9/11 zwanzig Jahre danach. Streiflichter

In wenigen Tagen jähren sich die Terroranschläge des 11.September 2001 zum zwanzigsten Mal. Mit entführten Passagierflugzeugen haben Terroristen das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington DC angegriffen. Es hieß damals, dass diese  Anschläge die Welt verändert haben. Wie groß ist der Stellenwert von  9/11 jetzt noch, nach 20 Jahren? Und was unterscheidet den 11.September von den zahlreichen anderen Terroranschlägen, die es seither gegeben hat?

  Es sind die  Dimensionen dieses Angriffs, die nach wie vor hervorstechen. Fast 3000 Toten in einer Anschlagserie, das hat es  vor und nach dem 11.September nicht mehr gegeben. Auch dieses diabolische Methode, vollbesetzte Passagierflugzeuge zu entführen und als Waffen einzusetzen bei Selbstmordanschlägen, dazu ist es seither nicht mehr gekommen. Unmittelbar nach dem 11.September sind  Anschläge durch  Flugzeugsentführungen noch einige Male  versucht worden, aber es ist glücklicherweise nie gelungen, weil die Geheimdienste vorinformiert waren und natürlich wegen der strengen Kontrollen, die es an den Flughäfen inzwischen gibt.

Der Stellenwert von 9/11 ist immer noch  groß, auch nach 20 Jahren. Diese Anschläge sind ein Symbol dafür, wie verwundbar  Amerika  ist, und wie verwundbar andere Metropolen sind, auf eigenem heimatlichen Territorium. Es hat sich gezeigt hat auch ohne tolle Waffen und ohne große Streitkraft kann eine kleine fanatisierte Gruppe in unserem Alltag furchtbare Zerstörungen anrichten. Das gilt heute noch.

Außenpolitisch ist es so, dass vieles, was unter Krieg gegen den Terrorismusgelaufen ist, nach 9/11,  wie die Kriege in Afghanistan und auch im Irak geführt wurden, eher die Schwächen der USA gezeigt hat, als die Stärken der USA gezeigt haben.

Der 11.September 2001 ist einer jener Tage, bei dem sich viele Menschen ganz genau erinnern können, wo sie sich befunden haben, wie sie die Nachricht bekommen haben. Wie war das hier in der ZiB-Redaktion des ORF?

Der erste Einschlag am WTC war um 8,45 Ortszeit, das war 14 Uhr 45 unserer Zeit. Ich war damals in der ZiB 2 Redaktion und unsere an dem Tag unsere  Nachmittagssitzungen gegeben für ZiB 1 und ZiB 2, wir ZiB 2 Redakteure sind auf unsere Schreibtische zurückgekehrt und es ist CNN gelaufen. Da haben wir den ersten Einschlag mitbekommen. Die Kollegen der ZiB 1 haben das noch während ihrer Redaktionssitzung gesehen. Es  war sofort klar: ein Flugzeug im WTC, das ist eine riesige Katastrophe, obwohl man nicht völlig ausschließen konnte, dass das ein Unfall war. Und der ORF hat sofort eine Sondersendung begonnen, Minuten später.  Minuten später, mit Hannelore Veith und Eugen Freund damals. Es ist die längste ununterbrochene Livesendung des österreichischen Fernsehens geworden, 43 Stunden lang. Am Abend hat die Zib 2 übernommen, mit Roland Adrowitzer, ich war auch dabei und Hugo Portisch ist dazugestoßen. Mit Schaltungen in die ganze Welt und immer wieder zu den Orten der Katastrophe in Washington und New York. Portisch war sehr klar: Amerika wird hart reagieren, und zwar alleine, ohne Rücksicht auf andere.

Es war völlig klar, dass dieser Tag ein Wendepunkt für Amerika ist und auch für den Rest der Welt. Und schon in dieser Nacht war der Focus ganz stark auf Afghanistan, von wo aus Al Kaida unter dem Schutz der Taliban agiert hat.

Die amerikanische Regierung unter George W.Bush hat in der Folge den sogenannten Krieg gegen den Terror ausgerufen. Es sind  Gesetze verabschiedet worden, die den Sicherheitsbehörden bis dato unbekannte Möglichkeiten zur Überwachung gegeben haben, mit dem Ziel mögliche Terroristen im Voraus zu stoppen. Was ist von diesen Antiterrorgesetzen geblieben?

Geblieben ist natürlich das Sicherheitssystem auf Flugplätzen und für Flüge überhaupt, besonders für Flüge in die USA. Dass man sich da im Voraus registrieren muss, auch wenn man kein Visum braucht, wie Bürger aus Westeuropa. Das ist jetzt durch Covid noch um einiges komplizierter geworden, man kann ja ohne besonderen Grund zur Zeit gar nicht in die USA reisen. Aber sogenannte No Fly Listen, die verhindern, dass man in ein Flugzeug steigt in den USA oder in die USA, wenn irgendein Terrorverdacht behauptet wird, das gibt es noch immer.

Die Überwachung hat natürlich drastisch zugenommen. Mit Kameras, bei Amtsgebäuden. Aber viele Antiterrorkompetenzen der Behörden haben eine zeitliche Beschränkung gehabt und sind  nach 10 Jahren ausgelaufen oder nur in abgeschwächter Form weitergeführt worden.

  Und die Feindseligkeit gegenüber Muslimen hat deutlich zugenommen, nach 9/11 in den USA und den verschiedenen Anschlägen in Europa.

Da hat sich einiges verschoben und der Ausgangspunkt war 9/11.

Eine Folge des amerikanischen Antiterrorkrieges war die Errichtung des berüchtigten Gefangenenlagers Guantanamo. Schon Obama wollte das Lager schließen, was ihm aber nicht gelungen ist. Was ist heute noch übrig von Guantanamo?

Dass George W.Bush bei Verhören von Terrorverdächtigen auch Folter zugelassen hat, das ist später in der Präsidentschaft von Bush  abgestellt worden und es gilt heute als Schandfleck im Antiterrorkampf der USA.  Die Foltermethoden des CIA sind einige Jahre später wieder gestoppt worden.

Guantanamo ist ja eigentlich ein amerikanischer Militärstützpunkt auf Kuba, und innerhalb dieses Stützpunkte gibt es dieses schreckliche Lager noch immer. Allerdings gibt es fast keine Gefangene mehr. 2002, wie Guantanamo errichtet wurde, gab es 780 Gefangene, jetzt sind nur mehr 39 dort festgehalten. Alle anderen sind unter verschiedenen Titeln freigelassen worden, weil sie unschuldig waren,  oder sind in ihren Heimatländern inhaftiert. Nur einer Handvoll von Gefangenen ist der Prozess gemacht worden.

Alles was rund um Guantanamo passiert ist, ist ein Tiefpunkt für den amerikanischen Rechtsstaat, auch wenn man sich das in Amerika nicht eingestehen will.

Man muss sich das einmal vorstellen: da haben die amerikanischen Militärs Leute aus der ganzen Welt entführt, gekidnappt, weil sie als Terrorverdächtige gegolten haben. Sie haben sie nach Guantanamo und in andere Geheimgefängnisse gebracht, weil das exterritoriales Gebiet ist. Der amerikanische Rechtsstaat gilt dort nicht, weil Guantanamo außerhalb der Grenzen der USA ist. Die Gefangenen haben nicht die Rechte von Kriegsgefangenen und sie haben keine Verteidiger, wie das auf amerikanischen Boden der Fall wäre.

Guantanamo ist sicher ein Menschenrechts Desaster, das zur Sicherheit gegen Terroristen überhaupt nichts beigetragen hat und  der Stellung Amerikas in der Welt sehr geschadet hat.

Warum hat sich die amerikanische Regierung denn zu so extremen Maßnahmen entschlossen, wie Folter und Guantanamo, bei denen doch allen bewusst sein musste, dass die Grenzen des Rechtsstaates überschritten sind?

Klar bewusst war das allen, nicht wenige im CIA haben auch die Sorge gehabt, dass sie juristisch belangt werden können, wenn bei den Verhören Foltermethoden einsetzen.

Dass es überhaupt so weit gekommen ist, zeugt von der Panik, die damals in der amerikanischen Regierung geherrscht hat. Man hat gefürchtet, dass es alle paar Monate Anschläge wie am 11.September geben wird. Und man hat geglaubt, wenn man Druck auf führende Terroristen ausübt, auch mit Foltermethoden, kann man solche Anschläge verhindern.

Das ist eine Erklärung und keine Entschuldigung. Das ganze System hat sich dann verselbständigt, wie vieles im sogenannten Krieg gegen den Terrorismus.

Die große außenpolitische Fehlentwicklung  im Namen des Antiterrorkampfes war dann die amerikanische Invasion des Irak, der ja überhaupt nichts mit den Anschlägen des 11.September zu tun hatte, obwohl das immer wieder behauptet wurde. Und es war das lange Besatzungsregime in Afghanistan, auch lange nach der Zerstörung der Basen von Al Kaida, das ja jetzt zu schmählich ein Ende gefunden hat.  

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