Die Spionagesoftware Pegasus und wir – Analyse im Falter Maily

Der Fall Pegasus zieht immer weitere Kreise. Sie haben das sicher mitbekommen: Mit einer supertollen Spionagesoftware namens Pegasus, entwickelt von einer israelischen Firma, sind die Handys von Tausenden, vielleicht zehntausenden Personen weltweit infiziert worden. Infiziert heißt in dem Fall, dass Geheimdienste oder sonstige Sicherheitsorgane Journalisten in Ungarn, den Präsidenten in Frankreich oder den Oppositionsführer in Indien angreifen wollen (ist alles passiert), indem sie das Handy des Bespitzelten zu einem Abhörgerät umfunktionieren. Ohne Wissen des Besitzers werden Mikrofon und Kamera des Handys gestartet. Der Geheimdienst hört und sieht mit. Versteht sich von selbst, dass die Angreifer E-Mails, SMS, Fotos und sonstige Daten vom infizierten Handy absaugen.

Jeden Tag erreichen uns neue Hiobsbotschaften, wieviele hochrangige Oppositionelle, Regierungspolitiker, Journalisten und Anwälte in der ganzen Welt mit der Spionage-App Pegasus angegriffen wurden. Darunter die bereits erwähnten indischen Oppositionspolitiker, ein dutzend französische Amtsträger, der mexikanische Präsident sowie ungarische Regierungskritiker. Das Besondere: Hinter diesen Angriffen stecken nicht böse Hacker aus China oder Russland, sondern hochoffizielle Geheimdienste und Polizeiorgane, denen die Israelis die Lizenz für Pegasus verkauft haben.

„Die Israelis“, das ist in diesem Fall die auf digitale Waffen und militärische Spionageprodukte spezialisierte Firma NSO, in der viele auf digitale Kriegsführung spezialisierte ehemalige Militärs arbeiten. Die Lizenzen für die Spionagesoftware Pegasus vergibt NSO mit Genehmigung der israelischen Regierung, schreibt der Guardian. Ex-Premier Netanjahu hat offenbar bei einem Besuch in Budapest Orbán von der Wunderwaffe vorgeschwärmt. Pegasus soll eine Waffe gegen Kriminelle und Terroristen sein. Das Abhören von Journalisten, wie das offenbar Ungarn tut, ist klarer Missbrauch. Aber wirklich wundern kann das niemanden: Polizeibehörden, die ein neues Spielzeug zur Überwachung in die Hand bekommen, erliegen nicht gerade selten der Versuchung zur übertriebenen Neugierde, wenn es keine strengen Kontrollen gibt.

Die Informationen über die weltweite Verbreitung von Pegasus wurden einem französischen Recherche-Team namens „Forbidden Stories“ zugespielt und von dem auf Hightech spezialisierten Security Lab der Menschenrechtsorganisation Amnesty International untersucht. Der britische Guardian, Le Monde, die Süddeutsche Zeitung und andere Weltblätter waren in die Recherchen eingebunden. NSO selbst eiert herum und sagt, die große Zahl abgehörter Handys sei unglaubwürdig. In der Süddeutschen Zeitung waren die Kollegen Frederik Obermaier und Bastian Obermayer zuständig, die gemeinsam mit dem Spiegel und dem Falter Straches Ibiza-Video an die Öffentlichkeit gebracht haben. 

Ganz überraschend ist es nicht, dass Handys zu Abhörgeräten umfunktioniert werden können. Ihr Mailyschreiber hat als Korrespondent in China bei Besuchen in der EU-Botschaft in Peking das Handy immer brav in einem Schließfach beim Eingang deponiert, bevor es Hintergrundinformationen des Botschafters gab. Man machte sich Sorgen über das digitale Manipulations-Know-How der Chinesen. Ein ähnliches Prozedere gab es bereits vor Jahren im Bürogebäude der EU-Nachrichtenleute in Brüssel. Mit dem Erfolgsprodukt Pegasus macht NSO, das Starunternehmen des israelischen militärisch-technologischen Komplexes, seit fünf Jahren glänzende Geschäfte.

Der Pegasus-Skandal wird uns mit seinen vielen rechtsstaatlichen, geopolitischen und technischen Aspekten noch länger beschäftigen. Edward Snowden hat vor Jahren aufgedeckt, dass der US-Geheimdienst NSA weltweit Benutzer von E-Mail-Diensten und Handy-Verbindungen bespitzelt, unter anderem indem man die Unterseekabel anzapft, die große Server verbinden. Der Aufdecker befindet sich bis heute im russischen Exil. Snowden verlangt angesichts der Ausmaße des Pegasus-Skandals ein Moratorium für Geschäfte mit Spionagesoftware, bis sich die Staatengemeinschaft auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln geeinigt hat.

Leider nicht sehr realistisch, aber schön wär’s!

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