9/11 – Guantanamo ist geblieben

  Das Gefangenenlager von Guantanamo gehört zum vergifteten Erbe des Krieges gegen den Terror, mit dem die USA  auf die Anschläge des 11.September 2001 reagiert haben. Die ersten Insassen waren Anfang 2002 auf den amerikanischen Marinestützpunkt gebracht worden. Die Bilder von der Einlieferung der Terroristen in  orangen Gefängniskleidern  gingen um die Welt. Innerhalb weniger Monate wurden  Afghanen, Jemeniten, Saudis, Uiguren  und Angehörige anderer Nationalitäten  in den einzigartigen  Hochsicherheitsgefängniskomplex auf Kuba transportiert. Folter durch den CIA war erlaubt. Der amerikanische Rechtsstaat gilt nicht auf dem exterritorialen Territorium. Guantanamo wurde zum Zeichen, dass die USA den Kampf gegen islamistische Terroristen ohne Rücksicht auf die Menschenrechte führen.

  Nach mehreren Anläufen zur Schließung, ist das Gefangenenlager noch immer in Betrieb. Die meisten früheren Insassen wurden freigelassen oder in Gefängnisse der Herkunftsstaaten überstellt. Drei der verbliebenen 39 Gefangenen stehen dieser Tage vor einem  Militärgericht. Sie werden beschuldigt 2002 einen Anschlag mit 200 Opfern gegen Touristen auf der indonesischen Ferieninsel Bali organisiert zu haben. Richter, Staatsanwälte und zahlreiche Verteidiger sind US-Militärs in Uniform.

  Ein halbes Dutzend Prozesse  hat es in Guantanamo gegeben. Verurteilungen waren selten, auch weil sich auch die amerikanische Militärjustiz schwer tut mit Geständnisse, die unter Folter erzwungen wurden, umzugehen. Die Ausnahmedekrete, mit denen die Regierung Bush dem CIA Waterboarding und andere  folterähnliche Methoden erlaubt hat, sind in normalen Zeiten selbst für das Anti-Terror-Rechtssystem inakzeptabel.

  Dass es überhaupt zu üblicherweise verbotenen  Verhörmethoden  gekommen ist, hängt mit der Panik in der amerikanischen Führung nach dem 11.September zusammen. Der Schock des Angriffs aus heiterem Himmel auf heimischem Boden  saß tief. Die  US-Regierung glaubte, dass noch eine ganze Reihe weiterer vergleichbarer Attacken bevorstehen. In der Öffentlichkeit wurde über eine schmutzige Bombe spekuliert, die radioaktives Material über einen konventionellen Sprengsatz verbreitet. Die Anhänger von Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld argumentierten, jedes Mittel müsse recht sein, um von Gefangenen Informationen über weitere Anschläge zu erhalten. Es stünden tausende Menschenleben auf dem Spiel.

     In der Realität war die Bedrohung geringer als befürchtet. Dass die Folter Amerika sicherer gemacht hat, können auch die Protagonisten von einst nicht beweisen.

Das Gefangenenlager liegt am Rande des Marinestützpunktes Guantanamo, den die USA seit Anfang des 20.Jahrhunderts  auf Kuba betreiben. Mit Sondergenehmigung des Pentagon ist auch europäischen Journalisten ein Besuch möglich. Man befindet sich in einer weitläufigen US-Militäranlage. Mit McDonalds, Shopping Malls und Sportanlagen für die Angehörigen der Navy. Zu den Wachtürmen des Gefangenenlagers, schwer bewaffnet und rund um die Uhr besetzt, fährt man im Konvoi. Mit Gefangenen sprechen durften Reporter nie. Die häufig wechselnden Gefängniskommandanten betonten gerne, dass unzulässige Verhörmethoden, sprich Folter, längst der Vergangenheit angehörten.    

  Guantanamo war die Endstation eines monatelangen Pendelverkehrs verdeckter CIA-Flüge. Echte und angebliche Al Quaida-Gefangene wurden über den halben Globus transportiert. Geheime Gefängnisse in Polen und Rumänien sowie im irakischen Abu Ghraib waren die Zwischenstationen. Die ganze Operation hatte nur einen Zweck: internationale Terroristen sollten außerhalb des Schutzes der US-Justiz stehen.

 Wer waren die Gefangenen, die der CIA nach  Guantanamo brachte? Zweifelsohne sind zahlreiche Dschihadisten darunter gewesen, Kämpfer der Taliban und von Al Quaida. Nach Angaben der US-Regierung haben Hunderte nach ihrer Freilassung den Kampf wieder aufgenommen. Menschenrechtsorganisationen wiesen nach, dass ein großer Teil Mitläufer waren, die  im afghanischen Chaos von 2002 für Kopfgeld an den CIA verkauft wurden. Tragische Verwechslungen brachten auch völlig Unschuldige in die Hände der Häscher.

  Alle Fakten sind seit langem bekannt. Die US-Regierung hat es trotzdem nicht geschafft das Gefangenenlager zu schließen. Das Guantanamo-Dekret Barack Obamas  wurde vom Kongress blockiert. Amerika  tut sich schwer, mit dem Erbe der Panikattacke von 2001 umzugehen. Aber die Ausnahmegesetze sind ausgelaufen. Die Folter ist wieder abgeschafft.  Der liberale Rechtsstaat hat den Antiterrorkrieg überlebt. Der Selbstkorrekturmechanismus der Demokratie hat funktioniert. Joe Biden muss die Kraft finden, Guantanamo endlich ganz zu schließen.

ZUSATZINFOS

Seit 2002 wurden insgesamte 779 Gefangene auf Guantanamo festgehalten. Sie gelten als „unlawful combatants“, ungesetzliche Kombatanten, denen weder die Rechte von Kriegsgefangenen noch von Untersuchungshäftlingen zustehen.

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