Warum Demos in der Pandemie verboten werden

    Das Verbot von 15 der für dieses Wochenende angemeldeten 17 Kundgebungen in Wien löst heftige Reaktionen aus. Im Falter Maily setze ich mich mit den Argumenten auseinander. Die Wiener Polizei führt gesundheitliche Gründe an. Bei ähnlichen Veranstaltungen in der Vergangenheit hatten viele Teilnehmer nicht nur keine Masken getragen, es wurde auch aktiv gegen Maskentragen agitiert. Auf Youtube kann man das nachhören.

  Frauendemonstrationen in Spanien und religiöse Massenveranstaltungen in Frankreich galten im vergangenen Frühjahr als Auslöser für verheerende Ansteckungswellen. In Deutschland sind trotz Corona bedingter Einschränkungen Demonstrationen erlaubt. Es kommt immer wieder zu Anzeigen gegen Maskenverweigerern. Im November griff die Polizei zu Wasserwerfern, um eine Kundgebung aufzulösen, bei der die Teilnehmer sich weigerten, sich an die Regeln zu halten. Aber Zusammenstöße sind in Berlin nicht selten.

  Ist es ein Anschlag auf die Demokratie, wenn die Polizei in Wien zu drastischen Schritten, wie Verboten greift? Marktschreierisch behauptet das ausgerechnet die FPÖ. Der Wiener Parteichef Nepp lässt verlauten, ÖVP und Grünen bauen jetzt Österreich zu einem totalitären Staat um. Ein blühender Unsinn, ausgerechnet von einer  Partei, deren Obmann Norbert Hofer vor Kurzem der Meinung war, es soll nicht jede Woche eine Demo am Ring geben. Der FPÖ-Chef  wollte  Demonstrationen weghaben,  nicht wegen Corona sondern wegen Geschäftseinbußen in der Wiener Innenstadt.

  Eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit ist immer ein riskantes Unterfangen. Ob es keinen anderen Weg gegeben hätte, Massenveranstaltungen ohne Masken und Abstand zu blockieren,  als gleich  Genehmigungen zu verweigern? Klar, diverse Corona-Leugner foppen offenbar bewusst die Behörden, indem sie an zahlreichen Orten gleichzeitig Minikundgebungen anmelden. Aber das sind Taktiken, der die  Polizei gewachsen sein muss. Verbote sind immer die leichteste Antwort.  Demonstrationen nicht zuzulassen, weil sie der Regierung  unangenehm sind, geht demokratiepolitisch gar nicht.

Richtig ist aber auch, dass ohne die Einschränkung gewohnter Grundrechte eine Zurückdrängung der Pandemie unmöglich ist. Die Erfahrung wird weltweit gemacht. In Frankreich mussten im vergangenen Frühjahr die Kommunalwahlen verschoben werden, in Polen die Präsidentschaftswahlen. Es waren Maßnahmen, die deutlich schwerer wiegen, als Einschränkungen beim Demonstrationsrecht.  

  Wer gesundheitsgefährdendes Verhalten verbreitet, muss im Prinzip durch den Staat gestoppt werden. Aber sollte man dann nicht  besser bei Ärzten anfangen, die absurde Bescheinigungen gegen Masken ausstellen? Oder bei Schischulen, die Pseudokurse inszenieren?  

   Politisch werden die Demonstrationsverbote, so steht zu befürchten, zu einer weiteren Radikalisierung eines Milieus führen, dessen Slogans in  rechtsrechte Richtung gehen, wonach wir in einem totalitären Parteienstaat mit korrupten Altparteien leben, die „das Volk“ im Auftrag einer „Krake von Großkonzernen, Superreichen und Medien“ unterdrücken. Alles wörtliche Zitate von Kundgebungen der letzten Wochen in Wien.  „Heimatschutz statt Mundschutz“, ein häufig zu sehendes Transparent,  klingt harmlos, suggeriert genau  die Ideologie von der  Verschwörung der Eliten gegen die Völker.

  In liberalen Gesellschaften muss rechten Verführer in einer inhaltlichen Auseinandersetzung entgegen getreten werden. Dass die Polizei bisher  nicht gleich drein drosch, wenn  Demonstranten keine Masken tragen, war richtig verstandene Verhältnismäßigkeit. Je öfter Demonstrationen untersagt werden, desto leichter wird es rechtsextremen Verschwörungstheoretiker fallen, ihr Thesen unters Volk zu bringen.

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