Russlands Comeback im Nahen Osten und das Schicksal der syrischen Kurden. Analyse im ORF

Der russische Präsident Putin und der türkische Präsident Erdogan haben in Sotschi eine Verlängerung des Waffenstillstands an der syrisch-türkischen Grenze ausgemacht. Viele sind erleichtert. Die USA haben sogar kurzfristig angesetzte Sanktionen gegen die Türkei wieder aufgehoben. Ist dieser verlängerte Waffenstillstand ein Zeichen der Entspannung?
Die Gefahr eines großen Krieges um diesen türkischen Einmarsch in Nordsyrien ist vorerst gebannt. Das ist schon eine wichtige Wendung. Für die Zivilbevölkerung in der Region heißt das: vorerst keine neuen Katastrophen. Ja jetzt schon 180 000 neue Flüchtlinge. Vielleicht wird sich die Situation für Zivilbevölkerung stabilisieren.
Politisch ist es zu früh von Entspannung zu sprechen, dafür ist zuviel unklar.
Die kurdischen Milizen sind die großen Verlierer. Sie haben sich mit dem Assad Regime verbündet, verbünden müssen, nach dem Abzug der Amerikaner. Das ist eine bittere Allianz. Unter Assad war früher nicht einmal die kurdische Sprache erlaubt. Was von der Selbständigkeit bleiben wird ist unklar.
Dealmaker, das war ganz klar Wladimir Putin. Sieht man nicht nur daran, dass dieser verlängerte Waffenstillstand in Sotschi unter seiner Ägide geschlossen wurde. Sondern auch, dass russische Militärpolizisten in Zukunft gemeinsam mit den Türken an der Grenze patrouillieren sollen.
Wie hat es Putin geschafft, Russland eine derart zentrale Rolle im Nahen Osten zu verschaffen? Die Türkei ist ja nach wie vor NATO-Mitglied, also eigentlich ein Verbündeter der USA und auf türkischem Gebiet gibt es eine hochgerüstete amerikanische Militärbasis. Wie passt das zusammen?
Das passt natürlich überhaupt nicht zusammen.
Auf der Basis in Incirlik gibt es nicht nur amerikanische Kampfflugzeuge, die den Luftkrieg gegen den IS in Nordsyrien geführt haben, sondern auch amerikanische Atomwaffen, die auch gegen Russland gerichtet sind.
Die Westanbindung der Türkei wird durch diese neue Verbindung zu Russland in Frage gestellt. Und das ist eine große Verschiebung. Die Türkei war während des gesamten Kalten Krieges eine stabiler Machtfaktor auf der Seite des Westens.
Damit ist es jetzt vorbei.
Aber Putin hat durch das russische Engagement im Syrischen Bürgerkrieg für Assad den syrischen Bürgerkrieg gewonnen. Russland hat den bestimmenden Einfluss in Syrien. Die westlichen Verbündeten haben verloren. Und der letzte Schritt war der Abzug der Amerikaner aus den Kurdengebieten.
Das war eine echte Stafettenübergabe, in Nordsyrien. Die Amerikaner sind abgezogen, teilweise unter wütenden Protesten der Kurden, die sich verraten fühlen. Und die Russen sind in die verlassenen amerikanischen Militärlager eingezogen. Die Selfies der russischen Soldaten sind in den russischen Sozialen Medien ein Hit.
Die USA sind aus der Region natürlich nicht verschwunden. Man soll nicht übertreiben. Aber in Syrien hat der Westen jetzt keine Machtmittel mehr.
Wie ist denn dann der Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu werten eine internationale Sicherheitszone im Grenzgebiet zu errichten, die zum Teil auch von deutschen Soldaten kontrolliert würde?
Das wäre grundsätzlich keine schlechte Idee, die Kurden würden das sicher begrüßen, wenn sie es irgendwelche internationalen Garantien gäben. Und wenn sie es nicht nur mit Militärs aus für sie feindlichen Ländern zu tun hätten.
Aber in Syrien hat jetzt Russland das Sagen, Putin müsste bereit sein, seinen Einfluss zu teilen mit den Europäern oder anderen. Es ist unklar, warum er das tun sollte.
Eigenartig ist, dass ein solcher Vorstoß zur Internationalisierung von einer Ministerin eines EU-Landes kommt. Eigentlich gibt es ja so etwas wie eine Außenpolitik der EU. Frankreich und GB sind in der Region präsent, auch militärisch. F und GB sind im UNO-Sicherheitsrat vertreten, sie würde man auch brauchen. Hat da in Berlin niemand an eine europäische Dimension gedacht? Aber offenbar ist ja nicht einmal der eigene, der deutsche Außenminister eingebunden gewesen.
Gute Idee, aber professionell ist das nicht abgehandelt worden.
Geht der syrische Bürgerkrieg jetzt zu Ende und was bedeutet diese Entwicklung für die vielen Millionen Flüchtlinge, die in der Türkei, den anderen Nachbarstaaten und auch in Europa leben?
Präsident Erdogan hat die Offensive ja mit dem Argument begründet, dass Millionen Flüchtlinge in der neu eroberten Zone angesiedelt werden sollen. Das war in der Türkei populär.
Zuerst einmal hat dieser Konflikt um Nordsyrien neue Flüchtlinge geschaffen. 180 000 sind es, die nach UNO-Angaben aus dem Grenzgebiet ins Landesinnere geflohen sind.
Erdogan geht es dabei auch darum die ethnische Zusammensetzung im Grenzgebiet zu verändern. Wenn dort statt Kurden Araber leben, dann könnte dieses Gebiet kein Rückzugsgebiet für die kurdischen Untergrundkämpfer auf türkischem Staatsgebiet selbst fungieren. Ob es zu einer solchen Umsiedlung tatsächlich kommen wird, ist sehr fraglich.
Es wird einmal eine internationale Syrienkonferenz geben, mit der dieses ganze traurige Kapitel des Krieges abgeschlossen wird. Bis dann ist aber noch ein weiter Weg. Eine große Widerstandsregion gibt es noch, in Idlib. Dort hat Assad noch nicht die Kontrolle.
Aber wenn es zu einer solche Nachkriegsregelung wird Russland das Sagen haben, vielleicht der Iran, aber nicht die Europäer oder die Amerikaner. Die Amerikaner haben sich durch diesen Verrat an den Kurden durch Donald Trump ziemlich klar aus der Region abgemeldet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*