Sprengsatz Migrationspolitik in Amerika und Europa, ORF, 21.6.2018

Die Europäer tun sich mit der Zuwanderungspolitik sichtlich schwer. In Deutschland wackelt sogar die Regierung Merkel, weil Innenminister Seehofer mit einem deutschen Alleingang bei der Zurückweisung von Flüchtlingen droht. Aber auch auf der anderen Seite des Atlantik, in den USA gibt es gravierende Probleme: Donald Trump hat gestern die Praxis gestoppt, dass die Grenzpolizei Eltern und Kinder von illegalen Einwanderern auseinanderrreißt. Wie ist es denn überhaupt zu dieser Situation gekommen?
Donald Trump sagt, er will illegale Zuwanderung völlig stoppen, er sagt er macht die Grenze zu und kündigt an Null Toleranz, das ist der Slogan. Wer ohne Papier erwischt wird beim Grenzübertritt, von der der Boarder Patrol, also der Grenzpolizei, kommt sofort ins Gefängnis. Das ist als Abschreckung gedacht, genauso wie das Auseinanderreißen von Familien als Abschreckung gedacht war.
Das ist ja schon seit Monaten angekündigt gewesen, dieser harte Kurs. Die Amerikaner haben in Zentralamerika, in Honduras, in Salvador verkündet, wenn ihr weiter ohne Papiere nach Amerika kommt, wird Euch die Boarder Patrol die Kinder wegnehmen. Weil ja oft ganze Familien unterwegs sind. Die Erwartung war: diese Drohung wird Menschen abschrecken in die USA zu kommen. Das ist aber nicht passiert. Die Abschreckung hat nicht gewirkt. Und tausende Kinder sind in Lageranstalten gekommen, in aufgelassenem Supermarkt in Texas sind 600. Es passiert ihnen dort nichts Böses, sie werden versorgt, aber sie sind von ihren Eltern getrennt. In dem Chaos wissen sie oft überhaupt nicht, wo die Eltern sind.
Das Auseinanderreißen der Familien, das wurde zu einem Symbol der Herzlosigkeit und es hat einen Aufschrei der Empörung gegeben.
Jetzt gibt Trump nach und sagt die illegalen Grenzgänger können ihre Kinder ins Gefängnis mitnehmen. Wie das funktionieren soll weiß niemand, weil die amerikanischen Gefängnis nicht für Familien mit Kindern gebaut sind. Die Auseinandersetzung welchen humanitären Preis Amerika zu zahlen bereit ist um zu versuchen diesen Zuwandererstrom zu stoppen, ist noch lange nicht zu Ende.
Donald Trump hat im Wahlkampf mit seinem Versprechen gepunktet, er wird eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Was ist aus dem Plan geworden?
Es ist nach wie vor ein Plan und es ist vor allem ein politischer Slogan. Einen Prototyp gibt es, da kann man sehen, wie hoch die Mauer sein würde (CHECK) und wie das ganze funktioniert. Aber kein einziger Meter dieser Trumpschen Mauer ist tatsächlich gebaut worden. Vor allem weil das Geld nicht da ist, im Kongress haben die Republikanern des Donald Trump die Mehrheit, aber die Finanzierung der Mauer ist nicht gesichert. Und das hat nicht nur mit Geld allein zu tun, sondern mit vielen widersprüchlichen Interessen, die aufeinanderstoßen.
Man muss wissen: es gibt längst ausgebaute Grenzanlagen mit Zäunen und Mauern. Über hunderte von Kilometern in Kalifornien bei San Diego, in Texas, in anderen Gebieten. Die amerikanische Boarder Patrol setzt Drohnen ein, setzt Sensoren ein, es gibt Patrouillen jeder Art. Viele Experten sagen: wenn man jetzt zusätzlich eine Mauer baut, auch durch riesige Wüstengebiete, dann wird das grundsätzlich nichts ändern.
Die gesamte Grenze zwischen Mexiko und den USA, das sind mehr als 3000 Kilometer. Dreimal von Wien nach Paris.

Die Trumpsche Mauer suggeriert, es gibt eine Zauberlösung um Zuwanderer abzuhalten. Das wird ziemlich sicher nicht funktionieren. Zuwanderung lässt sich managen, das kann man versuchen, aber völlig stoppen lässt sie sich nicht. Das gilt wahrscheinlich für Amerika genauso wie für Europa.
In Europa jagt dieser Tage ein Gipfel zur Flüchtlingspolitik den anderen. Dabei sind die Flüchtlingszahlen selbst stark zurückgegangen was steckt wirklich hinter diesen wachsenden Spannungen?
Es gibt immer wieder Schwankungen bei den Flüchtlingen, aber alle internationalen Statistiken sind eindeutig: es sind viel weniger als früher. Aber das ändert nichts daran, dass Migrationspolitik politisch explosiv ist.
Und das ist genauso wie in Amerika. Es hat ja in Amerika überhaupt keine Flüchtlingskrise gegeben, die mit 2015 in Europa vergleichbar gewesen wäre. Aber Migrationspolitik ist ein politisches Dauerthema.
Wie kann der Staat Zuwanderung kontrollieren und gleichzeitig humanitär agieren, Menschenrechte einhalten, rechtsstaatliche Regeln einhalten, das ist das Spannungsfeld.
In Europa kommt noch etwas dazu: das ist die Konkurrenz der EU-Staaten untereinander. Jede Regierung denkt, sie kann schwierige Entscheidungen auf andere abschieben. Viele Regierungen sind der Versuchung ausgesetzt Alleingänge zu machen und das dann groß bei den Wählern zu verkaufen, obwohl: wenn jeder Staat Alleingänge macht, wird alles noch viel schwieriger und es könnte die EU als solches gefährdet sein. America First ist für andere unangenehm, Deutshcland zuerst oder Italien zuerst oder Österreich zuerst wäre das Ende der EU.
Das zu verhindern, darum geht es in der EU im Augenblick. Aber Wunderlösungen würde ich keine erwarten, auch in Amerika geht die Diskussion über Zuwanderungspolitik schon viele Jahre.

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