Parlamentswahlen in Indien, 11.4.2019

Indien gilt mit 1,3 Milliarden Einwohnern als die größte Demokratie der Erde. Diese Woche beginnen in Indien Parlamentswahlen, die sich über mehrere Wochen ziehen werden. Ein Endergebnis wird erst am Ende Mai erwartet.
Warum so wichtig? Wie laufen Wahlen in einem solchen Riesenland eigentlich ab? Kann man das mit Wahlen in Europa oder Amerika überhaupt vergleichen?
Es geht um die Grundausrichtung des ganzen Subkontinents und das ist für ganz Asien wichtig. Haben weiter die starken Männer das Sagen, die Nationalisten, wie der indische Premier Modi, oder gibt es einen Trend zum Wechsel?
Die Dimensionen bei diesen Wahlen in Indien sind andere als in Europa oder Amerika, aber vom Prinzip laufen die Wahlen in Indien so ab wie in jeder anderen parlamentarischen Demokratie. Es gibt Wahlkabinen, es gibt Wahlurnen und ein ausgeklügeltes Pozedere, um sicherzustellen, das alles mit rechten Dingen abläuft. Die Wahlkommissionen mit ihrem Equipment reisen durch das ganze Land. Daher auch die verschiedenen Etappen in denen gewählt wird, jede Woche sind andere Bundesstaaten dran, das Ganze dauert 5 Wochen.
Es gibt einen Wahlkampf, in dem mischen sich regionale Themen mit den Themen der Bundespolitik. Hunderte Parteien sind beteiligt, sehr viele Regionalparteien. Es gibt ja nicht nur Hindi und Englisch in Indien, sondern dazu noch 21 weitere offizielle Sprachen. Bis zu einem gewissen Grad kann man das mit den Europawahlen vergleichen.
Aber im Kern geht es: wird in Delhi der nationalistische Ministerpräsident Narenda Modi bestätigt oder kommt es zu einem Machtwechsel in Richtung der linken Kongresspartei mit Raoul Ghandi an der Spitze.
Der amtierende Premierminister Modi gilt als Hindunationalist. Modi regiert seit fünf Jahren. Wie hat er das Land verändert?
Es ist sehr viel anders geworden mit Modi in den letzten fünf Jahren. Der Premierminister mit seiner hinduistischen Partei, der BJP, will aus dem laizistischen Staat Indien mit seiner multikulturellen Gesellschaft einen Hindustaat machen.
Das spürt man auf vielen Ebenen. Am spektakulärsten sind die Auseinandersetzungen um die Frage, ob man Kühe schlachten darf. Kühe sind ja heilige Tiere für die Hindus, sie haben riesigen Symbolwert. Aber gleichzeitig gibt es auch Schlachthöfe und man kann Rindfleisch kaufen. Das Schlachten von Kühen ist jetzt in mehreren Bundesstaaten verboten worden. Wer schlachtet wird verfolgt, da hat es schon Tote gegeben, wenn jemand vorgeworfen wurde, dass er Tiere in den Schlachthof bringen will..
Die ganze Sache hat eine starke nationale und religiöse Komponente. Denn in den Schlachthäusern arbeiten keine Hindus, sondern zumeist Moslems.
Modi, der Premierminister, schürt auf allen Ebenen die Emotionen gegen die Moslems, und er profitiert davon.
Dagegen steht die Kongresspartei, die Mittelinks ist und von Raoul Ghandi geführt wird und die sagt, die Angehörigen aller Religionen müssen sich in Indien zu Hause fühlen.
Raoul Ghandi ist Urenkel des Urenkel des ersten Regierungschefs in Indien nach der Unabhängigkeit, Neru, und er ist Teil einer linksliberalen Politikerdynastie in Indien. Und wird als solcher auch kritisiert von den Hindunationalisten.
Indien zeigt ein beachtliches Wirtschaftswachstum. Aber immer noch ist riesige Armut unbewältigtes Problem. Bettelnde Kinder gehören zum Alltag in den indischen Städten. Millionen Unberührbare leben in Slums unter freiem Himmel. Was wollen die Parteien gegen die Armut tun?
Die Kongresspartei hat den Kampf gegen die extreme Armut zu ihrem zentralen Wahlkampfthema gemacht. Sie verspricht ein garantiertes Grundeinkommen für 50 Millionen arme Familien. Das ist ziemlich populär. Bisher war bei Sozialhilfeprogrammen in Indien immer die Frage, wie sichert man, dass das bei den Richtigen ankommt, wie verhindert man Missbrauch.
Das ist jetzt nicht mehr ganz so schwer wie früher, weil die meisten Menschen jetzt Bankkonten haben, auf die die Regierung Grundeinkommen überweisen könnte.
Die BJP hat auch Förderprogramme, vor allem für arme Bauern und Landbewohner. Aber im Zentrum steht weniger die Sozialpolitik als die Wirtschaftspolitik und das Versprechen zu einem rascheren Wirtschaftswachstum zu kommen.
Davon haben die meisten Menschen bisher nur beschränkt etwas gehabt. Die Wirtschaft ist eher ein schwacher Punkt der Regierungspartei.

Indien positioniert sich unter Modi als Weltmacht. Genauso wie Pakistan verfügt Indien ja über Atomwaffen. Erst vor Kurzem hat die indische Armee bekannt gegeben, dass ein Raketenabwehrsystem erfolgreich getestet wurde. Welche Rolle spielen militärische Machtdemonstrationen im Wahlkampf?
Der Wahlkampf ist eine Zeit große Spannungen mit Pakistan gewesen. Pakistan behauptet sogar, dass es Geheimdienstinformationen gibt, wonach Indien in der nächsten Zeit einen Krieg provozieren könnte, aus wahltaktischen Gründen. In Indien weist man das empört zurück. Das indische Verteidigungsministerium warnt im Gegenzug vor Terrorangriffen, die von Pakistan aus gegen Indien durchgeführt werden könnten.
Der Streitpunkt ist Kaschmir, der einzige indische Bundesstaat, der mehrheitlich moslemisch ist. Kaschmir ist zwischen Indien und Pakistan umstritten. Es gibt dauernde Zusammenstöße zwischen indischem Militär und indischer Polizei und islamischen Jugendlichen, die die Inder als Besatzungsmacht erleben.
Modi will die Autonomie, über die das indische Kaschmir laut Gesetzeslage verfügt, abschaffen, und das erhöht weiter die Spannungen.
Wer hat bessere Chancen, die hinduistische Regierungspartei mit Modi oder die oppositionelle Kongresspartei mit Raoul Ghandi?
Ernsthafte Meinungsumfragen gibt es keine. Allerdings hat die Kongresspartei im letzten Jahr zwei wichtige Wahlen in Bundesstaaten gewonnen. Raoul Gandhi, der Chef der Kongresspartei, setzt alles daran, einen Umschwung herbeizuführen.
Die Spannungen mit Pakistan helfen auf jeden Fall den Nationalisten. In den indischen Medien werden Modi die Chancen auf eine zweite Amtszeit durchaus eingeräumt.

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