Freudiges Hupkonzert für den toten Präsidenten im Iran

Der bei einem Helikopterunfall getötete Präsident Ebrahim Raisi war als früherer Scharfrichter mit der blutigsten Phase der  Islamischen Republik Iran verbunden. Sein Tod kann  zu einem Machtkampf zwischen den verfeindeten Fraktionen des Establishments in Teheran führen. Innerhalb von 50 Tagen müssen Parlamentspräsident, Oberster Richter und der Interimspräsident Präsidentschaftswahlen organisieren.

  Außenpolitisch und innenpolitisch steht das Regime unter extremem Druck. Der verdeckte Krieg mit Israel und den USA kann jederzeit von Neuem eskalieren. Ein großer Teil der Bevölkerung steht seit der blutigen Niederschlagung der Frauenrevolte in offenem Hass gegen das gesamte System. In sozialen Medien war  Jubel über den Tod Raisis zu vernehmen.

 Auf den Schultern des  religiösen Führers Ali Chamenei ruht jetzt mehr denn ja das Überleben des Mullahstaates. Der Ayatollah ist seit 30 Jahren an der Macht. Ebrahim Raisi hätte der Nachfolger des kranken  Geistlichen werden können. Die Wahl seines Nachfolgers wird zur Generalprobe für den bevorstehenden Wechsel an der Staatsspitze werden.

  Aus Anlass des 85. Geburtstags des Führers hatte Politikwissenschaftlerin Azadeh Zamirirad von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik eine kritische Übergangszeit diagnostiziert. Solche Phasen können schnell mit Instabilität einhergehen, sagt die Expertin. Es steige das Risiko von verschärften Machtkämpfen, Umsturzversuchen oder einem Staatsstreich. Die Diagnose gilt  unverändert, auch wenn die Institutionen der Islamischen Republik, die Revolutionsgarden und das erst vor kurzem neu gewählte Parlament, nach außen intakt sind.

   Die Islamische Republik ist kein monolithisches System. Raisi war nach verschiedenen Pendelschläge zwischen reformerischen Fraktionen und einem populistischen Anlauf unter Mahmud Ahmedineschad vor drei Jahren an die Macht gekommen.  Der große Hass auf den umgekommenen Präsidenten hat mit seiner Rolle als Scharfrichter 1988 in Teheran zu tun. Der Krieg mit dem vom Westen unterstützten Irak war damals gerade zu Ende gegangen. Die mit Saddam Hussein verbündete Oppositionsgruppe der Volksmudjahedin wollte weiter kämpfen und organisierte eine Angriff, der misslang. Darauf befahl Revolutionsführer Chomeini ein Massaker an Oppositionellen.  Tausende, vielleicht mehr als zehntausend politische Gefangene wurden aus den Zellen geholt, aufgehängt oder erschossen. Fünf Monate dauerte das Blutbad.  Seine Mitverantwortung hatte Ebrahim Raisi nie eingestanden, Für die Opposition war er der Schlächter von Teheran.

  Als Präsident hatte er einen Neuanfang mit dem Westen nach der unverantwortlichen Aufkündigung des Atomdeals durch Donald Trump verworfen. Vergeblich warteten in Wien Diplomaten aus den USA und Europa  in unterschiedlichen Hotels auf konstruktive Antworten  aus Teheran. Es hat sie nicht gegeben. Möglicherweise war die Führung in Teheran zum Schluss gekommen, dass Atomwaffen gegen die Bedrohungen aus Israel und den USA zum eigenen Überleben unverzichtbar sind.   Nordkorea ist das Vorbild.

  Mordanschläge der Amerikaner  in Bagdad und der Israelis in Damaskus und Teheran gegen Nuklearexperten und die führenden Strategen der Revolutionsgarden verstärkten die Bunkerstimmung in Teheran. Mysteriöse Bomben gegen eine Trauerfeier für Al Quuds-Brigadegeneral Ghassam Solemani Anfang 2024 rissen hundert Menschen in den Tod. Die Regierung kann keine Sicherheit  für  ihre Anhänger schaffen. Im April 2024 eskalierte der Iran den Konflikt durch erstmalige  Luftangriffe auf Israel. Die Geschoße  wurden abgefangen. Raisi hatte mit einem Gegenschlag und dem Tod vieler Tausender gespielt.

  Der wichtigste außenpolitische Kurswechsel der letzten Jahre ist das Bündnis mit Russland. Die Iraner liefern  Drohnen, die jeden Tag gegen die Ukraine eingesetzt werden.

  Mit den regionalen Verbündeten der sogenannten Allianz des Widerstands, von der schiitischen Hisbollah im Libanon über die Hamas bis zu den Huthi-Milizen in Jemen, hat die Islamische Republik das Kräfteverhältnis gegenüber den proamerikanischen Mächten verbessert. Die Verbündeten haben ihr Eigenleben. Hamas-Chef Sinwar hat Teheran vom Angriff des 7.Oktober nicht informiert. Die Huthis verfolgen ihre eigene  Strategie. Die teure Regionalpolitik schneidet ins iranische Budget.

   Als das iranische Staatsfernsehen bei der Todesmeldung Betende in Moscheen zeigte, brach in Teheran ein Hupkonzert aus, beobachtet der Wiener Iranexperte Homayoun Alizadeh. Die Menschen haben gezeigt, dass sie sich über den Tod des Präsidenten freuen. Für Alizadeh ein Zeichen mehr, in welchem Ausmaß das Regime jede  religiöse, soziale und militärische Legitimation verloren hat.

ZUSATZINFORMATIONEN

Von der Revolution zum Gottesstaat

Gegründet wurde der Mullahstaat am 1.April 1979 nach einer Volksrevolution, durch die  der prowestliche Schah Reza Pahlevi vertrieben wurde.  Ayatollah Ruhollah Chomeini errichtete eine Diktatur und einen islamistischen Gottesstaat.  Der geistige Führer, gegenwärtig  ist das Ali Chameini, steht über dem Präsidenten,  der in 50 Tage neu gewählt werden muss.  2022 wird die junge Kurdin Mahsa Amini getötet, weil sie das Kopftuch nicht richtig trägt.

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