Trump, Cruz, Sanders: Die US-Wahl entgleitet den Strategen

Dutzende Konfrontationen haben die Kandidaten absolviert. Das amerikanische Fernsehen war Live dabei. Hunderte Millionen Dollar wurden in Werbespots und Aktivistennetzwerke investiert. Aber erst mit den Wahlversammlungen in Iowa und den Wahlen in New Hampshire tritt der Vorwahlkampf in seine ernste Phase. Je näher der Termin rückt, desto deutlicher ist Panik sowohl im Establishment der Republikaner als auch, etwas verhaltener, bei den Demokraten zu spüren.
Bei den Demokraten schwindet der Vorsprung Hillary Clintons in Iowa gegenüber dem Linken Bernie Sanders. In New Hampshire liegt Sanders sowieso vorne. Der Lokalpatriotismus von Neuengland hilft dem Senator aus dem benachbarten Vermont. Gegen Sanders‘ Botschaft, dass Amerika weniger Kapitalismus braucht, tut sich Hillary Clinton schwerer als erwartet.
Donald Trump, der rechtspopulistische Rebell, hat die Ikone der Tea Party, Sarah Palin, in sein Lager gezogen. Die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin ist im evangelikalen Milieu ein Superstar. Die Unterstützung Palins öffnet die republikanischen Kernschichten für den chauvinistischen Antiausländerwahlkampf Trumps.
In beiden Parteien revoltiert die Basis, wenn auch in entgegengesetzte Richtungen. Die Demokraten gehen nach links. Konsens aller Kandidaten ist, dass soziale Gerechtigkeit das Ziel ist. Bei den Republikaner herrschen dagegen Töne vor, die in Europa höchsten bei Marine Le Pen & Co zu finden sind.
Dem Aufstand in beiden Parteien gemeinsam ist das Feindbild Großfinanz. Die Slogans der Occupy Wall Street- Bewegung prägen den politischen Diskurs. Dass Hillary Clinton für einen Vortrag von einer Investmentbank 275 000 Dollar kassierte, ist Munition für ihre Gegner. Wenn Donald Trump nicht gerade gegen Moslems oder Mexikaner herzieht, donnert er gegen das Diktat der Banken. Trump, der schwerreicher Immobilienmogul, bekommt kaum Spenden von den rechten Milliardären, die normalerweise die Königsmacher sind. Trump schafft sich Schlagzeilen durch seine Provokationen ganz ohne bezahlte Werbung.
Das republikanische Establishment hat auf Jeb Bush gesetzt. Der Bruder des Ex-Präsidenten ist mit einer Mexikanerin verheiratet und spricht gut spanisch. Nach dem Willen der Parteigranden sollte er als Mann der rechten Mitte die rasch wachsende Volksgruppe der Latinos gewinnen. Der Aufstand der wütenden weißen Männer und Frauen, die den harten Kern der Trump-Anhänger bilden, macht diesen Plan zunichte.
Es herrscht Klassenkampf bei den Republikanern, unkt der konservative Vordenker David Frum im amerikanischen Magazin Atlantic Monthly. Gegen Trump wirft sich jetzt die intellektuelle Elite des Konservativismus in die Schlacht. Der Herausgeber der National Review, Rich Lowry, einer der führenden Ideologen, fordert unter dem Titel „Against Trump“ die Abwehr eines autoritären und nationalistischen Angriffs auf die konservativen Werte. Trumps schärfster Widersacher im rechten Lager ist Senator Ted Cruz. Cruz ist kein unkonventioneller Haudegen, wie Trump, sondern ein rechtsradikaler Politprofi. Bei den Funktionären und Parteikollegen in Washington ist Ted Cruz wegen seiner Rücksichtslosigkeit derart verhasst, dass manche dem machtgierigen Senator sogar den Quereinsteiger Trump vorziehen würden. Auf ein Patt zwischen Trump und Cruz setzen traditionelle Konservativen, wie Floridas Senator Marco Rubio und Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey. Der ehemalige republikanische Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, überlegt den Antritt als unabhängiger Kandidat.
Der konservative Richtungsstreit findet vor dem Hintergrund eines linksliberalen Schubs in gesellschaftlichen Fragen statt. Amerika wird toleranter gegenüber Minderheiten. Die Schwulenehe wird immer mehr akzeptiert. Die Entkriminalisierung von Marihuana schreitet voran. Das Pentagon nimmt Soldaten auf, die sich offen als transgender deklarieren. Polizeiübergriffe gegen Schwarze, die es immer gab, sind jetzt ein Skandal. Die Radikalisierung der rechten Basis ist auch eine Reaktion weißer Durchschnittsbürger auf Veränderungen, die ihnen zuwider sind.
Nach den fast ausschließlich weißen Bundesstaaten Iowa und New Hampshire folgen die Vorwahlen in South Carolina und Nevada. Afroamerikaner und Latinos werden dort eine Rolle spielen. Vor allem bei den Demokraten kann das Hillary Clinton helfen, die bei Minderheiten populärer ist als Sanders.
Bei der Wahl einer neuen Führung für Amerika ist das Wechselspiel zwischen Geld, der Verankerung der Kandidaten im Establishment und der Öffentlichkeit entscheidend. Die Kontrolle über diese komplizierte Dynamik ist den Strategen der Großparteien entglitten.