Donald Trump, der Iran-Deal und die Europäer, 8.5.2018

2015 hatte sich der Westen im Wiener Palais Coburg mit dem Iran auf einen Kompromiss zum Nuklearprogramm geeinigt. Im Gegenzug für eine Aufhebung internationaler Wirtschaftssanktionen akzeptierte Teheran eine massive Reduktion der Urananreicherung. Tausende Zentrifugen wurden stillgelegt. Der Wiener Deal beendete alle militärischen Spekulationen. Israels Premier Netanyahu hatte Bombenangriffe auf iranische Atomanlagen verlangt. Ein ausgedehnter Luftkrieg gegen die Islamische Republik war im Bereich des Möglichen gelegen.
Sollte Donald Trump demnächst einen Ausstieg der USA aus dem Iranabkommen beschließen, heisst es zurück in die Vergangenheit. Verantwortungslose Hardliner werden wieder die Oberhand gewinnen. Eine neue kriegerisch Konfrontation im Nahen Osten wäre möglich. Die US-Regierung will bis 12.Mai ihre Entscheidung treffen. Im Weißen Haus sitzt mit dem neuen Sicherheitsberater Bolton ein Extremist an einer Schlüsselstelle. Außenminister Pompeo, ebenfalls ein Falke, solidarisiert sich demonstrativ mit den Todfeinden des Iran in Saudi Arabien und Israel. Ein amerikanischer Rückzug aus dem historischen Abkommen gilt als wahrscheinlich.
Aber trotz seiner martialischen Erklärungen hat sich Donald Trump auch als Pragmatiker erwiesen. Einen offenen Bruch mit den Europäern will die US-Administration vermeiden. In Europa verteidigen Franzosen, Deutsche und Briten das Abkommen aus der Obama-Zeit. Hektisch sucht Frankreichs Präsident Macron nach einem Ausweg, der den Deal am Leben hält, es aber Trump ermöglicht, auf Distanz zur Iran-Politik des Vorgängers zu gehen.
In das Lobbying pro und kontra Iran-Deal hat sich lautstark der israelische Regierungschef eingeschaltet. Hinter einem riesigen TV-Screen mit der Aufschrift „Iran lies“ präsentierte Netanyahu Dokumente, die der Mossad aus militärischen Verstecken in Teheran entwendet hat. Sie sollen belegen, dass es entgegen den Beteuerungen der Iraner sehr wohl ein militärisches Nuklearprogramm gegeben hat. In der Vergangenheit, vor 15 Jahren. Die Auswirkungen auf heute sind unklar. Fox News und andere Kriegstreiber in den USA sehen durch die Enthüllungen die gesamte Geschäftsgrundlage der Übereinkunft von 2015 in Frage gestellt. Die Europäer kommen zum diametral entgegengesetzten Schluss, dass der Iran die Bombe ohne das umstrittene Abkommen längst gebaut hätte. Die Internationale Atomenergiebehörde und sogar das State Department in Washington bescheinigen den Iranern, dass sie sich an alle Verpflichtungen halten.
Israel ist nach wie vor die einzige Atommacht der Region.
Was Israelis, Saudis und andere Hardliner mehr stört, als 15 Jahre alte Atomdokumente, ist der wachsende iranische Einfluss in Syrien. In Syrien führt die israelische Luftwaffe immer mehr Angriffen durch. Ziele sind Militäreinrichtungen, die von iranischen Beratern betrieben werden. Ende April ging ein riesiges Raketenlager in die Luft, zwei Dutzend Iraner kamen ums Leben. Militärexperten fragen, ob Netanyahu ernsthaft gegen das Assad-Regime in den Bürgerkrieg eingreift. In diesem Fall hatten die Israelis nicht nur den Iran, sondern auch Russland, die großen Verbündeten Assads, zum Gegner.
Frankreich will den Atomdeal retten. Der französische Plan sieht vor, dass über eine Aufteilung der Einflusssphären in Syrien verhandelt wird. Das Kalkül Macrons: auch Putin müsste interessiert sein, den Einfluss der Iraner zu bremsen. Das iranische Atomabkommen gilt nur bis 2025. Ein neuer Verhandlungszyklus für die Zeit danach könnte den Vorstellungen sowohl der USA als auch Russlands und Europas entsprechen. Vielleicht lässt sich Trump wider Erwarten doch davon überzeugen, nicht alle Türen zu schließen, heißt es in Paris.
Wenig klar ist, was die Europäer dem Iran anbieten können. Die Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung dank der Aufhebung der Sanktionen haben sich für Teheran nicht erfüllt. Im Gegenteil. Nach wie vor ist der Iran vom internationalen Geldverkehr ausgeschlossen. Aus Angst vor nachteiligen Folgen in den USA halten sich europäische Firmen zurück. Im US-Magazin The Atlantic argumentiert Starreporter Peter Beinart, dass in Wirklichkeit nicht der Iran den Wiener Atomdeal verletzt, sondern die USA. Kein Vertragspartner darf den anderen vom Welthandel ausschließen. Genau das passiert aber seit Jahren. Die Gemäßigten um Präsident Rouhani, die den Atomdeal befürworten, müssen etwas davon haben, wenn sie bei einem halben US-Rückzug an Board bleiben sollen.
Die Europäer wollen verhindern, dass sich eine neue Krisenfront im Nahen Osten auftut, sollte der Iran-Deal platzen. Zu Recht. Wenn sie auch zeigen könnten, dass sie die eigene Zersplitterung überwinden, wären ihre Chancen größer.