Das Desaster Venezuelas und die Pläne Donald Trumps

In den USA warnen linke Intellektuelle vor einer Intervention der Trump Administration in Venezuela. Die demonstrative Unterstützung aus Washington für den 35-jährigen Oppositionsführer Juan Guaido, der sich selbst zum Präsidenten des Landes erklärt hat, drohe die Krise zu verschärfen. 70 amerikanische Lateinamerikaexperten fordern einen Dialog zwischen der Opposition und dem Maduro Regime in Caracas.
Ähnlich argumentiert der sozialistische US-Senator Bernie Sanders. Wir müssen die Gewalt gegen friedliche Demonstranten verurteilen, schreibt der ehemalige Präsidentschaftskandidat. Sanders erinnert an die lange Geschichte verhängnisvoller nordamerikanischer Interventionen in Lateinamerika: Chile, Guatemala, Brasilien und die Dominikanische Republik. Diesen Weg dürfen wir nicht gehen, so Sanders.
Venezuela ist ein politisches Desaster nicht nur für die Linke in Lateinamerika sondern für antikapitalistische Politik weltweit.
Seit der Machtübernahme des Volkstribuns Hugo Chavez 1999 sind aus Venezuela Erdöl und Cash an ähnlich gesinnte Regierungen in Kuba, Bolivien, Ekuador und Nikaragua geflossen. Fidel Castro revanchierte sich, in dem er Chavez ihre Ärzte und Sicherheitsleute schickte. Von Gesundheitskliniken in den Slums und billigen Lebensmitteln profitierten die ärmsten Bevölkerungsschichten.
Die antiimperialistische Rhetorik des charismatischen Hugo Chavez begeisterte auch in Europa. Gregor Gysi in Deutschland, Jeremy Corbyn in Großbritannien und Jean-Luc Melenchon in Frankreich schwärmten von einer in Venezuela angeblich praktizierten Alternative zum Neoliberalismus. Es war eine Illusion.
2008 begann der Verfall der Rohstoffpreise. Chavez, der sich mehr auf den Freiheitshelden Bolivar berief als auf Karl Marx, ging das Geld aus. Unter Nicolas Maduro, der dem an Krebs verstorbenen Chavez folgte, schlugen die von den westlichen Bewunderern übersehenen negativen Charakteristika des Regimes voll durch: unglaubliche Misswirtschaft, durchgängige Korruption und die autoritäre Repression von Kritikern. Das von Hugo Chavez geschaffene System erweis sich als unfähig verheerende Fehlentwicklungen zu korrigieren. Die meisten kubanisch geführten Gesundheitskliniken sind verfallen.
Die Wirtschaftsleistung Venezuelas ist um fast 50 Prozent gesunken. Für Friedenszeiten ein beispielloser Niedergang. Die elementare Versorgung der Bevölkerung ist nicht mehr gesichert. Drei Millionen Bürger sind geflüchtet.
Ein Regime, das solche Verwüstungen anrichtet, hat seine Legitimation verloren. Der Chavismo ist gescheitert, so wie linke und rechte autoritäre Regierungen in anderen Ländern auch. Das Land braucht einen Neuanfang ohne die korrupte Führungsmannschaft, die sich mit antiimperialistischen Phrasen an die Macht klammert.
Ob der junge Juan Guaido, der sich zum Präsidenten erklärt hat, den Wechsel bringen kann, ist offen. Das Land hat jetzt zwei rivalisierende Präsidenten und zwei Parlamente. Die regimetreue Verfassungsgebende Versammlung wird von den Oppositionsparteien boykottiert. Die von den bürgerlichen Oppositionsparteien dominierte Nationalversammlung, die durch Maduro entmachtet wurde, blieb bestehen, verfügt aber über keinen Einfluss im Staat. Es entwickelt sich eine Situation der Doppelherrschaft.
Noch hält das Militär dem Regime Maduro die Stange. Dem bürgerlichen Herausforderer Guaido fehlt ein Deal mit den Streitkräften, ohne den ein demokratischer Übergang unmöglich sein wird. Der internationale Druck aus den USA und Europa zielt darauf ab, die Militärs zum Seitenwechsel zu bewegen oder zu spalten.
Eine wachsende Rolle spielen geopolitische Rivalitäten. Russland und China haben Venezuela viele Milliarden geliehen, die bei einem Regimewechsel gefährdet sind. Putin hat russisches Sicherheitspersonal geschickt, das für die persönliche Sicherheit Maduros sorgen soll. Kuba wird alles tun, um seinen Verbündeten mit dem vielen Öl nicht zu verlieren. Trump wiederum schließt ein militärisches Eingreifen nicht aus. Die Unterstützung der USA für den Herausforderer könnte zu einem Machtkampf zwischen den Großmächten um Venezuela führen.
Der einzige linke Politiker, der in Lateinamerika zuletzt erfolgreich war, ist Mexikos neuer Präsident Andres Manuel Obrador. Obrador hat sich im Wahlkampf gegen den Vorwurf wehren müssen, dass er Mexiko auf den Weg Venezuelas bringen will. Jetzt ruft er dazu auf, eine Eskalation in Richtung Bürgerkrieg zu verhindern. Europa spielt nur eine Nebenrolle. Aber auch die linken Regierungen in Athen und Madrid lassen Maduro fallen.
In den osteuropäischen Volksdemokratien ermöglichten 1989 runde Tische den friedlichen Übergang zur Demokratie. Der Neuanfang funktionierte, weil Moskau unter Gorbatschow mit sich selbst beschäftigt war. Für Lateinamerika und Venezuela gilt: der Hegemon USA richtet die geringsten Schäden an, wenn sich Washington zurückhält.

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