Der Ukrainekrieg ist sechs Monate nach dem russischen Angriff festgefahren. Russland ist es über den Sommer nicht gelungen neues Territorium zu besetzen. Die ukrainischen Verteidiger konnten einen Durchmarsch der Angreifer abwehren. Sie haben aber keine besetzten Gebiete zurückerobert. Militärexperten sprechen von einem Abnützungskrieg, in dem beide Seiten Kräfte für eine nächste Runde sammeln.
Den Russland-Wirtschaftssanktionen, gegen die in Österreich ÖVP-Landeschefs und Rechtsaußenpolitiker polemisieren, kommt eine Schlüsselrolle zu. Sie entscheiden, ob Europa weiter an der Seite der Ukraine steht. Oder ob man die Verteidiger fallen lässt.
Es gibt keine Anzeichen, dass der Kreml sein Kriegsziel aufgibt, das Nachbarland zu unterwerfen. Im Gegenteil: Wladimir Putin stockt per Dekret die Streitkräfte auf 1,15 Millionen auf. In der Ukraine wiederum ist von einer Bereitschaft sich mit den feindlichen Eroberungen abzufinden nichts zu spüren.
Der Krieg wird weiter gehen. Politischen Lösungen, die sich mit einem temporären militärischen Patt manchmal auftun, sind nicht in Sicht. Die Stärke der ukrainischen Verteidiger liegt in der Widerstandsbereitschaft der Gesellschaft, der militärischen Unterstützung durch die USA und der Solidarität der Europäer.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock antwortet auf die Frage, ob die verlorenen Gebiete wieder zurückgewonnen werden können, wahrheitsgemäß, dass sie das nicht weiß. In der Geschichte sind imperialistische Eroberungen immer wieder rückgängig gemacht worden. Die Sowjetunion gab unter Gorbatschow das von Stalin eroberte Baltikum frei. Frankreich und später die USA haben sich einst aus Vietnam zurückgezogen.
Beim Kampf um die Ukraine geht es nicht nur um nationale Selbstbestimmung. Putin hat aus der Russischen Föderation einen faschistoiden Staat gemacht. Im russischen Fernsehen begleiten Propagandisten den Krieg mit Vernichtungsfantasien gegen die ukrainische Nation. Putins Regime versteht sich als Vorposten gegen die liberale Demokratie. Der Ukrainekrieg entscheidet auch über der Kräfteverhältnis zwischen Demokratien und autoritären Nationalisten.
Bei der Bewaffnung der Ukraine kommt den USA die überragende Rolle zu. Der wichtigste Beitrag der Europäer um den imperialen Revanchismus Putins zurückzuweisen sind die Sanktionen. Peinlich ist es dagegen, russische Touristen zum Feindbild zu machen, indem man ihnen Europareisen erschwert. Ob die Solidarität mit der Ukraine überlebt, ist die entscheidende Frage dieses Winters.
In Österreich stellen die ÖVP-Landeshauptleute Stelzer, Mattle und der Wiener ÖVP-Mann Mahrer eine Lockerung der Sanktionen in den Raum. Der Preis, den die Volkswirtschaften der Europäischen Union zahlen, sei höher als der Schaden für Putins Kriegsführung. Eine Studie der Ökonomen Jeffrey Sonnenfeld und Steven Tian von Universität Yale widerspricht der Behauptung, dass Russland den Boykott des Westen wegsteckt. Der Luftfahrt gehen die Ersatzteile aus. Gaslieferungen nach China sind mangels geeigneter Leitungen minimal. Aber es stimmt, dass die Auswirkungen für Russland geringer sind, als die EU-Strategen erwartet haben. Die Wirtschaft ist nicht kollabiert. Die Rüstungsindustrie spuckt Waffen und Munition aus.
Finanziert wird der Krieg auch mit den Einnahmen aus Energieexporten. Die Ökonomen des Neos Lab, des Thinktanks der Neos, haben errechnet, dass Österreich dieses Jahr 10 Milliarden Euro für Gaslieferungen an Gazprom überweist, fast um zehn Mal mehr als in der Vergangenheit. Österreich zahlt bei einem EU-Fonds für Waffen zur Verteidigung der Ukraine mit. Und finanziert gleichzeitig über seine Gasrechnungen Kriegsgerät, mit dem die Ukraine angegriffen wird, argumentiert der Ökonom Lukas Sustala. Eine Lockerung der Sanktionen würde bedeuten, dass Europas Verbraucher einen imperialistischen Krieg noch stärker als bisher kofinanzieren, den Europas Regierungen verurteilen.
Rechte Demagogen, die verbreiten, dass die Sanktionen gegen Russland der Grund für die Verteuerung von Gas und Strom sind, werden lauter. Es sind die gleichen Stimmen, die die Verantwortung für den russischen Angriff bei der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine sehen. Der Bundespräsidentenwahlkampf, bei dem fast nur rechtsextreme Kandidaten gegen den Amtsinhaber antreten, könnte zum Exerzierfeld für die Auseinandersetzung über die Russland-Sanktionen werden.
Die ÖVP-Spitze beschränkt sich darauf, die österreichische Unterstützung für die EU-Maßnahmen zu beteuern. Immerhin. Alexander Van der Bellen hat seinen Wahlkampf noch nicht begonnen. Die Zurückhaltung ist riskant. Die Strategie des Kreml zielt darauf ab die EU durch den Einsatz von Energie als geostrategischer Waffen zu spalten. Unterstützung der Ukraine und Verteidigung des gemeinsamen Europas gehen Hand in Hand. Es wird Zeit, dass Österreichs Staatsspitze offensiver als bisher in diese Auseinandersetzung geht.
ZUSATZINFORMATIONEN
Kriegsstatistik
15 000 russische Soldaten und 15 000 Ukrainer sind laut CIA in den letzten 6 Monaten gefallen. 5587 Zivilisten wurden nach UNO-Angaben getötet. Im Bosnienkrieg 1992-1992 gab es 100 000 Tote, bei einer ungleich kleineren Bevölkerung.
US-Ökonomen argumentieren, dass die Sanktionen gegen Russland die Handlungsfähigkeit Putins massiv einschränken. Im Internet nachzulesen: