Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump, ORF, 4.10.2019

Das Repräsentantenhaus in Washington hat ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump eingeleitet. In der gesamten Geschichte der USA hat es so etwas bisher nur drei Mal gegeben. Was bedeutet dieser Schritt in der politischen Wirklichkeit: ist das eine Staatskrise für die USA?
Nein, es ist ein ungewöhnlicher und seltener Schritt. Aber ein Amtsenthebungsverfahren ist in der amerikanischen Verfassung vorgesehen und läuft genau nach den von den Gründungsvätern vorgegebenen Regeln ab. Es gibt in Amerika sehr ausgeprägt das System der Checks and Balances, das heisst, dass es zur Aufgabe des Kongresses gehört die Exekutive zu kontrollieren und eben allfällig auch zur Raison zu bringen.
Dieses Amtsenthebungsverfahren, das ist wie ein Prozess. Es gibt die Voruntersuchung, die Anklageerhebung und dann das Gerichtsverfahren. Es ist genau geregelt.
Nur Trump spricht von Putsch, was absurd ist, weil rechtsstaatliches Verfahren. Und er sagt sogar, es könnte zu einem Bürgerkrieg in den USA kommen. Das erscheint absurd, aber es zeigt, wie polarisiert die Situation ist.
Wir sind jetzt in der Ermittlungsphase, der Voruntersuchung, wenn man will. Das Repräsentantenhaus untersucht, ob Anklage erhoben werden soll gegen Donald Trump. Darüber wird dann abgestimmt, mit einfacher Mehrheit, nach der Untersuchung in verschiedenen Ausschüssen und vielen Hearings. Wenn Anklage erhoben wird gegen Trump, was wahrscheinlich ist aus jetziger Sicht, denn im Repräsentantenhaus haben die Demokraten die Mehrheit. Das Repräsentantenhaus ist das Unterhaus, mit …Abgeordneten sehr groß. Dann gibt es im Senat, dem Oberhaus, das viel kleiner ist, ein Gerichtsverfahren. Die 100 Senatoren sind dort die Geschworenen. Dort wird der Präsident entweder schuldig gesprochen, mit Zweidrittelmehrheit, oder freigesprochen, wie das bei Bill Clinton der Fall war.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Trump abgesetzt wird?
Ein Schuldspruch im Senat ist aus jetziger Sicht unwahrscheinlich, weil die Republikaner sind die Partei Trumps und sie haben die Mehrheit im Senat, dem Oberhaus im amerikanischen Kongress.
Dazu wäre auch noch eine Zweidrittelmehrheit für die Absetzung Trumps erforderlich, so etwas hat es in der über 200 Jahren amerikanischer Geschichte noch nie gegeben.
Aber es kann politischer Druck entstehen, der die Position des Präsidenten unhaltbar macht. Das war bei Richard Nixon der Fall, der zurückgetreten ist, bevor der Prozess im Senat begonnen hat. Oder ein Präsident kann auch dem Druck widerstehen, das war bei Bill Clinton der Fall, der wegen seiner Affaire mit einer Praktikantin angeklagt war, der dann aber freigesprochen wurde.
Was ist der Kern des Vorwurfs gegen Trump?
Da ist einmal was in der Verfassung steht. Das ist ziemlich vage. Die Verfassung nennt als Gründe für die Amtsenthebung Treason, also Hochverrat, Bribery, also Bestechung und dann noch viel allgemeiner: schwere Verbrechen und Vergehen.
Ob diese Delikte vorliegen, das überprüfen jetzt aus Sicht der Anklage vier Ausschüsse des Repräsentantenhauses.
Konkret geht es um Bemühungen Trumps und seines persönliches Anwaltes Giuliani die Ukraine einzuspannen im innenpolitischen Kampf gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden. Joe Biden war Vizepräsident unter dem früheren Präsidenten Obama und der Sohn Bidens in einer ukrainischen Gasfirma aktiv gewesen, für sehr viel Geld. 50 000 Dollar im Monat. Trump sagt, da war Korruption dahinter gesteckt und er will dass die Ukraine gegen Biden ermittelt, ob der seinen Sohn geschützt hat in der Ukraine.
