Die deutsche Blockade gege Syriza ist gefährlich

Wenn Europa’s Politik einer frontalen Zugskollision in Zeitlupe gleicht, wie Joschka Fischer vermerkt, dann hat sich das Tempo des Zusammenstoßes mit der Regierungsübernahme durch Syriza  schlagartig erhöht.  Lange haben die  Granden der Europäischen Union geglaubt, dass es in Athen im letzten Augenblick  zu einem  Umschwung zugunsten der Konservativen kommen wird, weil die griechischen Bürger  am Euro festhalten  wollen. Es war ein falsches Kalkül.

   Dass ein Land die politischen Eliten austauscht,  um eine dramatische Fehlentwicklung zu korrigieren, gehört zu den grundlegenden  Mechanismen der Demokratie. Genau das ist in Griechenland passiert. Nach fünf bitteren Jahren eines  Wirtschaftseinbruches, den andere Völker sonst nur in Kriegszeiten erleben, sollte ein radikaler Wechsel niemand völlig überrascht haben. 

  Üblicherweise geht man in der EU auf  Neuankömmlinge   kompromissbereit zu. Niemand darf als Verlierer dastehen, lautet die Devise. Geduldig ließen Merkel&Co bei nächtlichen Gipfeln die  antikapitalistischen Ausführungen des früheren zypriotischen  Präsidenten Dmitris Christofias über sich ergehen. Er war der einzige Kommunist am Tisch. Tschechiens Vaclav Klaus blieb ungeachtet seiner antieuropäischen Bösartigkeiten in die Europäische Volkspartei eingebunden. Gegenüber Alexis Tsipras und  schalten Berlin und Brüssel dagegen auf  Konfrontation. Von ihren ersten Stunden an schlugen der linksalternativen Regierung in Athen in Europa  Signale der kalten Feindschaft  entgegen.

  Für  Europas Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale,  die an kleine Schritte und vertrauliche Deals gewohnt sind, kommt Alexis Tsipras  mit seinen linksradikalen Parolen gegen Kapitalismus, Europa und Amerika, von einem anderen Planeten.

  Ernsthafte Versuche mit Syriza ins Gespräch zu kommen, hat es bei keiner der großen europäischen Parteien gegeben.  Die Abgeordneten der linksalternativen Griechen sind  im Europaparlament als Teil der Linksfraktion kaum beachtete Randfiguren. Dass Alexis Tsipras die Koalition  mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen  einem  Bündnis mit den proeuropäischen Liberalen  von Potami vorgezogen hat, erhöht das Misstrauen.  So wie einst Wolfgang Schüssel in Österreich mit Jörg Haider, hat sich Tsipras mit Verteidigungsminister Panos Kammenos einen nationalistischen EU-Gegner als bequemen Mehrheitsbeschaffer geholt. Das Bild einer  Linksregierung ohne  Frau  zeugt zusätzlich von den kulturellen Brüchen zwischen griechischen und europäischen Linken. 

  Gebetsmühlenartig halten die Euro-Finanzminister, angeführt von Wolfgang Schäuble,  den neuen Herren in Athen vor, sie müssen die Politik der abgewählten  Vorgänger fortführen, weil das so ausgemacht sei. Diese Forderung ist absurd. So weitermachen, wie bisher geht nicht mehr. Die Botschaft des griechischen Wählervotums gilt in Wirklichkeit auch für den Rest der EU. Wenn die deutschen Hardliner, unterstützt von  Finnland und  den Niederlanden,  die griechische Forderung nach Abkehr von der  Austeritätspolitik verdammen, schüren sie damit die Anti-EU-Stimmung auch in Italien, Spanien, Portugal und Frankreich. In der Auseinandersetzung um Europas Wirtschaftspolitik sind die Nordstaaten in der stärkeren Position. Sie müssen nachgeben, damit der Süden nicht wegbricht.

  Die Gesprächsblockade zwischen Athen und dem europäischen Mainstream sollte schleunigst behoben werden. Für Syriza war eine Entschuldungskonferenz das zentrale Wahlversprechen. Wie wichtig ein neuer Schuldenschnitt für die Erholung der Wirtschaft wirklich sein kann, ist umstritten. Die Europäer gestehen Griechenland jetzt schon geringere Zinszahlungen zu, als irgendeinem anderen Land. Die Rückzahlung erstreckt sich über viele Jahrzehnte.  Aber es geht auch um Symbole. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagt, die Eurogruppe agiere längst als Entschuldungsgremium.  Was spricht  dagegen eine eigene Tagung der Eurogruppe zur Entschuldung einzuberufen? Ein europäisches Gespräch über Schuldenabbau wäre ein Erfolg für Syriza und könnte der Anstoß sein, Veränderungen in der Finanzpolitik der EU einzuleiten.

  Im Gegenzug müsste Syriza der Versuchung widerstehen, unter dem Vorwand der Armutsbekämpfung  Klientelpolitik zu betreiben. Tausende unnötige  Beamte wieder einzustellen ist kein gutes Signal.  Privatisierungen aus ideologischen Gründen zu stoppen kann nach hinten losgehen. Sogar China warnt, die wachsende Unsicherheit schreckt Investoren ab.

  Viel Zeit bleibt nicht, einen großen Crash zu vermeiden. Die griechischen Banken  brauchen zum Überleben noch in diesem Monat viel  Cash. Die  Europäische Zentralbank kann  nur helfen, wenn es ein gültiges Abkommen mit den Geldgebern  gibt. Die Gefahr einer verheerenden Entwicklung in Richtung Grexit, dem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, wächst. Trost kann man aus der Erfahrung der  Eurokrise schöpfen: knapp vor dem  Abgrund reißen die Europäer das Ruder in der Regel doch noch herum.