Syrien, Trump und die Europäer, 25.4.2018

In Syrien stehen die Rebellen vor dem militärischen Ende. Noch verteidigt die Opposition im Nordwesten die Stadt Idlib, mit Unterstützung der Türkei. Mit den von den USA aufgerüsteten Kurden im Norden und proiranischen Milizen im Süden besteht ein Waffenstillstand. Aber die Regierungstruppen haben die größten Teile des Landes zurückerobert. Nach 7 Jahren blutiger Massaker, einer halben Million Toten und einem Drittel der Bevölkerung auf der Flucht gewinnt das Assad-Regime den Krieg.
Die militärischen Erfolge verdankt Assad Russland und dem Iran. Durch ihr Eingreifen haben die Verbündeten das militärische Kräfteverhältnis völlig umgedreht. Die Marschflugkörper, mit denen die USA, Frankreich und Großbritannien Anfang April auf die jüngste Giftgasattacke reagiert haben, konnten das Blatt nicht wenden. Die westlichen Militärs wollten nur demonstrieren, dass sie auch in einer Position der Schwäche nicht völlig abzuschreiben sind.
Die Anfänge des Syrienkrieges liegen im arabischen Frühling. Die sunnitische Mehrheit der Bevölkerung revoltierte gegen eine Diktatur, so wie in der ganzen Region. Baschar al-Assad ließ erbarmungslos auf die Demonstranten schießen. Der Diktator stützt sich auf eine schiitische Minderheit, die Alawiten, und aus der Freiheitsbewegung wurde ein Religionskrieg. Die Weltmächte und die Nachbarn mischen mit.
Der mit Russlands Hilfe ermöglichte Vormarsch Assads kann die sunnitischen Fundamentalisten, die inzwischen die Mehrheit der oppositionellen Kämpfer ausmachen, neutralisieren. Für eine politische Stabilisierung fehlt Moskau das Konzept. Frieden wird es nur geben, wenn alle Volksgruppen eingebunden sind. Dazu sind Kompromisse erforderlich, um die sich hartnäckig die UNO bemüht.
Den Weg zu einer politischen Lösung in Syrien freimachen müsste Vladimir Putin. Nur der russische Präsident kann Assad zwingen, in Syrien sunnitisch, kurdisch, christliche Kantone mit weitgehender Selbstverwaltung zu akzeptieren. Es wäre der Weg, der einst auch in Bosnien den Bürgerkrieg beendet hat.
Einen Vermittler gibt es in Syrien mit dem UNO-Beauftragten Di Mistura seit Jahren. Die österreichische Regierung will zusätzlich gerne Brücken zwischen Ost und West bauen, erklären Kanzler und Außenministerin. Dabei sind die Gesprächskanäle nach Moskau gar nicht verstopft, wie Außenpolitikexperte Lehne erinnert. Die Ansage aus Wien brachte zu Hause zwar Schlagzeilen, wurde aber ein diplomatischer Schlag ins Wasser.
Noch bedenklicher erscheint die Vorstellung, Österreich könne Putin besser verstehen, als die restliche EU. Hat man uns nicht versichert, dass die FPÖ ihre Sympathien für Moskauer Autoritarismus beim Regierungseintritt abgelegt hat? Sollte die gemeinsame EU-Außenpolitik nicht wichtiger sein, als Neutralität? Vielleicht wirkt die Abfuhr, die sich Außenministerin Kneissl in Moskau geholt hat, als Reality Check für Wien. Für internationale Vorstöße eines mittelkleinen EU-Staates ist der EU-Außenministerrat in Brüssel der geeignetste Rahmen.
Um sein Drängen in Richtung Militärschlag nach dem jüngsten Giftgasangriff zu verteidigen, hat Frankreichs Präsident Macron neben der Abschreckungswirkung ein zusätzliches Argument ins Treffen geführt. Franzosen und Briten hätten die USA durch ihre Beteiligung vor Abenteuern abgehalten.
Donald Trump wollte ursprünglich die 2000 amerikanische Soldaten abziehen, die in Nordsyrien die Kurden unterstützen, dafür aber umso heftiger bombardieren. Den Russen in Syrien kündigte er auf Twitter tolle amerikanische Raketen an. Ein Zusammenstoß der Großmächte lag in der Luft. Die Wirklichkeit sah anders aus. Ganze 105 Geschoße wurden abgefeuert. Über die Flugbahnen haben die Militärs die russischen Kollegen im Voraus informiert. Es gibt keine Informationen über Opfer auf syrischer Seite.
In den USA ist das System der Checks and Balances in der Zeit der nationalistisch-autoritären Flut unter Trump besonders wichtig. Im internationalen System gibt es keine Gewaltenteilung. Aber Macron hat recht: ohne europäische Verbündete gehen US-Präsidenten Risiken ungern ein. Das Wort der Europäer hat auch unter Trump Gewicht.
Das Weißen Haus droht mit der Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran. Es ist der nächste Zug der Abenteurer um den US-Präsidenten. Teheran sieht den westlichen Raketenangriff auf Syrien als Vorzeichen einer neuen Konfrontation im Nahen Osten. Den Europäern wird mehr einfallen müssen, als zweifelhafte Militärschläge und unüberlegte Vermittlungsvorschläge, damit die Situation nicht außer Kontrolle gerät.

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