Es gibt ein Telefongespräch zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenski, in dem Trump eine solche Untersuchung sehr direkt fordert und noch mehr: er erwähnt diese Forderung im Zusammenhang mit amerikanischen Waffenlieferungen an die Ukraine. Das heisst er lässt die Ukrainer wissen: wenn ihr amerikanische Waffen haben wollt, gegen Russland, weil in der Ostukraine wird ja nach wie vor gekämpft, wenn ihr diese Waffen haben wollt, dann tut doch etwas gegen meinen innenpolitischen Gegner Joe Biden.
Und wenn man das beweisen kann, dann wäre das Amtsmissbrauch, und die Instrumentalisierung der amerikanischen Außenpolitik für seine parteipolitischen Ziele, nach Ansicht der Demokraten ein Grund zur Amtsenthebung Trumps.
Wann wird man wissen, wie es ausgeht?
Die Demokraten möchten diese Anklageerhebung im Repräsentantenhaus relativ rasch durchziehen. Ende November ist Thanksgiving in den USA, das ist der höchste Feiertag. Bis dann will die Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi den ersten Teil des Verfahrens abschließen. Man wird sehen, ob das gelingt. Dann kommt ja die Anklage in den Senat, wie lange das Verfahren dort dauern würde ist unklar. Im Fall von Bill Clinton war das ein Monat. Also nicht ganz kurz, und natürlich steht das amerikanische politische Leben in dieser Zeit weitgehend still.
Im Zentrum bei den Ermittlungen steht der Bericht eines Wistleblowers, also eines Informanten, der die Informationen über das Telefonat von Trump mit dem ukrainischen Präsidenten angezeigt hat. Denn dieses Telefonat ist sofort als streng geheim eingestuft worden, weil offenbar im Weißen Haus die Mitarbeiter gesehen haben, das war ziemlich problematisch, da darf niemand etwas darüber erfahren. Aber genau diese ungewöhnliche Geheimhaltung des Telefonats hat Aufsehen erregt, das hat nach Vertuschung ausgesehen und dieser Wistelblower hat gegen den Präsidenten ermittelt. Man weiß nicht wer das ist, aber wahrscheinlich ein Mann aus dem CIA. Dieser Wistelblower hat den Generalinspektor des CIA informiert und von dort ist die Information an den Kongress gegangen. Also das ist schon ein Zeichen für das politische Chaos an der Staatsspitze oder, wenn man es anders sieht, für die Stärke der Institutionen. Dass der CIA einen Informanten deckt, der gegen den eigenen Präsidenten ermittelt hat.
Wem nützt es, wem schadet es politisch?
Das ist nicht leicht zu sagen. Bis jetzt waren die Amerikaner mehrheitlich skeptisch gegenüber der Idee einer Amtsenthebung, obwohl sie von Trump alles andere als begeistert sind. Jetzt ändert sich das Blatt, Meinungsumfragen zeigen, dass immer mehr Bürger das Impeachment unterstützen.
Aber die Unterstützer, das sind Anhänger der Demokraten oder parteiunabhängige Bürger. Bei den Trump Anhängern ist es umgekehrt, da radikalisiert sich die Meinung in die andere Richtung.
Trump polarisiert geziehlt, wenn er von einem Putsch spricht, dann stellt er die Gefahr in den Raum, dass es Blutvergießen geben kann. Er sagt die Informanten, wie diesen Wistelblower, sollte man behandeln, wie man früher Spione behandelt hat, da haben viele verstanden er will man sollte diese Leute eigentlich erschießen.
Das ist eine böse Rethorik, die zeigt, dass dieses Amtsenthebungsverfahren eine höchst kritische Phase für die amerikanische Demokratie entgegen geht. Auch wenn Trump nicht abgesetzt wird, kann er politisch schwer angeschlagen aus der Sache herauskommen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich erfolgreich als Opfer darstellen kann und seine Anhänger noch stärker hinter sich schart vor dem Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*