China: Suche nach diplomatischen Zwischentönen, Falter Maily 5.11.2023

In diesen,– mit den Kriegen in Gaza und der Ukraine,– grimmigen Tagen ist man als international orientierter Journalist für Abwechslung jeder Art dankbar. Den bot vergangenen Freitag die neue chinesische Botschafterin Qi Mei in Wien. In der Corona-Pandemie waren die Botschaften der Volksrepublik fest verschlossen gewesen. Der Meinungsaustausch mit Experten war unterbrochen. Jetzt bemüht sich China wieder um ein besseres Image in Europa.

Eingeladen zum Mittagessen mit der chinesischen Spitzendiplomatin hatte die Austrian Chinese Business Association ACBA, die sich für eine Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zum Reich der Mitte einsetzt. Präsident ist der Anwalt Georg Zanger.

Georg Zanger ist für sein Engagement gegen Rechtsextremismus bekannt, er hat Prozesse gegen FPÖ-Politiker angestrengt. Jetzt macht er Lobbying für Peking. Im Republikanischen Club in Wien waren wir uns vor Jahren bei einer Diskussion über die Polizeistaatsmethoden gegenüber den Uiguren ganz und gar nicht einig gewesen. Trotzdem kann ich als Journalist an dem Treffen mit der Botschafterin teilnehmen. Die berüchtigten Anhaltelager in Xinjiang seien inzwischen geschlossen worden, versichert Georg Zanger.

Botschafterin Qi Mei geht es vor allem um eine Botschaft: Die Wirtschaft Chinas hat die Flaute der Corona-Zeit überwunden und wächst wieder, sogar stärker als jene in Europa und den USA. Wenn die Europäer bei den Wirtschaftsbeziehungen auf der Bremse stehen, verpassen sie die Chance für gute Geschäfte. Die EU irrt, wenn sie von einer Rivalität der politischen Systeme mit China spricht, sagt Qi Mei. Peking will Partnerschaft und keinen Protektionismus.

Dass die Europäische Kommission gegen chinesische Elektroautos vorgehen will, findet die Botschafterin unverständlich. Schließlich machen E-Autos aus China auf dem europäischen Markt nur 8 Prozent aus, auch die US-Firma Tesla produziert ihre Elektroautos im Reich der Mitte. Billigere Elektroautos würden tatsächlich helfen, die Klimaziele der EU zu erreichen.

Chinas Präsident Xi Jinping ist weltpolitisch mit Wladimir Putin verbündet. Immer wieder gab es Hoffnungen, dass die Volksrepublik auf Russland mäßigend einwirken könnte. In absehbarer Zeit wird es dazu kaum kommen.

Ich will von Botschafterin Qi Mei wissen, ob die Krim und die anderen von Russland annektierten Teile der Ukraine aus chinesischer Sicht jetzt zur Ukraine gehören oder zu Russland? Das lässt sich nicht mit einem Satz beantworten, gibt die Botschafterin zu. China ist dafür, die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten hochzuhalten – der Punkt geht offenbar an Kiew. Aber auch Sicherheitsbedürfnisse der betroffenen Staaten müssen respektiert werden, sagt die Botschafterin – damit hält man Moskau die Stange. Für die Zukunft bleiben alle Türen offen.

Und wie ist das im Nahen Osten? China hatte einen spektakulären Erfolg bei der Versöhnung der Erzfeinde Saudi Arabien und Iran. Ist die Hamas aus chinesischer Sicht eine Terrororganisation und ist Israels Gazakrieg legitime Selbstverteidigung, will ich wissen? Auch hier ist eine Antwort in einem Satz nicht möglich, sagt die Botschafterin, weil es sich um einen über so lange Zeit ungelösten Konflikt handelt. China verurteilt die Angriffe gegen Zivilisten auf allen Seite und setzt auf die Vereinten Nationen, die einen Waffenstillstand und die Einhaltung der Menschenrechte fordern. Die humanitäre Situation in Gaza müsse ganz besonders beachtet werden.

Dass Diplomaten in Wien gegenüber Journalisten mit überraschenden News aufwartet, ist nicht zu erwarten. Ich finde einen direkten Austausch offizieller Positionen trotzdem immer einen Gewinn. Die amerikanische Botschafterin Victoria Kennedy erwarten wir in zehn Tagen im FALTER Radio. Die Botschafter Israels, David Roet, und Palästinas, Salah Abdel Schafi, waren vergangene Woche dort zu Gast. Die ausführlichen Interviews haben zumindest geholfen, die Fronten in der aktuellen Tragödie besser zu verstehen.

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