Die israelische Spionagesoftware Pegasus löst Turbulenzen aus, 27.7.2021

  Die Enthüllungen über eine bisher wenig bekannte Spionagesoftware  haben weltweite Turbulenzen ausgelöst. In 40  Staaten infizierten Geheimdienste und Polizeiorgane ausgewählte Handys mit einer israelischen App namens Pegasus, um  Dissidenten, Journalisten und Politiker über ihre eigenen Smartphones zu bespitzeln. In Paris rüffelte Emmanuel Macron persönlich die obersten Polizeichefs, weil die  Geheimdienste den  Präsidenten und seine Regierungsmitglieder nicht geschützt haben. Die  Pegasus-Attacken gegen Frankreich waren aus Marokko gekommen. Ungarn, das über Pegasus Journalisten bespitzelt, polemisiert wild gegen die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die geholfen hat den Skandal aufzudecken. Das israelische Verteidigungsministerium will untersuchen,  wieso eine Software, die angeblich gegen Kriminelle und Terroristen gerichtet ist, in der halben Welt für politische Überwachung und Repression eingesetzt wird.  Jede Lizenz, die von der Herstellerfirma NSO verkauft wurde, musste vom israelischen Verteidigungsministerium genehmigt werden.

  Pegasus macht private Handys zu Abhörgeräten. Die Geheimdienste hören und sehen über Mikrophon und Kamera automatisch mit, auch wenn das Gerät gar nicht eingeschaltet ist.  Daten über möglicherweise 50 000 infizierte Smartphones auf vier Kontinenten sind dem Journalistenteam  Forbidden Stories in Paris  zugespielt worden.  Amnesty International hat sein  Security Lab eingeschaltet. Zur Sicherheit ließ man die Erkenntnisse von der Universität Toronto  checken. In die Recherche eingebunden waren 17 der größten Zeitungen der westlichen Welt. 

 Über die Motive der Wistelblower kann man nur spekulieren. Auffällig ist, dass weder die USA noch Westeuropa und auch nicht Israel selbst in der Liste der Kunden aufscheinen. Aber es sind bahnbrechende Enthüllungen, die von den Pegasus-Aufdeckern geliefert wurden. Sie zeigen wie groß die Gefahren für Freiheitsrechte sind, wenn Geheimdienste unkontrolliert Überwachungssoftware einsetzen.

  2013 hat Edward Snowden, ein ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter,  aufgedeckt, dass der elektronische Auslandsgeheimdienst NSA über Hintertüren bei den amerikanischen Internetprovidern  Emails, Telefonkontakte und andere Daten kontrollieren kann. Eine Spionagesoftware, die auf einem persönlichen Handy  installiert wird, geht über bisher bekannte  Abhörmethoden  hinaus.

  Die Hersteller der Bespitzelungssoftware Pegasus bestreiten, dass der Missbrauch ihres Produkts wirklich weit verbreitet ist.  Bei allen Lizenzvergaben werde von den Käufern hoch und heilig versprochen, dass die tolle Cyberwaffe nur für legitime Zwecke eingesetzt wird.  Beruhigend sind solche Erklärungen nicht. Was gerechtfertigt ist, hängt von den staatlichen Realitäten bei jedem Kunden ab.

 Israel  hat sein Know How als Besatzungsmacht bei der Cyber-Überwachung in der Westbank gewonnen. Kritische Intellektuelle beklagen einen militärisch-industriellen Komplex  von digitalen Waffen und Überwachungsgeräten.  In den  StartUps aus dem Sicherheitsbereich bringen Armeeangehörige und Geheimdienstleute ihre Erfahrungen ein. Lizenzen für Pegasus werden seit Jahren an autoritäre Staaten verkauft, in denen  Geheimdiensten keine Grenzen gesetzt sind. 

  Der US-Demokratieexperte Steven Feldstein, der für den amerikanischen Think Tank Carnegie Endowment for International Peace forscht,  sagt,  Pegasus ist nur die Spitze eines Eisberges. In seinem Buch „The Rise of Digital Repression“ zählt er Firmen aus den USA, Italien, Frankreich, Deutschland und Israel auf, die den Markt für digitale Spionagewaren beliefern. Sie haben Namen wie Cellebrite, FinFisher, Blue Coat,  CyberPoint oder eben NSO Group, die Produzenten von Pegasus.  Ungarn habe sich  zusätzlich zu Pegasus auch bei den Firmen Hacking Team und Black Cube versorgt, um Regierungskritiker fertig zu machen.  Spanien benützt Spionagesoftware um Nationalisten in Katalonien zu beobachten. Die kanadische Firma Sandvine verkauft Zensursoftware an Weißrussland. Die Vorstellung, dass vor allem Russland und China bei der Cyberbespitzelung die Bösen sind, ist falsch, schreibt Feldstein. 

 US-Wistelblower Edward Snowden, der im russischen Exil lebt, schlägt eine internationale Regulierung gegen den Wildwuchs beim  Handel mit Überwachungstechnologie vor. In den USA plädieren Geheimdienstexperten für ein Moratorium der internationalen Geschäfte mit Spyware, bis es ein Abkommen gibt. Sehr realistisch sind diese Ideen nicht. Die  Enthüllungen des Pegasus Projekts legen jedoch nahe, dass der demokratiepolitische Schaden der Spywaregeschäfte  unvergleichlich größer ist, als die angeblichen Gewinne gegen Kriminalität und Terrorismus.    

ZUSATZINFOS

Die Abhörsoftware Pegasus, die es Geheimdiensten ermöglicht einzelne Handys zu hacken, wird seit 2017 für viel Geld verkauft. Marokko, Saudi Arabien, Mexiko und Indien gehören zu den besten Kunden. 180 Journalisten, 600 Politiker, darunter drei Präsidenten, ein König und 85 Menschenrechtsaktivisten waren unter den 50 000 potentiellen Zielen. Amnesty International spricht von einer weltweiten Krise der Menschenrechte und fordert ein Ende des Handels mit Spionagesoftware.

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