Wie Amerika und China um die Weltmacht kämpfen, 10.6.2020

Während Europa mit den Abstandregeln am Strand und der unkoordinierten Öffnung der Grenzen beschäftigt ist, bringt Corona eine dramatische Verschärfung der Feindseligkeiten zwischen der Volksrepublik China und den USA. Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht verschiebt seit Jahren das Kräfteverhältnis in der internationalen Politik. Die Supermacht Amerika verliert an Gewicht, weil der mit Russland verbündete Wirtschaftsriese China gegenhält.
Unter Donald Trump zerstören die USA das von ihnen selbst aufgebaute System von Allianzen, mit dem noch Barack Obama gehofft hat China in die Schranken zu weisen. Jetzt ist Amerika selbst isoliert. Umso heftiger schlägt die US-Diplomatie mit Drohgebärden um sich. Der Chinesische Volkskongress liefert den Anlass. Im Namen der nationalen Sicherheit verabschiedeten die Delegierten ein Gesetz, mit dem der Freiheitsspielraum Hongkongs deutlich reduziert wird. 2878 Prostimmen gab es, eine Gegenstimme und 6 Enthaltungen. Washington bereitet Sanktionen vor, die an die Zeit des Kalten Krieges erinnern. Die europäischen Verbündeten, die in der Konfrontation mit der Sowjetunion auf der Seite Amerikas gestanden sind, halten sich gegenüber China auffällig zurück. Schritt für Schritt baut sich ein Konflikt zwischen der etablierten Supermacht USA und dem aufsteigenden Rivalen China auf, den Europa nicht ignorieren kann.
Die Sachlage ist klar. Hongkong ist seit der Übergabe 1997 Teil der Volksrepublik China. Weder US-Außenminister Pompeo noch die Hongkonger Demokratiebewegung werden an Chinas Souveränität über die ehemalige britische Kronkolonie etwas ändern. Aber ein Sicherheitsgesetz, das von Peking verordnet ist, widerspricht dem Autonomiestatut, das bis 2047 mit internationalen Verträgen abgesichert ist. Offiziell hatten bisher Polizei und Geheimdienste vom Festland keinen Zugriff auf die widerspenstigen Hongkonger. Dieser Freiraum schwindet.
Der Chinesische Volkskongress ist traditionell eine große Show, auf der die Staatsmacht ihre Erfolge feiert und das Volk auf neue Herausforderungen vorbereitet. Die Richtungsentscheidungen trifft die Kommunistische Partei. 2020 ist das Jahr der Pandemie. Die jährliche Plenartagung musste verschoben werden, erstmals seit Jahrzehnten. Die Masken der Delegierten, die alle Funktionäre außer Präsident Xi Jinping tragen mussten, symbolisieren die Ausnahmesituation. Unter der Führung der Kommunistischen Partei hat China den Krieg gegen die Pandemie gewonnen , während Europa tausende Tote zu beklagen hat und die USA mit dem inneren Chaos nicht fertig werden, lautet die Botschaft der Führung. Die Führung bereitet das Land auf eine lange Phase harter internationaler Auseinandersetzungen vor. Das Sicherheitsgesetz für Hongkong ist Teil einer Gegenoffensive gegen die USA, die sich demonstrativ auf die Seite der jugendlichen Demonstranten in der südchinesischen Metropole gestellt haben.
Hongkong ist seit 1997 Teil der Volksrepublik China, genießt aber demokratische Freiheiten, die von der Kommunistischen Partei auf dem Festland nicht geduldet werden. Die Proteste, mit denen sich jugendliche Demonstranten gegen den wachsenden Einfluss Pekings wehren, sind nach der Darstellung der chinesischen Führung, Versuche der USA China zu schwächen. Mit einer Mischung von Duldung und Repression ist es der lokalen Regierungschefin Carrie Lam nicht gelungen, die Bewegung niederzuwerfen. Der Kommandant der in der Stadt stationierten Soldaten der Chinesischen Volksarmee lässt demonstrativ wissen, dass die Streitkräfte die nationale Sicherheit „entschieden“ verteidigen werden. Bisher hat sich die Volksarmee in die inneren Angelegenheiten der Stadt nicht eingemischt. Die Aktivisten der Demokratiebewegung beschwören das Gespenst einer Niederschlagung der Demokratiebewegung wie beim Massaker am Tiananmenplatz 1989.
In Peking denunziert man die radikalen Oppositionellen gerne als „Terroristen“. Tatsächlich ist es in der Vergangenheit immer wieder zu gewaltsamen Aktionen gekommen. Aber die Forderung nach allgemeinen Wahlen und Schutz vor Übergriffen aus Peking hat zwei Millionen Bürger auf die Straße gebracht. Die letzten Bezirkswahlen vergangenen Herbst brachten einen Erdrutschsieg für die Opposition. Die in Peking verbreitete Version, das alles sei von Amerika ferngelenkt, ist absurd.
Der Chinakorrespondent der New York Times Steven Lee Myers vergleicht Pekings geplanten Schlag gegen die Halbautonomie Hongkongs mit der diplomatischen Sprengkraft, die Russlands gewaltsame Annexion der Krim vor sechs Jahren hatte. Die Eiszeit zwischen China und dem Westen, die einem solche Schritt auch ohne die militärische Dimension von Putins Aktion gegen die Ukraine, folgen würde, hat man in Peking einkalkuliert, analysiert der New
In den USA herrscht Wahlkampf. China Bashing, das verbale Einschlagen auf China, betreiben traditionell beide Parteien. Seinem Konkurrenten Joe Biden wirft Trump jetzt schon vor, dass er als Obamas Vizepräsident einen weichen Kurs gegenüber Peking gefahren hat. Die Administration will Firmen aus Hongkong den erleichterten Zugang auf den amerikanischen Markt streichen. Chinesische Firmen könnte überhaupt der Zugang zu amerikanischen Börsen verwehrt werden. Ein republikanischer Senator möchte gar Schadensersatzforderungen gegen China ins Spiel bringen, weil seiner Meinung nach Peking durch die Fehler zu Beginn der Pandemie an den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise schuld ist.
Starkolumnisten Martin Wolf verweist
Im Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Sowjetblock ging es nicht nur um geopolitische Vorherrschaft.
Gesellschaftspolitische Systeme im Wettstreit gestanden. War bisher zwischen China und USA nicht der Fall, kommt aber jetzt in zunehmendem Maße dazu, wenn China die Unfähigkeit des amerikanischen Systems preist und die USA China Diktatur vorwerfen. Der große Unterschied von damals sind die nach wie vor großen wirtschaftlichen Verbindungen der Volkswirtschaften. Ein totaler Konflikt hätte schwere Folgen. Darauf könnte Europa aufbauen, wenn eigene Stimme erhebt. Im Herbst China-Europagipfel in Deutschland. Dass die Europäer nur ganz vorsichtig China wegen Hongkonggesetz kritisieren, findet der grüne Chinaexperte Büttighofer falsch. Selbständigkeit setzt setzt aber geopolitische Stärke voraus. Zu der muss Europa noch finden, sonst zerrissen von amerikanischen forderungen mitzumachen bei Sanktionen und chinesischen Angeboten zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
2021 100 Jahre KPChina, 2022 Olympische Winterspiele.
Martin Wolf, Großmächterivalität D-GB und CN-USA

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*