Nach dem EU-Gipfel zu Investitionsfonds und Rußland

Der Dezembergipfel der Europäischen Union ist gestern früher zu Ende gegangen als sonst. Nach außen demonstriert man Einigkeit bei der Unterstützung eines großen europäischen Investitionsplanes. Trotz der Sorgen über einen finanziellen Zusammenbruch Russlands bleibt es vorläufig bei den Sanktionen.

Der neue Ratspräsident Donald Tusk wollte eine knappe Grundsatzdebatte und kein mühsames Feilschen um Formulierungen, und das ist ihm auch gelungen. Der heutige zweite Gipfeltag wurde gestrichen.

Belgische Globalisierungsgegner demonstrieren heute lautstark vor einem leeren Ratsgebäude.

Die Staats- und Regierungschefs gestern Nacht  den Startschuss für den geplanten europäischen Investitionsfonds  gegeben.

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Öffentliche und private Gelder in strategische Projekte zu investieren ist der beste Weg um Europas wirtschaftliche Erhöhlung zu beschleunigen, versichert Ratspräsident  Tusk.

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So rasch wie möglich soll es zur  Einrichtung eines  europäischen Fonds für  strategische Investitionen kommen.

Schon Mitte Januar wird die Kommission den dazu erforderlichen Gesetzesplan vorlegen.

Österreich hat wegen der möglichen Subventionierung von Nuklearanlagen seine Zweifel, betont  Kanzler Faymann.

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Gegenüber Russland bleibt die EU bei ihrer Doppelstrategie von Sanktionen und Gesprächsangeboten, solange der Krieg gegen die Ukraine nicht aufhört. Trotz des drohenden finanziellen Kollaps in Russland. Immerhin ist jetzt klar, dass die Sanktionen keineswegs wirkungslos sind.

Deutschlands Bundeskanzlerin  Merkel:

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Immerhin soll es nächste Woche erstmals seit langem ein Treffen  geben, an dem Russland und die Ukraine teilnehmen, um das  Waffenstillstandsabkommen umzusetzen.

 

NACH DEM GIPFEL, NOTIZEN

Die europäische Russlandpolitik ist davon geprägt, dass  Russland einen Nachbarstaat militärisch angegriffen hat, einerseits durch die Invasion der Krim und dann durch einen kaum verdeckten Krieg um die Ostukraine. Mit schwerem Gerät, mit irregulären Bewaffneten, die Moskau geschickt hat, und tausenden Toten.

Die Europäer haben nicht gesagt wir akzeptieren das alles und warten darauf, dass Putin mit anderen Nachbarstaaten auch so verfährt, sondern sie habe reagiert mit einer Doppelstrategie:

Bei der wird es bleiben:  Gespräche anbieten, alle Gesprächskanäle offen halten, aber gleichzeitig den wirtschaftlichen Druck aufrecht zu erhalten.

Das gilt umso mehr, als angesichts des Absturzes des Rubel niemand mehr sagen kann, dass die Sanktionen wirkungslos sind.  Die Wirtschaftsmassnahmen der Europäer sind ja immer wieder belächelt worden.  Ganz offensichtlich zu unrecht, denn was immer man sagen will, Putins Russland ist nicht immun gegen diese Maßnahmen.

– Auf dem gestrigen Gipfeltreffen ist es um die Investitionen in die europäische Wirtschaft und Industrie gegangen – da war man schnell fertig, weil noch die Geldreserven aufgestellt werden müssen. Ist man im zweiten Punkt weiter gekommen? Sind sich die Mitgliedsstaaten einig, wie gegen Russland weiter vorgeht?

Die Meinungsverschiedenheiten zur Russlandstrategie gibt es, sie sind aber bei diesem Gipfel weniger zum Ausdruck gekommen, als sonst. Es war auch eine sehr allgemeine Diskussion und es sind auch keine neuen Beschlüssen angestanden. Die Sanktionen gelten ja bis Sommer 2015, niemand hat jetzt schon eine Veränderung verlangt.

Der polnische Ratspräsident bringt ein bisschen eine neue Tonart in die EU-Russlandpolitik. Er war ja ein Aktivist der polnischen Slidarnosc, hat aktiv an der demokratischen Revolution gegen den Kommunismus teilgenommen. Und als Pole ist er natürlich besonders sensibel gegenüber russischen Machtgebärden. Aber er vertritt alle 28 und damit die Linie des Kompromisses, auf die man sich geeinigt hat.

Er will eine harte und verantwortungslose Politik, sagt er wörtlich, Russland ist Europas „strategisches Problem“ ist seine Wortwahl, das sagt auch Jean Claude Juncker so.

Aber gleichzeitig hält man Putin die Tür offen, von dieser Konfrontation zurück zu weichen. Und wird das im Kreml jetzt ernsthafter erwogen, als bisher, wegen des wirtschaftlichen Kollapses.

Nächste Woche soll es ein Treffen der sogenannten Kontaktgruppe geben, die über die Umsetzung des Minsker Abkommens zum Waffenstillstand verhandelt. Wenn dieses Abkommen umgesetzt würde, die russischen Militärs völlig aus der Ostukraine verschwinden und klar ist, die von Moskau ferngelenkten Rebellenprovinzen bleiben in der Ukraine und akzeptieren auch die ukrainische Verfassung, die ukrainische Regierung, dann wäre das ein riesiger Schritt.

Dann könnte wahrscheinlich sehr rasch über eine Lockerung der Sanktionen gesprochen werden. Da mag es Hoffnungen geben, von jenen  Ländern, die immer schon skeptisch gegenüber Sanktionen waren, aber sehr realistisch ist das nicht.

Bleibt dann auch noch das Problem der Krim, die militärisch erobert wurde von Russland. Und die Russland wohl nicht mehr hergeben wird. Auch wenn die Ostukraine sich beruhigt wird das Problem Krim für lange Zeit in Hindernis für normale Beziehungen der Europäer zu Russland sein.

– Selbst Raimund Löw kann noch überrascht werden in Brüssel: in den sieben Jahren Ihrer Korrespondententätigkeit in der EU haben Sie noch nie erlebt, dass ein Regierungsgipfel bereits nach dem ersten Abendessen zu Ende war. Meistens ist das Treffen in die Verlängerung gegangen und dann noch eine lange nacht dazu – und oft ist dann immer noch kein Ergebnis sichergestellt gewesen. Das Kurztreffen gestern Abend – liegt das an der Zugkraft des Ratspräsidenten DONALD TUSK?

 

Das war sicher eine Entscheidung Tusks, einer Grundsatzdiskussion zu führen und Entscheidungen auf später zu vertagen. Wes sind ja auch keine konreten beschlsüsse angestanden gestern. Tusk muss noch zu seinerr Arbeitsweise finden, man wird sehen, ob die Gipfel im nächsten Jahr auch so rasch absolviert werden können.

Ich wäre da nicht allzu zuversichtlich.

– Die EUROPÄISCHE UNION und Raimund Löw – können wir uns etwas Anderes vorstellen? MISTER EUROPA geht jetzt nach Osten. Washington, Brüssel, Peking: fällt der Abschied aus dem Zentrum der EU schwer? Nein, weil eine spannende Aufgabe in Peking wartet – aber warum JA?

 

 

Es ist wie immer Ja und Nein.

In Brüssel ist man nicht einfach Auslandskorrespondent, also Beobachter von außen.

Wir Österreicher sind Teil des Klubs. Europaberichterstattung ist in Wirklichkeit Berichterstattung über uns selbst.  Wie wir es mit der Solidarität halten, wie wir mit den großen Krisen umgehen, uns verstehen als teil eines größeren Ganzen von 505 Millionen Bürgern.

Das macht den Job des Europakorrespondenten so spannend. Arbeitstechnisch heisst das, jede Woche ist die halbe Regierung hier in Brüssel, man ist als Korrespondent immer mit einem Fuss in der Innenpolitik.

In Asien werde ich als Korrespondent wieder mehr Beobachter sein.

Aber die Wirklichkeit ist natürlich, dass  in Asien  die Weichen für das 21.Jahrhundert gestellt werden.

Die Sicht auf die Welt aus asiatischer Perspektive, und das heißt besonders auch aus chinesischer Perspektive, ist ein bisschen ein Blick auch in unsere Zukunft.

Wie  unsere Wirtschaft in Zukunft aussehen wird, in der globalisierten Welt, wird davon abhängen, wie sich die aufsteigenden Staaten Asiens entwickeln.

China wendet sich jetzt nach außen, engagiert sich in der internationalen Politik.   Das ist eine riesige Veränderung des globalen Kräfteverhältnisses, die sich da vor unseren Augen abspielt.   Wie groß ist die Gefahr kriegerischer Verwicklungen?  Amerika wird schwächer,  China wird stärker. Lässt sich eine solche Verschiebung ohne Gewaltausbrüche machen?

Das alles hautnah als Reporter zu verfolgen wird für mich extrem spannend sein, darauf freue ich mich.

Es ist irrsinnig viel passiert in diesen
Jahren. Mehrmals ist die EU und der Euroraum haarscharf  am Kollaps vorbeigeschrammt. Europa hat die Finanzkrise schließlich übergestanden, die Spekulativen Angriffe gegen den Euro haben die Europäer abgewehrt.

Aber die  EU funktioniert politisch genauso so, wie vor der Krise. Das ist eigentlich unglaublich und der große Widerspruch in der Situation. Alle wissen: so wie die EU jetzt aufgestellt  ist, als Hybrid, Zwischending zwischen einem Bund souveräner Staaten, einem Staatenbund, und einem Bundesstaat ist sie extrem krisenanfällig. Aber keine Regierung traut sich an das Thema Vertragsveränderung, weil man auf Anti-EU-Parteien Rücksicht nehmen will.

Daher ist heute eigentlich genauso wie vor der Krise unklar, in welche Richtung die Reise gehen soll, wie man will, dass das  Vereinte Europa in 10, 15 Jahren aussieht.

Ich vermute, das natürlich nur Vermutung, dass Europäer sich in den nächsten Jahren entscheiden müssen, ob sie einen Schritt in Richtung Europäischen Bundeesstaat  gehen wollen, mit EuroBudget, Euro Finanzminister, viel stärkerem Europäischen Parlament, vielleicht sogar europäischen Streitkräften, das wird ja immer wieder angedacht, oder ob sie eine Auseinanderentwicklung risikieren wollen.

Die Absetzbewegung Großbritanniens gibt es. Die Anti-EU-Parteien in mehreren wichtigen Staaten Frankreich, Italien, NL, gibt es auch. Ich würde vermuten, dass es da eine politische Krise zusammen braut, die zu einer Grundsatzeintscheidung drängt.

Die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts wird nicht ewig warten. In China, meinem nächsten Einsatzgebiet, sagt man jetzt schon, die Europäer sind gut und schön. Aber zu reden haben sie immer weniger, weil sie viel zu aufgesplittert sind.