Die UNO ist keine Weltregierung, leider, Falter Maily 6.10.2024

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen, die vor zwei Wochen eröffnet wurde, hat die Funktion eines Pow Wows der Weltpolitik. Zu den Katastrophen dieser Welt meldet sie sich regelmäßig zu Wort, aber letztlich ist sie machtlos.

Trotzdem ist es faszinierend, wie viele Staatenlenker sich aus den fünf Kontinenten auf den Weg nach New York machen. Die Vielfalt könnte größer nicht sein. Kolumbiens linker Präsident Gustavo Petro warnt vor dem weltweiten Aufstieg rechtsextremer Demagogen und der Herrschaft einer weißen Oligarchie, die die Erde vergiftet. Argentiniens Javier Milei hält dagegen die UNO für ein Monster, das den Staaten ihre Freiheit raubt. Der ultraliberale Präsident liebt absurde Verschwörungstheorien. Joe Biden erinnerte die Delegierten der 193 Mitgliedsstaaten an seine eigene Lebenserfahrung vom Vietnamkrieg über den Fall des Apartheid-Regimes bis zum Ende der Sowjetunion.

„Things can get better“ – die Dinge können immer besser werden, beteuerte Biden. Stimmt, auch wenn es zurzeit nicht so aussieht.

Die Weltregierung, die rechte Phantasten hinter UN-Organisationen vermuten, existiert nicht. Es lasten aber immer mehr globale Probleme auf der Menschheit, die nur international gelöst werden können. Den Widerspruch spricht unermüdlich UNO-Generalsekretär Antonio Guterres an. Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident ist zum wichtigsten Gewissen des Globus geworden. Israel erklärt ihn unter einem Vorwand zur unerwünschten Person. Der beispiellose Vorgang zeigt, wie weit sich die Netanjahu-Regierung verrennt.

Guterres prangert die Tatenlosigkeit der Regierungen in der Klimakrise an, er fährt in die vom russischen Krieg erwürgte Ukraine und solidarisiert sich am Grenzübergang nach Gaza mit den von israelischen Bomben getöteten UNO-Mitarbeitern. Kein Generalsekretär vor ihm hat unangenehme Wahrheiten so unverblümt ausgesprochen wie Guterres. Er spricht davon, dass der Weg in eine zukünftige multipolare Welt gegenwärtig durch ein Fegefeuer gefährlicher Polaritäten zwischen den Mächten führt.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit seinen fünf ständigen und zehn rotierenden Mitgliedern, der bindende Entscheidungen trifft, ist ein Produkt des Zweiten Weltkrieges. Das Vetorecht der USA, Russlands, Chinas, Frankreichs und Großbritanniens spiegelt längst nicht mehr die realen Verhältnisse in der Welt wieder. Südafrika, Indien, Brasilien, Japan und Deutschland pochen auf einen fixen Sitz.

Ein UNO-Zukunftspakt, der vom Generalsekretär vorangetrieben wird, soll zu einer Reform des Sicherheitsrates führen. Ob es dazu in der von Misstrauen zwischen den Großmächten geprägten Situation kommen kann, ist fraglich. Es gibt keine ernst zu nehmende Abrüstungsverhandlungen. Um die Perspektiven internationaler Zusammenarbeit ist es schlecht bestellt.

Der Außenpolitikchef der Washington Post, Ishaan Tharoor, verweist auf internationale Experten, die ein weniger düsteres Bild zeichnen. Stewart Patrick und Minh-Thu Pham von der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace kommen unter dem Titel „The Good – and Bad – News About the UN’s Summit of the Future“ zum Schluss, dass die große Mehrheit der Mitgliedsstaaten die Vereinten Nationen reaktivieren will, statt sie aufzugeben.

Multilateralismus zwingt den globalen Süden und den reichen Norden aufeinander zuzugehen. Bleibt die UNO funktionstüchtig, gibt es eingespielte Mechanismen, um extreme Spannungen abzubauen, was in Krisenfällen auch für die Großen nützlich ist.

Die Argumentation zur Verteidigung internationaler Regeln gilt auch für das UNO-Gericht und den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa verteidigte vor der Vollversammlung einmal mehr die Apartheidklage gegen Israel. Haftanträge gegen Netanjahu, Hamas-Chef Sinwar sowie gegen Putin wegen des Ukrainekrieges haben keine unmittelbaren Auswirkungen. Als Lebenszeichen des Völkerrechts sollten sie trotzdem ernst genommen werden.

Die Alternative wäre ein endgültiger Niedergang internationaler Institutionen, wie ihn die Welt in der Zwischenkriegszeit mit dem Tod des Völkerbundes erlebt hat. Den Vereinten Nationen die Stange zu halten, trotz aller Mängel, ist der bessere Weg. Die österreichische Absage an den UNO-Migrationspakt unter Sebastian Kurz war ein Sündenfall in die andere Richtung.

Verwunderlich war, dass Österreich auch der jüngsten Aufforderung der Generalversammlung zur Beendigung der israelischen Besatzung in den Palästinensergebieten die Zustimmung verweigerte. Zu einer glaubwürdigen Stärkung des Völkerrechts muss die österreichische Außenpolitik noch zurückfinden.