie ist die ganze Zeit hinter Trump gesessen, mit einem ironischen Gesichtsausdruck. Sie ist nur ein einziges Mal aufgestanden, wie Trump die vielen Frauen im Saal gelobt hat. Das sind aber fast immer nicht seine Republikaner gewesen, sondern oppositionelle Demokraten.
Und die weiblichen Abgeordneten der Demokraten waren fast alle weiß gekleidet, zur Erinnerung an die Sufragetten, die vor 100 Jahren in weißen Kleidern für das Frauenwahlrecht gekämpft haben. Es war auch optisch ein Zeichen, dass Trump keine leichte Zeit bevorsteht.
2020 stehen die nächsten Präsidentschaftswahlen bevor. Trump steht vor dem zweiten Teil seiner Amtszeit. Wie stehen die Chancen für seine Wiederwahl aus heutiger Sicht? Lässt sich das abschätzen?
Eine Wiederwahl wird für Trump nicht einfach, weil er von großen Teilen der Bevölkerung total abgelehnt wird. Die Trump-Fans machen etwa 35 Prozent der Bevölkerung aus, das wird nicht reichen. Aber andererseits: ein Drittel der Wähler, das ist eine solide Basis, von der er ausgehen kann.
Ob ihm eine zweite Amtszeit gelingt, das hängt von zwei Faktoren ab: hält ihm die Republikanische Partei die Stange? Bisher war das der Fall. Wenn sich das ändert und es zum Beispiel einen Herausforderer oder eine Herausforderin gäbe, die in den Vorwahlen gegen ihn antritt, dann wäre das schlagartig eine andere Situation.
Und natürlich wird es davon abhängen, wen die Demokraten aufstellen. Da haben sich schon ein Dutzend Senatoren und Abgeordnete gemeldet, die jetzt in den Vorwahlen gegeneinander antreten werden. Es sind viele Frauen dabei, auch viele schwarze Politiker und sie sind zumeist klar links positioniert, was ungewöhnlich ist für das politische Leben in den USA.
Und natürlich muss man den Untersuchungsbericht über die Russlandkontakte des Trumpteams abwarten, der wird in wenigen Wochen erwartet und er kann noch einiges durcheinander bringen.
Wie geht denn die Auseinandersetzung um die Mauer weiter, die Trump an der Grenze zu Mexiko bauen will. Der Disput um die Mauer war ja der konkrete Anlass für die Budgetblockade. Ist irgendein Kompromiss in Aussicht?
Nein, das ist eine verfahrene Situation. Trump hat wieder und wieder gesagt, auch in seiner Rede, dass es diese Mauer geben soll.
Die Wirklichkeit ist: Eine Mauer gibt es ja längst, oder diverse Zäune und andere Grenzsperren über ein Drittel der Grenze, etwa 1000 Kilometer. Die anderen zwei Drittel sind Wüste und unwirtliches Terrain, da sagen vielen Experten der Bau von physischen Grenzbefestigungen ist teuer und bringt wenig. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht.
Die Mauer ist ein Symbol geworden, für Trump und seine Antieinwanderungspolitik, und die Demokraten, die auf einen humanen Umgang mit Einwanderern pochen.
Und er hat von der angeblichen akuten Bedrohung an der Südgrenze durch Flüchtlinge gesprochen, ganz ähnlich wie bei uns in Europa die Rechtspopulisten. Obwohl die wirklichen Zahlen das nicht bestätigen, ist die Einwanderungsfrage ein großes politisches Thema.
Interessant sind neue Erkenntnisse über diese Flüchtlingskaravanen aus Zentralamerika, die vor ein paar Wochen Schlagzeilen gemacht haben. Journalisten haben herausgefunden, dass in Honduras die Menschen vor dem Terror von kriminellen Gangs flüchten, die aus den USA gekommen sind, weil sie vor einiger Zeit aus Los Angeles und anderen Städten abgeschoben wurden.
Es zeigt sich, wenn die Behörden glauben, sie können ein Sicherheitsproblem lösen, in dem sie einfach Leute abschieben, das dann das Problem nicht aus der Welt verschwindet, sondern dass solche Abschiebungen eine zusätzliche Belastung für die Länder sind, in die abgeschoben wird, was dann wieder eine neue Fluchtbewegung auslöst.
Aber das sind Zusammenhänge, die für Trump keine Rolle spielen. Er setzt darauf, dass sich seine Polemik gegen Einwanderer für ihn politisch bezahlt macht. Und diese Mauer steht dabei im Zentrum.