Rechtsruck auf niederländisch

Geert Wilders, der niederländische Rechtsextreme und bekannte Islamhasser, erschüttert mit seinem Wahlsieg Europa. In Den Haag waren noch nicht einmal alle Stimmen ausgezählt, da jubelte bereits Ungarns Viktor Orban über die „Winde des Wandels“ für den Kontinent. FPÖ-Chef Kickl zeigt sich überzeugt, dass im kommenden Jahr auch in Österreich „alles möglich“ ist.

  Die Niederlande sind ein Gründungsstaat der EU und die sechstgrößte Volkswirtschaft des Kontinents. Wilders hat sich als Provokateur eine Nische in der vielfältigen Parteienwelt geschaffen. Den Koran will er verbieten. Muslime beschimpft er, ihr Glaube sei gar keine Religion. Aus wahltaktischen Gründen hat Wilders seine Hasspredigten  herunter gefahren. Wenn die unterlegenen Parteien der Mitte sich kaufen lassen, kann der Mann mit den platinblond gefärbten Haaren Regierungschef werden.

Geert Wilders Griff zur Macht muss nicht gelingen. Von einer absoluten Mehrheit ist seine Freiheitspartei weit entfernt. In den Niederlanden dauern Koalitionsverhandlungen oft Monate. Vor dem Sommer 2024 wird es kaum ein Ergebnis geben. Die zweitplacierte sozialdemokratisch-grüne Liste  des ehemaligen EU-Kommissars Frans Timmermans, Liberale und Christdemokraten haben es in der Hand das rechtsradikale Abenteuer zu stoppen.  Europa muss hoffen, dass die Barrieren halten, so wie zuvor in Spanien.

Der Nexit, der Austritt der Niederlande aus der Union, gehörte lange zu den Kernideen des Extremisten. Im Wahlkampf spielten sie keine Rolle. Caroline De Gruyter, eine führende Korrespondentin des NRC Handelsblad, ist überzeugt, dass die Rechten Europa inzwischen von Innen umbauen wollen. Wilders reist mit einer ungarischen Frau häufig nach Budapest zu Viktor Orban. Das Ziel ist es gemeinsam mit  Giorgia Meloni und anderen Gleichgesinnten Europa zu einer christlichen Festung umbauen. 

  Die Europawahlen vom Juni 2024 sollen den Umschwung besiegeln. Wilders, Orban&Co sympathisieren mit Russlands Putin und lehnen die Unterstützung der Ukraine ab. Den Klimawandel nimmt man nicht ernst. 

    Für französische oder österreichische Verhältnisse, wo Marine Le Pen und Herbert Kickl in Umfragen auf 30 Prozent kommen, ist der Erfolg Wilders gar nicht so berauschend. Knapp 23,6 Prozent der Stimmen erhielt seine Freiheitspartei PVV. Mit 37 Sitzen liegt Wilders jedoch weit vor den 25 Abgeordneten der sozialdemokratisch-grünen Liste.

      Gegen eine Aufnahme der Freiheitspartei PVV in die  Regierung funktionierte bisher auch bei Liberalen und Christdemokraten ein Cordon Sanitaire. Den hat die bisherige liberale Regierungspartei VVD nach dem Abtritt von Langezeitpremier Mark Rutte aufgegeben, sagt Caroline De Gruyter. Die Barrieren gegen den Hassprediger sind gefallen.  

  Ruttes Nachfolgerin, die türkisstämmigen  Dilan Yesilgöz, fiel durch harte Aussagen gegen Migranten auf. Ein Stopp des angeblichen Flüchtlingstsunamis wurde zu einem Thema des Mainstream. Als Juniorpartner in der Regierung konnte sich die neue Chefin der Liberalen Wilders durchaus vorstellen. Der Tabubruch einer großen Partei der Mitte machte den Außenseiter hoffähig.

  So wie Le Pen in Frankreich gibt sich  Wilders jetzt gemäßigt, weil dort die Stimmen abzuholen sind. Er spricht öfter von überteuerten Wohnungen und dem Gesundheitswesen, als von der Schließung der Moscheen. An die Verfassung will er sich halten.

  Artikel 1 der niederländischen Verfassung verbietet Diskriminierung wegen Religion, Überzeugung, Rasse, Geschlecht, Behinderung oder allen anderen Gründen.

77 Prozent wollen Geert Wilders nicht in der Regierung sehen, auch so kann man das niederländische Ergebnis sehen. Ein bekennender Rassist, der seine gesamte politische Karriere auf Verbalaggressionen gegen eine Volksgruppe aufgebaut hat, sollte nicht Regierungschef sein, fordern Demonstranten.

Beim Dezembergipfel der Europäischen Union wird in Den Haag geschäftsführend wohl noch Mark Rutte Regierungschef sein. Es wird um die Unterstützung der Ukraine, um die EU-Erweiterung  und um Budgetmittel für die Klimapolitik gehen. Themen, in denen Geert Wilders konträre Positionen vertritt. Mit welchem Mandat der niederländische Vertreter nach Brüssel kommt, wird zeigen, ob sich die bürgerliche Mitte und Linke zusammen finden oder ob in dem einstigen liberalen Vorzeigeland tatsächlich  ein rechter Umsturz abläuft. 

Raimund Löw ­kommentiert

an dieser Stelle das Weltgeschehen

Zerklüftete Niederlande

150 Abgeordnete gibt es im Parlament. Auf Wilders PVV (37) und die sozialdemokratisch-grüne Timmermans Liste (25) folgen die rechtsliberale VVD (24), die Zentristen (20), die Bauernpartei (20). Verloren haben Linke und Linksliberale.  Von den 17,5 Millionen Niederländern sind 825 000 Muslime.